t w o

14 3 2
                                    



A L Y A Y A Z I C I

Ich war dabei, die Croissants mit der passenden Pistaziencreme zu füllen. Meine Kellnerin Fara unterbrach mich dabei mit ihrem plötzlich Eintritt in die Küche.

„Bist du dir sicher, dass du alleine zurecht kommst ? Ich kann auch helfen" , bat die Studentin ihre Hilfe an, obwohl sie die Antwort darauf bereits kannte.
„Komm schon, die Überstunden brauchst du mir auch nicht nachzuzahlen !"

Ich hob den Kopf an, sodass unsere Augen sich trafen. Bei meinem strengen Blick schrumpfte ihr Selbstbewusstsein von einem Elefanten zur Ameise.

„Die einzige Hilfe die du mir bieten kannst ist deine fertige Bachelorarbeit, Mäuschen.
Sieh zu, dass du damit fertig wirst."

„A-aber du kannst das alles doch nicht allein-"

„Fara?" , unterbrach ich sie mit verschwundener Geduld.

„Ja ?"

„Gute Nacht."

„I-Ich verstehe..Gute Nacht, Alya." , flüsterte die junge Dame mit einem Hauch an Röte im Gesicht. Ich schenkte ihr ein Lächeln als Entschuldigung für den harten Ton.

Fara musste wie die anderen verstehen, dass ich es mochte, allein zu backen. Ich sah es als eine Form der Eigentherapie an. Denn die eigentlich unangenehme Stille war meine Gelegenheit für Klarheit im Kopf.

So verschwand Fara also schüchtern wieder. Sie schloss die Eingangstür hinter sich und ließ mich damit in zufriedenener Einsamkeit zurück.
In wenigen Minuten hatte ich die Croissants befüllt und lief mit dem Tablett zur Theke.

Als Inhaberin eines Cafés war mein Alltag gefüllt mit Chaos und Stress. Ich arbeitete oft in Überstunden, weil ich einen hohen Wert auf hausgemachte Speisen legte.

Jeden Abend bereitete ich alles frisch für den nächsten Tag zu. Dafür standen meine Kunden morgens an der Schlange.
Sie liebten den Laden.
Und ich liebte sie.

Vater verabscheute mich für das ‚niedrige Niveau' in das ich mich durch das Café begab. Doch ich hätte nicht glücklicher sein können. Ein Leben ohne Bekanntheit war für mich ein Frieden, den ich nie wieder hergeben wollte.

Summend stellte ich die Croissants zurecht.
Als Kostprobe nahm ich mir einen aus dem Stapel und biss voller Genuss hinein.
Ich wandte mich von der Theke ab, kehrte der Eingangstür den Rücken zu.

„Ein Schritt weiter oder ich schieße."

Ich blieb stehen.
Die Zeit blieb stehen.
In meinem Mund fühlte sich das Croissant plötzlich so schwer an. Vor Furcht wagte ich es nichtmal, runterzuschlucken.

Hinter mir hörte ich Schritte näher kommen.
Dumpf prallten sie auf den Boden ab.
Sie übertönten den stillen Frieden, den ich mir jahrelang erbaut hatte. Ich wollte nicht, dass man ihn mir so schnell entnahm.

„Bitte nicht." , flüsterte ich mit gehobenen Händen. Ich spürte ein Zittern am ganzen Körper, als ich eine Präsenz hinter mir spürte.

Der tiefen Stimme nach zu urteilen, hatte ich es mit einem Mann zutun. Ich hatte keine Waffe an mir, obwohl Vater mich immer deswegen verwarnt hatte. Nun verstand ich, wieso.

„I-Ich gebe Ihnen alles, was Sie wollen.
Das G-Geld liegt in der Kasse."
Meine Stimme bebte beim Sprechen. Ich war mir unsicher, ob er mich überhaupt verstanden hatte. Deswegen zeigte ich vorsichtig auf den Zahlschalter.

„Dreh dich um und pack alles ein." , forderte mich der Eindringling barsch auf. Ich traute mir keinen Widerstand zu. Mit gesenkten Blick öffnete ich die Kasse und starrte für die ersten Sekunden benommen auf das Geld.

Es fühlte sich so surreal an. Diebstähle waren Gang und Gebe in Berlin. Dass es irgendwann mich treffen würde, hatte ich nie erwartet. Ich wollte es nie erwarten.
Tränen sammelten sich, weshalb meine Sicht verschwamm. Mein Finger rührte sich nicht.
Ich war wie eingefroren.

„Jetzt mach schon, oder ich schwöre dir dass ich deinen Kopf-"

Die Drohung endete mit einem schmerzhaften Stöhnen. Ein schweres Gewicht prallte gegen die Theke und darauf auf den Boden.

