Gute Nacht Geschichten

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Der Sturm wütete unaufhörlich noch tief in die Nacht hinein. Die Fensterläden krachten gegen die Fassade, Blitze ließen die Nacht aufleuchten und der Wind spukte durch Lücken im Gestein hinein. Nicht einmal mein Kissen welches ich über meinen Kopf drückte konnte dies ausblenden. Gegen drei ließ ich es dann endgültig bleiben.

Ich zündete eine Kerze an und legte mich in meinem Bett gemütlich auf den Bauch, worauf mir das Sirenen Buch auf meinem Nachtschrank ins Auge fiel. Ja... wieso auch nicht? Es war nicht so als hätte ich etwas besseres zu tun...

Mit müden Augen blätterte ich die Seiten auf und begann zu lesen. „Sirenen gibt es etwa genau so lange wie es uns Menschen. In alten Legenden heißt es Sirenen wären verfluchte Frauen, die auf See blieben. Heute wissen wir dass Sirenen ihre eigene Spezies sind, wie sie jedoch entstanden sind ist bis heute ein Rätsel.

Entgegen der allgemeinen Annahme sind Sirenen und Meerjungfrauen zwar verwandt aber eigenständige Spezies.

Sirenen sind Jäger. Schnell und Intelligent. Häufig sind Sirenen eng mit anderen Meeres Räubern verwandt wie Haien, Orcas oder auch Seehunden.

Ich blätterte leicht gelangweilt durch die Seiten, ja im Biologie Buch hatte ich so etwas ähnliches gelesen. Ich schlug die Seite um und stellte zu meinem Erstaunen fest dass die restlichen Seiten alle samt leer waren. Was zur-
Also ein wirklich gut durchdachtes Buch musste dies dann wohl nicht sein-

Was sich der Autor wohl dabei gedacht hatte? So wirklich viel stand ja nicht drin- Es hatte nicht wirklich Sinn weiter darüber zu spekulieren, eigentlich war das ganze Buch ohne hin ein einziges Märchen. Ich legte das Buch zurück auf den Nachtschrank und glitt in meine roten Pantoffeln um in die Küche zu schlurfen. Wenn lesen schon nichts war, würde ein Tee bestimmt die Stimmung heben.

Ich setzte die Kanne auf den alten Gasherd und zündete das Feuer mit einem Streichholz an. Es dauerte nicht lange bis das leise brodeln des Wassers den Raum erfüllte. Ich lehnte mich gegen die Küchenzeile als ich entfernt das Türschloss hörte. Mit einem Blick auf die Uhr drückte ich mich von der Theke ab und schielte in den Eingangsbereich.

Meine Mutter kam erst jetzt vollkommen durchnässt nach Hause und dies nicht alleine. Sie hatte den alten Fischer Jefferson im Schlepptau. Was machten die beiden denn bitte draußen um mittlerweile drei? Ohne einen Ton von mir zu geben lehnte ich mich etwas vor um zu lauschen.

„Wenn wir Glück haben war der Speer genug um ihn zu töten. Aber wir sollten sobald es hell wird sicher stellen dass niemand ihn findet.", erklärte Jefferson und hielt den Arm meiner Mutter in einem ernsten Ton fest.

Sie wirkte beinahe traurig als sie zum alten Mann auf sah. „Wir müssen sicherstellen dass er die einzige Sirene hier ist, wir können Jungtiere nicht riskieren...", flüsterte sie benommen und stellte ihre Stiefel beiseite.

„Es ist unwahrscheinlich dass es Jungtiere gibt. Ich schätze ihn auf grade einmal 20. Er hätte mehr Widerstand geleistet wenn er Junge gehabt hätte", fuhr Jeff fort und setzte sich auf die kleine Holzbank neben der Garderobe.

„Wir hatten schon so lange keine Sirenen mehr in diesen Gewässern... was bringt ihn hierher?", grübelte meine Mutter gedankenversunken und setzte sich neben ihn.

„Seie Art lebt in Küstennähe in kühlen Gewässern. Hoffen wir er ist nur auf Nahrungssuche gewesen und hat kein Nest gefunden...". Mit diesen Worten stand Jefferson auf und ging zur Tür. „Morgen Früh holen wir ihn uns Rose, mach dir keine Sorgen". Mit diesen Worten schritt Jefferson zurück in den schweren Regen und ließ meine Mutter alleine.

Ich starrte beinahe erfroren auf die Klamotten meiner Mutter, sie hatte Blutflecken an ihrer Hose und Kratzer an den Händen. Was war da draußen passiert...? Mein Herz schnürrte sich zu. Ich hatte ihn gesehen... auch wenn ich es nicht glauben wollte- sie meinten ihn. Und sie hatten ihn verletzt... sie hofften er würde sterben-. Ich ballte meine Hände zu fäußten und schaltete den Herd ab.

Ich hatte wirklich versucht es einfach sein zu lassen... wenn dies alles nur ein doofer Traum war und ohnehin nicht echt... konnte ich auch für einen Tag an ein Märchen glauben und- eventuell- helfen.

Ich schlich zurück in mein Zimmer und schlüpfte in meine Klamotten. Ich konnte nicht fassen dass ich dies wirklich tat- die dümmste Aktion die ich dieses Jahr bringen würde! Mit vielleicht etwas zu viel Kraft zog ich meine Regenjacke zu und öffnete mein Fenster.

Sofort prasselte der Regen in meinen kleinen Raum. Erschrocken sprang ich schnell hinaus auf die Feuertreppe und zog das Fenster zu. Ich umklammerte die Taschenlampe fest und lief schnell die Treppen hinab.

Der Boden klebte an meinen Stiefeln und der Regen machte es schwer meine Augen offen zu halten. Ich schlitterte den steilen Weg zur Küste hinab und blickte übers tobende Meer. Meine kleine Taschenlampe erleuchtete das Ufer nur spärlich, ich war praktisch blind.

So stand ich in der Kälte, vollkommen durchnässt und wusste nicht einmal nach was ich überhaupt suchte...

Die Blitze zuckten durch die Nacht und ließen den Himmel erleuchten. Da sah ich es... am Rande der Sandbank lag eine große Gestalt neben dem Steg, leicht versteckt.

Ich schluckte schwer und bewegte mich vorsichtig zur Gestalt. Erst bei näherer Betrachtung erkannte ich seine Gestalt komplett. Er war es... ich kniete mich neben den regungslosen Mann und starrte den abgebrochenen Speer in seiner Seite an.

Mit zitternden Händen zog ich die Klinge aus seinem Fleisch und starrte schockiert hinab. War- War er tot?...

Vorsichtig strich ich ihm die braunen Haare aus der Stirn worauf sich plötzlich eine Hand um mein Handgelenk schloss. Seine Krallen stachen schmerzlich in meine Haut als er mich zu Boden riss und einen Augenblick später meinen Hals umgriff.

Seine Hand schloss sich um meine Luftröhre und schnitt mir die Luft ab. Ich umklammerte die pesch schwarze Hand und erblickte zu meinem blanken Horror die goldenen Augen des Mannes über mir. Dies waren die Augen eines Killers...

Tränen schossen mir in die Augen. So wollte ich nicht sterben. Ich hatte Angst, er tat mir weh und- mir war kalt. Schluchzend versuchte ich seine Hand von meinem Hals zu ziehen, ohne großen Erfolg.

Sein Blick fixierte mich, ohne zu blinzeln starrte er mich an. Ich wusste nicht wie viel Zeit verging bis er seinen Griff plötzlich lockerte und von mir weg rutschte.

Ich schnappte nach Luft und sah ihn an, er blutete noch immer und wirkte schwach... beinahe kränklich. Schwer schluckend setzte ich mich auf. „Du- bist verletzt", hustete ich und ergriff meine Taschenlampe.

Er sah mich nicht an, er lag ruhig unter dem Steg und rührte sich nicht. Vermutlich hätte ich an diesem Punkt einfach gehen sollen...

Aber das tat ich nicht, vielleicht hatte ich doch den Wunsch zu sterben?

Ich setzte mich erneut neben ihn und zog ein Tuch aus meiner Tasche. Ich hatte nicht viel um ihn zu verarzten... So zog ich meine Regenjacke aus... und wickelte die Jacke mit Tuch um seinen Hai-Schwanz.

Zu meiner Überraschung bewegte er sich nicht erneut. Er... ließ mich ihm helfen... Und die Neugierde übermannte mich. Beinahe in Trance... Strich ich über die glatte Haut des Hai Schwanzes... Er fühlte sich wirklich genau so an wie der des Tieres... eine scharfe Flosse, gemacht um schnell durchs Meer zu schwimmen... wow...

Erst als ich den Blick hob bemerkte ich dass die goldenen Augen sich erneut in meine Seele bohrten. Ich hatte keine Ahnung wie intelligent er wirklich war- ob er mich verstand? Oder verstand dass ich ihm helfen wollte? Ich konnte seinen Blick nur erwidern während meine Kleidung den Regen aufsaugte.

„Geh", mir entglitten alle Gesichtszüge. „Geh.", wiederholte er dann mit stoischem Blick. „Du kannst sprechen-", hauchte ich schockiert. Er rollte angenervt mit den Augen und zog seinen Schwanz von mir weg. „Ich habe so viele Fragen!", presste ich hervor. Doch er ignorierte mich und tauchte ins Meer hinab...

Sprachlos... saß ich unter dem Steg im Regen und blickte zum Mond hinauf...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 30 ⏰

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