Kapitel 1 Chase

555 16 0
                                    

„Verfickte
Scheiße, Jenna! Kannst du bitte mal Gas geben? Ich bin nicht dein persönliches Taxi und die Schule fängt in zehn Minuten an."
Okay. Vielleicht bin ich ein wenig harsch, aber sie schminkt sich jetzt schon seit einer halben Stunde und ist erst beim Bronzer. Ich bin ja nicht der Typ, der viel über Make-up weiß. Allerdings weiß ich, dass da definitiv noch einiges fehlt.
„Kannst du einfach mal die Schnauze halten? Dann wäre ich auch schneller fertig."
Touché.
„Beeil dich einfach, in Ordnung?"
„Bin gleich fertig!" Oh. Definitiv nicht! Jenna Donnovan ist echt ein Fall für sich. Sie ist wohl einer der chaotischsten Menschen die ich kenne. Aber sie wäre nicht meine große Schwester, ohne ihr Chaos und ich könnte sie mir nicht anders vorstellen.
Endlich läuft sie die Treppe runter und schaut mich kurz resigniert an.
„Neues Shirt? Steht dir gut.", sagt sie und wirkt sichtlich bemüht sich bei mir einzuschleimen.
„Das Sweatshirt habe ich schon seit zwei Jahren. Versuch gar nicht erst dich einzuschleimen. Du bist nicht gut darin. Los jetzt! Sonst kommen wir wirklich noch zu spät."
„Meine Güte. Ich komme ja schon", seufzt sie und kämmt ihr blondes Haar mit den manikürten Nägel durch.
Sie folgt mir in unsere Tiefgarage und spring dann auf den Beifahrersitz unseres Lamborghinis. Wie immer nehme ich neben ihr auf der Fahrerseite platzt und fahre durch das Garagentor.
Vielleicht wirkt meine Familie schnöselig sind wir aber nicht. Wir sind einfach eine normale Familie. Naja... wenn es als normal zählt in einem Wolkenkratzer zu leben und einen Lamborghini zu besitzen. Aber wir sind vier Kinder und ein Elternteil. Ich für meinen Teil arbeite noch nicht, aber Dad, Anthony und Jenna arbeiten bereits. Anthony hilft manchmal in der örtlichen Bücherei aus und Jenna hilft gelegentlich bei Dad im Laden aus. Dad's Gitarrenladen ist erstaunlich beliebt. Es ist nicht so, dass ich nicht arbeiten will. Wirklich nicht. Nur eigentlich verdienen wir genug und deswegen ist es wohl einfach nicht nötig. Und Emmy arbeitet ja auch noch nicht. Sie ist sechs, aber es geht um das Prinzip.
„Chase, warum bist du überhaupt so grummelig?"
Warum wohl, Chase? Vielleicht weil Kelly mir heute ihren besten Freund vorstellen will. Sie erzählt dauernd von ihm und so langsam habe ich das Gefühl, er will mehr von ihr. Kann eine Freundschaft mit dem anderen Geschlecht überhaupt gut ausgehen?„Kelly will mir nur diesen Hayden vorstellen", sage ich mit merklicher Eifersucht.
„Hayden? Ach wie lustig. Bei Dad und mir im Laden arbeitet auch ein Hayden."
Mein Blick fährt sofort zu ihr und ich schaue sie geschockt an.
„Guck auf die Straße, du Irrer!", meckert sie rum, „Und warum bist du überhaupt so geschockt? Kelly hat ihn schon mehrfach vom Laden abgeholt."
So langsam wird dieser Hayden immer unsympathischer. Alles was ich über ihn weiß, ist, dass er schwarze Haare hat, Skateboard fährt und Gitarre spielt. Was eigentlich nach dem Traumtypen jedes Mädchens klingt. Ich vertraue Kelly, allerdings ist es etwas schwer da mitzuhalten. Klar, Basketball und Biker sind jetzt auch keine unattraktiven Sportarten, aber in wahrscheinlich jedem zweiten Liebesfilm fährt der Typ Skateboard oder spielt Gitarre.
„Ich weiß es doch auch nicht, Jenna. Vielleicht bin ich etwas eifersüchtig auf den Kerl."
„Mach dir keine Sorgen. Du kannst Kelly vertrauen. Sie ist keine Schlampe", sagt Jenna, die sich ihrem Lippenstift gewidmet hat.
„Du hast Recht. Kelly ist toll. Das wird schon." Irgendwie.
Bei der Schule angekommen, die mit Jenna's und Anthony's Uni verbunden ist, stürmen uns um die zwanzig Leute entgegen. Jenna ist ziemlich beliebt geworden und als ihr kleiner Bruder, profitiere ich auch von ihrem Erfolg. Zwar eher in ihrem Schatten, jedoch macht mir das nichts aus. Ich brauche auch eigentlich nur eine Person hier. Meinen besten Freund, Kilian. Wir sind seit dem Kindergarten beste Freunde und es gibt nichts was wir nicht für einander tun würden. Er kennt alle meine Geheimnisse und schweigt wie ein Grab. Und da kommt er mir auch entgegen. Die Sonne in Person. Kilian Russo. Meine andere Gehirnhälfte.
„Chasy! Lang nicht mehr gesehen", sagt er und strahlt von einem Ohr zum anderen.
„Was geht, Kiki?"
Er verdreht die Augen und betritt mit mir die Schule. Nach Routine gehen wir in unseren Klassenraum und setzen uns hin. Eigentlich ist unsere Schule sogar ziemlich hübsch. So hübsch, wie eine Schule nun mal halt sein kann, aber vielleicht etwas sauberer und besser dekoriert.
Ich verteile meine Bücher unordentlich auf dem Tisch und schaue zur Tür.
Dann betritt sie den Raum. Kelly.
Wir sind seit drei Jahren zusammen und haben eigentlich jedes erste Mal miteinander gehabt. Erste Beziehung, erster Kuss. Weiter haben wir uns noch nicht getraut. Und mit wir meine ich mich.
Sie läuft auf mich zu und setzt sie auf meinen Schoß.
„Hey, babe", flüstert sie und drückt mir einen Kuss auf den Mund.
Ich habe keine Zeit zu antworten, denn in diesem Moment entscheidet sich das Universum mich zu hassen.
Mein Bruder stürmt in den Klassenraum
Sein Blick trifft meinen und er läuft zu mir.
„Bei Gott. Was mache ich falsch im Leben", nuschele ich bevor er uns erreicht.
„Hallo, Anthony. Wo gibt's Probleme?"
Er schaut mich kurz an und schaut dann zu Kilian.
„Oh, h-hi, Kilian",säuselt er vor sich hin und rückt seine Brille zurecht.
Ich habe mit Jenna im Prinzip die Entschuldigung für Anthony erhalten. Er ist...wie soll ich das sagen, ohne ihn komplett zu beleidigen? Anders. Er ist introvertiert, er ist an sich eigentlich ein echt sportlicher Typ. Nur er macht nichts draus. Ich kann bestätigen, dass ihm die Frauen praktisch hinterher rennen würden, wenn er mal seine Brille wechseln würde und sich etwas besser kleiden würde. Allerdings merke ich, dass er und mein bester Freund jedes Mal, wenn sie sich sehen, sich mit den Augen gegenseitig ausziehen. Und so ist es auch dieses Mal. Anthony's Wangen sind leicht gerötet und Kilian lächelt wie ein Idiot.
„Anthony. Hey."
Und es geht los. Zu erst ziehen sie sich mit Augen aus und jetzt beginnt der gefühlte Porno. Herzlichen Dank auch.
Ich stoße meinen Ellenbogen in Kilian's Seite.
„Oww!", beschwert er sich.
„Also. Was gibts?", frage ich meinen großen Bruder. Kleinen großen Bruder? Keine Ahnung.
„Jenna. Wo ist Jenna?"
„Woher soll ich wissen wo sich die Chaotin jetzt wieder befindet? Ich habe kein Navi zu ihr."
Er schaut mich kurz verdattert an, aber rennt dann wieder weg. Endlich. Ich hatte schon Angst, wenn er länger bleibt, dass Kilian sich dann einen neben mir runterholen würde.
„Alter! Kannst du mal netter zu Anthony sein?", faucht er mich von der Seite an.
„Tut mir leid, dass ich deinen Schatz beleidigt habe. Benutzt übrigens ein Gummi, klar? Kein Bock, dass ihr euch irgendeinen Scheiß einfangt."
Kilian dreht sich weg um seine geröteten Wagen zu verbergen. Funktioniert aber nur so semi gut.
Kilian ist offiziell nicht geoutet. Und vielleicht wird das auch nie passieren. Ich weiß nicht mal ob er überhaupt queer ist. Vor mir hat er sich jedenfalls noch nicht geoutet. Und ich weiß wie unhöflich es ist, über die Sexualität anderer Leute zu spekulieren, allerdings geht es hier um meinen Bruder und meinen besten Freund.
„Also bleibt es bei dem Treffen mit Hayden heute Abend?", fragt mich Kelly und reißt mich aus meinen Gedanken.
Hayden.
„Klar, Süße. Freue mich schon."
Lüge. Eiskalte Lüge. Ich freue mich definitiv nicht darüber, diesen Shawn Mendes in Skateboard Edition kennenzulernen. Es ist so klar, dass er sie will. Er macht jede Woche einen Filmabend mit ihr, er geht mit ihr shoppen, sie begleitet ihn zu seinen beschissenen Wettbewerben, sie nennt ihn Haidy, was an sich ja schon lächerlich genug ist, kommt nur noch dazu, dass er sie Kelkel nennt.
„Wir treffen uns mit ihm in dem süßen Restaurant, welches in der Nähe des Shops deines Vaters ist. Also zieh einfach eine Jeans und irgendein Hemd oder Pullover an."
In diesem Moment kommt unsere Englischlehrerin, Miss Clarke, rein. Mit ihrem typischen Lächeln stellt sie sich hinter ihr Pult und Kelly geht an ihren Platz.

Sorry not sorry (Boyxboy) deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt