4. Logbuch - März 2002

3 1 0
                                    


A/N: Triggerwarning: Scheinandeutung auf Gewalt (Ist das überhaupt eine Triggerwarning?)


Es knisterte in seinen Ohren. Es schien golden in seinen Augen. Er war wie gefesselt. Über dem Teer der Straße, nur ein paar Armlängen entfernt. Der goldene Schmetterling.

Espen starrte leise vor sich hin. In seinem Kopf klickte es. Er wusste, was er jetzt tun musste.

Er streckte seinen Arm aus.

Nur noch ein paar Meter. Er ging unbewusst auf die Straße zu. Näher, zum Schein seiner eigenen Realität. Nur noch eine Armlänge. Alles andere war ihm jetzt egal.

WACH AUF.

WACH AUF.

Es gab nur noch das Glitzern, das Scheinen. Nichts mehr, nicht die Kälte, die ihm bis in die Knochen gekrochen ist, nicht die Stimme, die ihn warnte, nicht der Lastwagen, der jetzt über dem Tempolimit um die Kreuzung raste.

Räder quietschten, die Hupe ertönte laut und warnend. Unter den Rädern spritzte Wasser hoch. Alles ging zu schnell.

Man hörte in der Ferne noch verstummend die Räder des LKWs. Die Stille nahm langsam ihren Platz wieder ein. Alles wurde bestritzt, vom Gehweg bis zur Hauswand. Schmutziger Anblick.

Espen stand auch befleckt da, von oben bis unten mit dreckigem Regenwasser. Die Augen weit offen. Vor ihm, die leere Straße. Kein Schmetterling. Er stand wie angewurzelt da, in die Weite starrend. Wusste nicht, ob er jetzt anfangen sollte zu heulen oder einfach den Rückweg einschlagen sollte. Es ist, als ob er aus einem jahrelangen Koma aufgewacht wäre und jetzt nicht mehr wusste, wo er mal hingehörte.

Eine Präsenz neben ihm. Es war nicht deutlich spürbar, jedoch anwesend. Espen drehte langsam den Kopf. Seine Augen fokussierten sich wieder und fanden sofort Halt an einem bestimmten Etwas.

Neben ihm stand, in großer, schwarz flackernder Pracht, ein Schattenwesen. Espen schaute es nur an, mit großen Augen. Es war ihm nicht zum Schreien oder zum Wegrennen zumute. Das Wesen musterte ihn mit großen, stechenden weißen Augen. Der Wind blies durch Espens Haare, rauschend an seinen Ohren vorbei.

Stille lag zwischen ihren Blicken.

Logbuch Eintrag, Ende März. Updates wegen dem Zustand des Mädchens im Krankenzimmer.

Es gibt schlechte Neuigkeiten. Der Zustand des Mädchens, das vor einer Woche den Jungen angegriffen hatte, ist drastisch verschlechtert.

Das Mädchen, das Hör- Seh- und wahrscheinlich noch mehr Sinne verloren hat, ist die später draufkommenden Nächte über im Krankenzimmer geblieben, angeschlossen an Geräten und Monitoren. Sie hat sich immer wieder gewehrt, wenn Agnes versucht sie dazu zu bringen, Nahrung zu sich zu nehmen. Es tut Agnes immer leid, wenn sie sowas durchmachen muss. Es tut ihr weh, wenn sie Kinder leiden sieht. Und besonders hat sie gelitten, als sie ins Krankenzimmer gegangen ist, um die Vorhänge aufzuziehen, damit die Morgensonne reinkommt.

Als sie ins Krankenzimmer tritt und das Licht einschalt, lässt sie das Tablett voller leerer Teller und Gläser fallen. Mit einem lauten Klirren geht das Geschirr auf dem Boden nieder. Das Herz pocht ihr gegen die Brust. Sie traut ihren Augen nicht, was sie da sieht.

Das Mädchen liegt da und rührt sich nicht. Ihr Brustkorb bewegt sich nicht im Takt der Atmung. Gar nichts. Agnes brachte mich ins Zimmer, fühlt ihren Puls. Nichts.

Ihre Hand liegt auf der Schulter des Mädchens. Außerhalb der Tür spähen viel zu neugierige Nasen hinein. Ich scheuche sie mit wedelnden Armbewegungen von der Tür weg und schließe sie zu. Ich weiß nicht, ob sie verstehen würden, was mit ihrer bisherigen Kameradin geschehen ist.

Die Traum Seuche - März 2002Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt