Ich wohne in einem hohen Haus. Es hat viele Giebel und Fenster. Meine Wohnung hat eine Küche, ein Bad und ein Bett, doch ein Balkon der fehlt. So habe ich auf meinem Fenstersims nur Platz für eine Pflanze. Täglich kümmere ich mich um sie, entferne welke Blätter und gieße sie bei Bedarf. Die Pflanzenpflege ist wohl einer Freundschaft sehr ähnlich. Ebenso wie eine Zimmerpflanze bedürfen auch Freundschaften ständiger Pflege.
Ich glaube, einen Freund zu verlieren heißt, einen Teil von sich abzutrennen. Das feine Pflänzchen, welches man während der Freundschaft pflegte, aufzugeben, und verdorren zu lassen. Es bedeutet einen Teil von sich für immer zu verlieren. Ja, dieser Teil nämlich, der hoffte und wünschte, dass diese Pflanze für immer gedeihe, der sie täglich wässerte und mit liebevollen Augen das kleine Kunstwerk betrachtete.
Wie traurig das auch sein mag, so ist es doch Teil des Lebens. Schließlich lebt keine Pflanze ewig. Wir Menschen bilden uns gerne ein, dass Dinge ewig bestehen. Es ist eine schöne, und zugegebenermaßen auch praktische Illusion, welche uns vor dem Schrecken der Realität bewahrt, denn im Grunde ist das Leben schrecklich. Es ist eine ganz menschliche Eigenschaft, diese Tatsache zu übermalen mit Dingen die uns gefallen, doch schaut man genau hin, so scheint doch stets die Schrecklichkeit hindurch. Sie ist somit die Leinwand vor deren Hintergrund wir Kunst schaffen und wissenschaftlichen Fortschritt anstreben und all die Dinge erschaffen, welche wir als Privilegien einer gottgleichen Spezies betrachten, die jedoch nichts weiter sind als ein Versuch unserer Existenz in einer schrecklichen Welt zu entfliehen oder ihr einen Sinn zu verleihen.
Insofern ist die Betonung dieser Privilegien, wie es die Menschen gerne tun, ein verzweifelter Akt der Kompensation dafür, dass wir Menschen doch eigentlich gar nicht wissen, weshalb wir in einer so schrecklichen Welt existieren. Wie einen Schild tragen wir sie vor uns her, und maßen uns an sie zum Anlass zu nehmen um uns über alle anderen Lebewesen zu erheben.
Wenn man es so betrachtet, dann denke ich, lebe ich in symbiotischer Beziehung zu meiner Topfpflanze.