Erschrocken riss ich den Kopf hoch. Vor mir spielte sich ein Spektakel ab, dass ich nie wieder vergessen würde. Ein weiter Mann hatte sich angeschlichen, um den Eindringling niederzumetzeln.

Alles was ich erkennen konnte war eine schwarze Lederjacke, die vor Spannung beinahe zeriss. Mit Gewalt hatte mein Held den Eindringling zu Boden geschmissen.

Ich hielt mir die Hand vor dem Mund bei dem Blut, das mit jedem Faustschlag durch die Gegend spritzte. Mir wurde Übel durch den Anblick.

Als ich dann auch noch den Bruch eines Kiefers hörte, begann ich zu würgen. Meine letzte Mahlzeit landete in einer Schüssel, die ich noch ergreifen konnte. Das Erbrechen stoppte den Herrn glücklicherweise in seiner Gewalt.

„Sprich den Schwur zu Ende" , forderte er mit einer Ruhe, als würde es um Gott und die Welt im Gespräch gehen. Nur die blutigen Hände deuteten darauf hin, dass der junge Mann soeben jemanden blutig erschlagen hatte.

Ein Wimmern ertönte als Antwort. Ich wagte es nicht, ein zweites Mal in das verunstaltete Gesicht zu schauen. Die Schüssel war bereits voll mit stinkender Kotze, für dessen Geruch ich mich nochmal übergeben könnte.

„E-er hat es bestimmt verstanden." , krächzte ich also hervor und wischte mir zittrig über die Lippen. „Lass ihn gehen."

Für die Aussage trafen unsere Blicke zum ersten Mal aufeinander. Braune Augen, die in der Dunkelheit seiner Kapuze glänzten, schauten mich verständnislos an.
„Du lässt ihn gehen ohne weitere Konsequenzen?"

Ich zögerte mit der Antwort.
Abgelenkt war ich von seinem attraktiven Gesicht. Es war umrundet von einem dichten Bart, der die dominante Stimme erklärte. Schief war seine Nase, als hätte man sie zuvor gebrochen. Und doch passte sie ihm so perfekt.

Beinahe verlor ich mich in diesen Augen, die ein Kontrast zu meiner Wildheit spiegelten. Er war die Ruhe in Person und dabei auch noch so wunderschön. Vergessen war das fremde Blut, was ihm vorhin ins Gesicht gespritzt war. Ich schaute diesen Held ewig an, der groß und prächtig vor mir stand.

„Ja, er soll einfach..verschwinden." , sagte ich zögerlich.

Noch immer war der jungen Mann unzufrieden mit meiner Antwort. Ihm war es egal, dass der faulige Geruch meiner Kotze in seine Nase stieg.
Genauso wenig kümmerte ihn der Eindringling, welcher sein Bewusstsein schon lange verloren hatte.
„Solltest du nicht jemanden anrufen?"

Richtig, das sollte ich.
Vater wüsste genau, was nun zutun wäre. Er würde das Café schließen und mich der Sicherheit halber nie wieder aus dem Haus gehen lassen.

Ich schluckte schwer bei dem Gedanke. Noch immer wurde ich beobachtet von diesen ausdruckslosen Augen. Es fühlte sich an, als wüsste er genau was durch meinen Kopf ging.

„Nein, mir gehört das Café. Ich kümmere mich um den Rest." , entgegnete ich schließlich mit fester Überzeugung. „Ich danke dir für den Einsatz und entschuldige mich für die Umstände."

Die Worte lösten ein Lächeln in seinem Gesicht aus. Es passte nicht zu den harten Zügen, und doch wollte ich, dass der junge Mann nie mehr damit aufhörte.

Benommen wandte ich mich ab, um ihn nicht weiter anzugaffen. Ich schob die Kotze hinter mich, als hätte man sie soeben nicht gehört und gerochen. Mein Held hingegen kümmerte sich um den Eindringling, den ich beinahe vergessen hatte.

Er packte den Fremden unsanft an den Beinen und begann, ihn nach draußen zu schieben. „Ich sorge dafür, dass dieser Kollege den Weg hierher nicht mehr findet." 

„Ich danke dir sehr dafür. Wie kann ich mich dafür ausgleichen?" , fragte ich verlegen. Ein Blick auf die teure Kleidung des Herrn streitete jegliche Geldsummen ab.

Ein kurzes Funkeln blitze in seinen Augen, als hätte er nur auf diese Frage gewartet.
„Ein Kaffee aufs Haus lasse ich gelten."

• • •

SchablonenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt