{August 2013}
Der Blick aus dem Fenster ließ sie erstarren. Dicke Schneeflocken fielen vom Himmel, dazu wehte der Wind, der vor ein paar Wochen den Winter mit sich gebracht hatte. In der Queen-Victoria-Street gingen nach und nach die Lichter aus, die Menschen verkrochen sich in ihren Betten oder setzten sich in eine dicke Decke gehüllt mit einem guten Buch vor den Kamin. Sie riss sich vom Bild der eingeschneiten Nachbarhäuser los und lief in den Flur ihres für eine Person viel zu großen Hauses. Sie griff nach dem dicksten Mantel, den ihre Garderobe zu bieten hatte und schlüpfte hinein. Sie müsste das Haus heute im Gegensatz zu vielen anderen glücklichen Menschen nochmal verlassen.
Sie war im Gegensatz zu anderen Menschen Jennifer „Jenny" Shepard, die Direktorin des NCIS. Und die Direktorin des NCIS war wie viele andere Führungskräfte heute Abend zum jährlichem Weihnachtsbankett der Stadt Washington D.C. geladen worden.
Jenny blickte an sich hinunter und begann, den dicken Mantel mit Pelzkragen zuzuknöpfen. Das dunkelblaue, trägerlose Abendkleid, das sie extra für diesen Anlass gekauft hatte, verschwand ganz darunter. Nicht zu auffällig und nicht zu schlicht, hatte sie gedacht, als sie an der Kasse gestanden hatte. Nun bereute sie diesen Kauf sehr, da sie nicht mit so viel Schnee und Eis gerechnet hatte und sie sich so leicht bekleidet sicherlich den Tod holen würde. Und Krank zu sein konnte sie sich bei ihrem Job nicht leisten.
Sie band sich ebenfalls einen Wollschal um den freiliegenden Hals mit der Perlenkette. Es wird nichts bringen, dachte sie sich dabei.
In einem Abendkleid kann man der Kälte des Winters nicht trotzen.
Jenny dachte an das Eis auf der Treppe vor ihrer Haustür, das von einer glitzernden Schicht Pulverschnee überzogen sein würde und dann an ihre High Heels, die sie zum Kleid trug. Sie hatte vergessen Streusalz zu streuen. Sie nahm ihre weiße Handtasche von der Kommode und kontrollierte, ob sich die Dose Kopfschmerztabletten auch wirklich darin befand. Die würde sie auch bitter nötig haben, um Edward Smith, den nervigen FBI-Direktor, zu ertragen, der sich schon seit einiger Zeit um ein Date mit ihr bemühte.
Hoffentlich breche ich mir vorher auf der Treppe alle Knochen.
Dieses Jahr machte sie den Fehler, alleine zum Weihnachtsbankett zu gehen. Edward Smith würde sie umschwirren wie eine Motte das Licht und sie solange in den Wahnsinn treiben, bis sie ihn erschießen oder wenigstens die Nase brechen würde.
Ihre vorgesehene Begleitung, der charmante Gerichtsmediziner Dr. Donald „Ducky" Mallard, der sie letztes Jahr begleitet und den FBI-Direktor mit seinen Erzählungen über das Weihnachtsfest zum schweigen gebracht hatte, war jetzt schon 4 Tage wegen einer Grippe krank geschrieben. Jenny warf nochmal einen prüfenden Blick in den Spiegel, bevor sie das Licht im Flur löschte, sich die Haustürschlüssel griff und ihre Hand nach der Türklinke ausstreckte.
Sie zog sie aber sogleich zurück.
Die Außenbeleuchtung war angesprungen, und durch die Buntglasscheibe in der Tür konnte sie erkennen, dass draußen eine große Gestalt mit breiten Schultern auf sie wartete. Es klingelte.
Wer war das?
Sie zog scharf Luft ein und hielt sie einen Moment an. Die Gedanken immer bei ihrer Dienstwaffe in der dritten Schublade der Kommode.
Wenn das Edward Smith ist, der mich direkt von der Haustür aus abholt um mir noch mehr von seinen Politikerfreundschaften, Investoren oder inkompetenten Agents zu erzählen, werde ich ihn ein für alle mal erledigen!
Sie tastete nach dem Lichtschalter. Oder sollte sie einfach warten und so tun, als ob sie schon losgefahren wäre? Ihre Finger hatten den Lichtschalter aber schon gefunden und ihn umgelegt. Sie legte ihren Schlüssel und ihre Handtasche zurück und stellte sich die Frage, wie schnell sie die Waffe ziehen und ihren Besuch umlegen könnte. Sie würde ein bisschen aus der Übung sein, da man als Direktor ja nicht jeden Tag eine Pistole in die Hand zu nehmen braucht.
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Jenny & Jethro
FanfictionEine Sammlung von einigen Kurzgeschichten über Jenny & Jethro.