Echo der Stille

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Der Winter war gekommen und hatte die Welt in ein erstickendes Schweigen gehüllt. Der Schnee bedeckte den Boden wie ein schweres, weißes Tuch, das die Geräusche der Welt dämpfte. Hermine Granger zog ihren dicken Umhang enger um sich, als sie sich durch den frischen Schnee kämpfte, der unter ihren Stiefeln knirschte. Ihre Atemwolken stiegen in der eisigen Luft auf und verschwanden fast augenblicklich in der endlosen Kälte. Der Weg, der vor ihr lag, war kaum zu erkennen, nur ein schwacher Umriss zwischen den Bäumen, die in der Dämmerung wie schwarze, knorrige Riesen wirkten.

Es war seltsam. Ihr Leben hatte sich verändert, seit der Krieg vorbei war, und doch hatte der Frieden die gleichen Lücken hinterlassen wie der Krieg selbst. Der Verlust von Freunden, die unsägliche Trauer, der ständige Kampf ums Überleben – all das war nicht einfach verschwunden. In den stillen Nächten, wenn der Wind durch die leeren Straßen pfiff, fühlte sie sich mehr und mehr wie ein Schatten ihrer selbst. Sie versuchte, den Schmerz zu verdrängen, doch er war immer da, wie ein ständiger Begleiter.

Der größte Schatten in ihrem Leben war jedoch Severus Snape. Sie hatte geglaubt, er sei tot. In der letzten Stunde des Krieges war er gefallen, das hatte sie nie bezweifelt. Doch dann war die Wahrheit über seinen heldenhaften Einsatz ans Licht gekommen, und mit ihr die Erkenntnis, dass er weit mehr war als der Mann, den alle gehasst und verachtet hatten. Doch sein Tod hatte sie endgültig erreicht, hatte sie in eine tiefe Trauer gestürzt, die sie nie wirklich hatte überwinden können.

Und doch hatte sie vor kurzem von jemandem erfahren, dass er nicht gestorben war. Die Nachricht war ein Schlag in den Magen gewesen – eine Nachricht, die sie fast nicht fassen konnte. Snape war nicht tot. Er lebte noch. Und er war irgendwo da draußen, gezeichnet von seinen Taten, von all dem, was er erlebt hatte. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie jemals einen Grund finden würde, ihn wiederzusehen. Doch jetzt, da sie wusste, dass er noch lebte, konnte sie nicht anders, als nach ihm zu suchen.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, als sie schließlich vor dem Haus in Spinners End stand. Die Fenster waren dunkel, der Rauch stieg nicht aus dem Schornstein auf. Es wirkte alles so verlassene, als wäre niemand hier. Doch sie wusste, dass er irgendwo da drinnen war. Hermine zog tief Luft und klopfte an die knarrende Holztür. Der Klang hallte durch die Stille, und für einen Moment fühlte sie sich wie eine ungebetene Gäste, die in eine längst verlassene Welt eindrang.

Die Tür öffnete sich nur einen Spalt, und hinter ihr stand er.

Severus Snape.

Die Überraschung, die sie empfand, war unbeschreiblich. In all den Jahren des Krieges, in all den Jahren des Verlustes, hätte sie nie erwartet, ihn wiederzusehen. Und doch stand er nun vor ihr, lebendig und real. Er hatte sich verändert, aber seine Präsenz war noch immer dieselbe – düster, unverrückbar, wie ein Mann, der sich von der Welt zurückgezogen hatte.

„Miss Granger", sagte er mit einer Stimme, die so kühl und abgeklärt war wie eh und je, „was führt Sie zu mir?"

„Ich... ich habe gehört, dass Sie noch leben", brachte sie schließlich hervor, die Worte klangen fremd und unpassend in ihren Ohren. „Ich... ich hatte geglaubt, Sie seien tot. Ich... ich dachte, Sie wären gefallen."

Severus Snape schaute sie mit einem Blick an, der sie zu durchdringen schien. Die Schwärze seiner Augen wirkte unergründlich, als ob er alle Geheimnisse des Universums in sich trug und dennoch keinen einzigen von ihnen preisgeben wollte. „Und was erwarten Sie nun, Miss Granger?", fragte er, seine Stimme wie immer eine Mischung aus Spott und Melancholie.

„Ich... ich weiß nicht", flüsterte sie, und ihre Stimme brach. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte, als ich hörte, dass Sie noch am Leben sind. Es tut mir leid, dass ich... dass ich geglaubt habe, Sie seien tot."

Im Schatten der Vergangenheit - SSHG/ Snamione- BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt