Kapitel VIII: Rückschlag

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Freeja

Freeja saß angespannt an ihrem Arbeitstisch und blickte auf das Tattoo-Motiv vor sich. Es war von Anfang an eine Herausforderung gewesen, diesen Kunden anzunehmen – seine Vorstellungen von einem aufwendig schattierten, hyperrealistischen Motiv lagen Lichtjahre entfernt von ihrem eigenen, abstrakten Stil. Doch als angestellte Tätowiererin konnte sie sich nur selten aussuchen, welche Kunden sie betreute, und hatte letztlich zugestimmt, das Design zu übernehmen.

Mit einem gezwungenen Lächeln drehte sie sich nun zu ihrem Kunden um, der auf die neueste Version des Entwurfs wartete. „So," begann sie vorsichtig und zeigte ihm das Ergebnis, „hier habe ich die Linien etwas verfeinert und die Schattierung weicher gestaltet. Ich denke, das gibt dem Design etwas Tiefe, ohne den abstrakten Stil ganz zu verlieren."

Doch der Kunde verzog sofort das Gesicht. „Hm. Nein, also das ist noch nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Können wir das nicht irgendwie... realistischer machen? Mehr Details vielleicht?" Er tippte mit dem Finger auf das Tablet. „Ich will, dass die Blätter wie echte Blätter aussehen. Diese Schattierungen sind doch nicht das, was ich meine."

Freeja spürte, wie sich ihre Schultern verkrampften. Realistische Blätter. Der Kunde hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er „irgendetwas mit Pflanzen und Natur" wollte, aber mit ihrem Stil, der eher abstrakt und floral war, schien er doch nicht zufrieden zu sein. Schon als sie ihn übernommen hatte, wusste sie, dass dieser Auftrag für beide Seiten nicht zufriedenstellend enden würde. Aber jetzt, mit jeder neuen Forderung, war sie nur noch frustrierter.

Sie zögerte, bevor sie antwortete, versuchte, ihre Unzufriedenheit im Zaum zu halten. „Ich verstehe," sagte sie und bemühte sich um einen sachlichen Ton. „Aber, wissen Sie, mein Stil ist eher darauf ausgelegt, etwas Simplifiziertes und Abstraktes darzustellen. Ich denke, das bringt ein gewisses Flair und gibt dem Motiv mehr Charakter, ohne dass es überladen wirkt."

Der Kunde schnaubte ungeduldig. „Na ja, aber das ist nicht das, was ich will. Ich meine, wozu sonst komme ich überhaupt her, wenn ich am Ende ein Design bekomme, das ich so gar nicht will?"

In ihr wuchs die Frustration, doch sie schluckte es runter und setzte ein gequältes Lächeln auf. Das war der Alltag in diesem Studio – viel zu oft wurde sie gebeten, ihren Stil zu verändern, sich anzupassen, als wäre ihre kreative Stimme nur eine veränderbare Eigenschaft.

Und jetzt, in diesem Moment, erkannte sie wieder einmal, wie sehr sie sich danach sehnte, frei zu sein – ihre eigenen Kunden anzuziehen, die ihre Arbeit wirklich schätzten, die ihren einzigartigen Stil wollten und keine Kopie von etwas, das sie in einem Katalog gesehen hatten. Der Gedanke, ein eigenes Studio zu besitzen, ein Ort nur für ihre Kunst, wurde ihr immer wichtiger. Ein Ort, wo sie ihr Talent voll ausleben konnte, ohne ständig ihre künstlerische Identität zu verbiegen.

Sie sah den Kunden an und zwang sich, ruhig zu bleiben. „In Ordnung," sagte sie kurz angebunden. „Ich werde das Design weiter anpassen." Doch innerlich war sie schon längst woanders. Die Vision eines eigenen Studios, das voll und ganz ihre Handschrift trug, erschien immer klarer und dringlicher vor ihrem inneren Auge.

Nachdem Freeja den Kunden mit einem knappen Lächeln und einem freundlichen „Bis zum nächsten Mal" verabschiedet hatte, sank sie erschöpft in ihren Stuhl zurück. Sie atmete tief ein, dann warf sie einen Blick auf das Tablet, wo das umgearbeitete Design erneut auf sie wartete. Jede Linie und jede Schattierung erinnerte sie daran, wie weit sie sich von ihrem eigenen Stil entfernt hatte, und die Müdigkeit über all die Anpassungen lastete auf ihr wie ein schwerer Mantel.

Gerade als sie sich dazu zwang, das Design noch einmal durchzugehen, vibrierte ihr Handy auf dem Tisch. Ein wenig erleichtert über die Ablenkung, griff sie danach und las die Nachricht von Anna:

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⏰ Letzte Aktualisierung: 5 days ago ⏰

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Zwischen uns. || Florian Wirtz StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt