Kapitel 3: Der seltsame Traum

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Die Sonne war gerade hinter den Hügeln verschwunden, und ein kühler Abendwind zog über den Hof, als die Stimme ihrer Mutter durch das Haus schallte.

„Kian! Finn! Abendessen ist fertig!"

Die beiden Brüder stiegen die knarrende Treppe hinunter und betraten die gemütliche Küche. Ihre Mutter hatte die alte Lampe über dem Esstisch angezündet, deren warmes Licht den Raum in sanftes Gold tauchte. Auf dem Tisch stand ein dampfender Eintopf, daneben frisch gebackenes Brot und eine Schüssel mit leuchtenden Beeren, die ihre Mutter am Nachmittag noch gesammelt hatte. Ihr Vater saß bereits an seinem gewohnten Platz und warf ihnen ein müdes, aber zufriedenes Lächeln zu. Ihre kleine Schwester Lyra rutschte auf ihrem Stuhl herum, neugierig darauf, dass das Abendessen endlich beginnen möge.

„Mama, das riecht fantastisch!" sagte Kian und setzte sich an den Tisch. Auch Finn ließ sich nieder, sein Blick jedoch schien nach draußen in die Dämmerung zu schweifen.

„Arbeitet morgen nicht zu lange", ermahnte ihr Vater die Brüder, während er sich eine Schale Eintopf nahm. „Der erste Frost wird bald kommen, und ich möchte, dass ihr vor der Kälte alles reinholt, was noch draußen ist."

Finn nickte abwesend. „Machen wir, Papa. Vielleicht brauchen wir auch Lyras Hilfe – wenn sie verspricht, die Beeren in Ruhe zu lassen."

Lyra kicherte und zog eine Grimasse, während ihre Mutter sie lächelnd zurechtwies. „Du naschst uns sonst alles weg, kleine Maus."

Der Abend verlief warm und friedlich, die Familie genoss die seltenen Momente, in denen sie ohne Hast zusammen saß. Nur Kian bemerkte, dass Finn stiller als sonst war und immer wieder zum Fenster hinüberspähte, wo der Vollmond jetzt hell über den Verbotenen Wald stand.

Nachdem alle satt waren, verabschiedeten sie sich und gingen müde in ihre Zimmer. Das ruhige, vertraute Gefühl dieser Nacht begleitete die Brüder bis ins Bett. Doch mitten in der Nacht erwachte Finn plötzlich, lange bevor die erste Morgendämmerung den Himmel färbte. Neben ihm regte sich Kian.

„Finn?" fragte Kian schläfrig und blinzelte ihn an. „Ist was los?"

Finn saß aufrecht im Bett, sein Blick war ins Leere gerichtet. „Ich ... ich hatte einen seltsamen Traum, Kian. So klar, dass es sich anfühlte, als wäre ich wach gewesen."

Kian richtete sich auf und setzte sich ihm gegenüber. „Erzähl mir davon."

Finn schien kurz zu zögern. „Ich habe den Wald gesehen, Kian. Es war wieder Vollmond, alles war ganz still. Ich stand am Rand der Bäume und konnte einen schmalen Pfad erkennen, der immer tiefer in den Wald führte." Seine Stimme wurde leiser, als er weitersprach, als würde er das Bild vor sich sehen. „Da war ... eine Gestalt. Sie stand vor einem kleinen Haus im Wald, ganz dunkel, als wäre sie ein Schatten. Ich konnte nicht ihr Gesicht erkennen, aber sie winkte mich zu sich, langsam, als ob sie warten würde."

Kian hörte aufmerksam zu, und ein kaltes Kribbeln breitete sich auf seiner Haut aus. Die dunkle Gestalt, das unbekannte Haus – etwas daran berührte ihn auf eine Weise, die er nicht verstand. Finns Traum erinnerte ihn an das Licht im Wald, das sie so oft gesehen hatten und dessen Ursprung sie nie hatten entdecken können.

„Vielleicht hat das Licht etwas damit zu tun," überlegte Kian flüsternd in die Dunkelheit hinein. „Es erscheint ja nur bei Vollmond, und jetzt träumst du ausgerechnet heute Nacht von einem Haus und einer Gestalt, die dich ruft?"

Finn nickte langsam, seine Augen suchten die Schatten des Zimmers, als würden sie dort Antworten finden. „Es war, als wollte sie mir etwas zeigen, als ob der Wald uns etwas Wichtiges sagen will."

„Aber was?" Kian versuchte, den Traum zu deuten, aber alles, was ihm in den Sinn kam, waren Gerüchte und Geschichten über den Wald, die nichts Gutes verhießen. „Was, wenn diese Gestalt nicht Gutes im Sinn hat?"

„Ich weiß es nicht", murmelte Finn, doch in seinen Augen lag ein Funkeln von Entschlossenheit. „Aber ich spüre, dass wir zurückgehen müssen, Kian. Der Wald ist ... etwas anderes, als die Leute denken. Vielleicht ist es kein Fluch, sondern ein Geheimnis, das uns betrifft."

Einige Augenblicke lang war das Zimmer still, beide Jungen sanken in ihre Gedanken. Das silberne Mondlicht fiel durch das Fenster und warf sanfte Schatten auf den Boden, die sich im Wind des Herbstes leicht bewegten. Kian konnte Finns Entschlossenheit spüren, und etwas in ihm spürte, dass sie Antworten suchen mussten – auch wenn der Wald voller Geheimnisse und Gefahren war.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 31 ⏰

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