Chaossalat

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Nachdem ich auch die letzten Taschen in unseren Zimmern verteilt hatte, breitete ich meine Zeichenutensilien auf dem Tisch in meinem Zimmer aus. Ich war ganz froh, dass wir nicht fliegen mussten und dadurch begrenztes Gepäck hatten. Denn so konnte ich locker all meine Sachen mitnehmen, die ich brauchte.

Auch wenn ich Grafikdesign studierte, entwarf ich nicht nur Logos oder Poster, sondern ich zeichnete auch gerne Landschaften oder Tiere. Ich freute mich schon darauf, mich demnächst auf eine Weide zu setzen und die Pferde zu zeichnen oder vom Balkon aus die Landschaft zu skizzieren.

Die paar Bücher, die ich mitgenommen hatte, fanden ihren Weg in das gut gefüllte Bücherregal. Dort erkannte ich einige Klassiker und ein bisschen was von allem, wodurch jeder Gast fündig werden würde.

Es gefiel mir besser, hier zu sein, als ich zugeben mochte. Mein Unwille, noch gestern Abend meine Tasche zu packen, war groß gewesen, aber jetzt genoss ich es, aus dem Trubel zuhause mal raus zu sein. Ich konnte mir gut vorstellen, die nächsten Wochen hier zu verbringen. Ich hatte genügend Zeit zum Lesen, Entspannen und einfach den Dingen nachzugehen, die ich machen wollte. Für mich.

Und auch ein Harry Styles konnte mich nicht davon abbringen, hier eine schöne Zeit zu haben. Sollte der doch hier herumstaksen mit seinen Storchenbeinen und dem abgehobenen Ausdruck. Mir doch egal. Solange er mich in Ruhe ließ.

Nachdem ich meine Sachen soweit ausgepackt hatte, schloss ich meine Zimmertür hinter mir und suchte mir den Weg in die Küche. Es dauerte etwas und ich verlief mich einmal, wodurch ich nun auch wusste, wo das Bad im Erdgeschoss war, bis ich in die Küche trat. Musik schallte aus dem Radio und Anne, die eine gelbe Schürze mit weißen Streifen um den Hals trug, sang fröhlich mit.

Ich klopfte an den Türrahmen, um auf mich aufmerksam zu machen. Die Freundin meiner Mutter zuckte etwas zusammen, bevor sie sich umdrehte und mich freudestrahlend ansah.

»Hi, gut dass du da bist«, sagte sie und zog mich weiter in die Küche. »Ich bräuchte noch Hilfe bei den Tomaten. Kannst du die für mich schneiden? Sie sollen mit in den Salat.«

»Klar, kann ich machen«, erwiderte ich und stellte mich mit einem Brett, das Anne mir gab, an die Kücheninsel und begann, die Tomaten erst zu waschen und anschließend in Stücke zu schneiden. Dass es in einem ziemlichen Massaker endete – also für die Tomaten, nicht für meine Finger -, tat mir ziemlich leid. Ich war echt eine Niete in der Küche.

Anne tätschelte mir die Schulter. »Das macht nichts. Tu sie einfach mit in die große Schüssel dort drüben. Dann ordentlich verrühren und das Dressing rüber.«

»Aber meinst du nicht, dass die zu matschig sind, um in den Salat zu kommen?« Etwas traurig betrachtete ich den Haufen Tomatenmatsche, die in ihrem eigenen Saft schwammen. Es sah aus, als würden sie bluten. Arme Tomaten…

Doch Anne winkte nur ab und zwinkerte mir zu. »Ach was, das gibt dem Ganzen ein schönes Charisma und außerdem schmeckt der Salat dann doppelt so gut, weil du mitgeholfen hast.«

»Okay«, lächelte ich und ging mit meinem Haufen toter Tomaten zur Schüssel, um sie mit dem Messer hineinzuschieben. Anne reichte mir zwei Salatlöffel und bedeutete mir, damit den Salat durchzurühren.

Ich gab mein Bestes. Wirklich. Aber am Ende lag ein Teil des Salates außerhalb der Schüssel. Mit einem gutgemeinten Lächeln nahm Anne mir die Löffel ab, tat das, was rausgefallen war, wieder in die Schüssel und mengte es mit gekonnten Handgriffen durch.

»Es tut mir leid, ich war noch nie gut in der Küche«, murmelte ich etwas beschämt.

»Ich finde, du hast das gut gemacht«, versuchte Anne mich aufzumuntern. »Es muss nicht immer alles perfekt sein. Selbst wenn es nicht so aussieht oder funktioniert, wie man es sich erhofft, ist es am Ende immer noch selbst gemacht. Und es ist doch egal, wie die Tomaten aussehen oder ob etwas Salat über den Rand gefallen ist. Solange du es versuchst, ist es niemals verkehrt. Und glaub mir, Louis. Wenn du weiter übst, geht es irgendwann wie von allein.«

»Danke.« Ich schenkte ihr ein Lächeln. »Kann ich draußen schonmal den Tisch decken? Da kann ich nicht so viel Chaos anrichten.«

Lachend deutete sie auf einen Schrank. »Natürlich, das wäre toll. Die Teller sind dort und das Besteck ist in der Schublade neben dem Waschbecken.«

»Wie viele sind wir?«

»Lass mich kurz überlegen… acht Leute müssten wir sein. Deine Schwestern, du, wir drei, und zwei Mitarbeiter, die heute auch mitessen werden.«

Ich nickte und zählte die Teller ab. Dabei nahm ich zwei extra Teller mit raus, auf die man das Grillgut legen konnte. Wie üblich würde das Ganze auf der runden Rasenfläche in der Mitte des Hofes stattfinden. Auf dem Tisch sah ich bereits eine hellblaue Tischdecke. Ich stellte die Teller ab und betrachtete die große Weide in der Mitte der Fläche.

Sie war in den letzten Jahren noch ein gutes Stück gewachsen. Als Kind war ich immer hinaufgeklettert, jetzt könnte es jedoch schwierig werden, da die Äste, an die ich drankommen würde, ziemlich weit nach oben gewandert waren.

Als nächstes holte ich unter einem Lächeln von Anne, die wieder zur Musik tanzte, während sie verschiedene Saftschorlen vorbereitete, Messer, Gabeln und große Löffel für den Salat. Ich flitzte raus, gut gelaunt, weil auch das Wetter endlich mal schön war in England, als ich eine Gestalt mit einem Pferd vom Reitplatz kommen sah.

Die langen Haare der Frau wehten im sanften Wind. Es dauerte etwas, als ich sie erkannte. »Gemma?«, rief ich ihr fragend vom Tisch aus zu.

Sie stoppte verwundert und sah sich um, bis sie mich entdeckte. Schnell legte ich das Besteck ab und lief zu ihr. »Warte mal, Louis? Was machst du denn hier?«

Ich ging auf sie zu und wir schlossen uns kurz zur Begrüßung in die Arme. »Hey, ich bin mit Daisy und Phoebe hier.«

»Ich dachte, Lottie kommt wieder mit?«

»Sie kann dieses Jahr nicht, deshalb musste ich einspringen. Fizzy ist ja momentan auch nicht im Land.« Lächelnd begleitete ich Gemma und ihr Pferd auf den Putzplatz in der Ecke der L-förmigen Stallanlage.

Sie löste die Riemen der Trense und zog dem großen Tier ein normales Halfter über. »Es ist schön, dich mal wiederzusehen. Das letzte Mal ist viel zu lange her. Wie geht’s dir? Was hast du so vor die nächsten Wochen? Ich weiß ja, dass du nicht so für Pferde zu begeistern bist.«

Ich zuckte die Schultern. »Mal sehen, was so wird, nehme ich an. Ich habe jedenfalls alles mit, was ich für die Uni brauchen könnte, langweilig wird es also nicht.«

»Hast du denn dieses Jahr vor, dich mal auf ein Pony zu setzen?«, fragte Gemma belustigt. »Immerhin ist das hier ein Reiterhof.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch nicht. Vielleicht.«

»Du musst ja nicht, aber ich würde dir auch die Grundlagen beibringen, wenn du möchtest. Sag Bescheid und wir können loslegen.« Den Sattel hievte sie von dem hohen Rücken des Tiers und legte ihn über eine dafür vorgesehene Vorrichtung, die sich aus der Wand klappen ließ.

»Danke«, sagte ich und half ihr, die Gamaschen von den Beinen des Pferdes zu lösen. Auch wenn ich nicht ritt, wusste ich durch meine Schwestern dennoch, was man wie vom Pferd löste oder draufsetzte.

»Du, ich glaube, meine Mutter sucht nach dir.« Gemma nickte in Richtung Haus. Ich drehte den Kopf und sah Anne, die ihren Blick schweifen ließ, bis sie mich entdeckte. Wild winkte sie mit den Armen.

»Okay, wir sehen uns dann gleich beim Essen«, verabschiedete ich mich vorerst, tätschelte dem Pferd einmal den Hals und ging dann zu Anne, die immer noch am Winken war.

We're not who we used to be || l.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt