Zwei Welten prallen aufeinander

5 0 0
                                    

Die Luft in der Innenstadt von Hamburg war erfüllt von Musik, Stimmen und der subtilen Spannung einer exklusiven Party. Lena von Hagen stand in der Mitte des prunkvoll dekorierten Raumes, ihr makelloses Gesicht wurde von den Scheinwerfern des Fotografen eingefangen. Sie strahlte, wie es von ihr erwartet wurde, doch innerlich fühlte sie sich erschöpft. Die ständigen Lächeln, das Posieren – es war ein Teil ihres Lebens, aber nicht das, was sie wirklich wollte.

Als sie sich eine Sekunde von den Kameras entfernte, fiel ihr Blick auf einen jungen Mann, der sich in der Ecke des Raumes hielt. Seine Kleidung war lässig, fast zu schlicht für die Party. Doch seine Augen – dunkel und durchdringend – zogen sie in ihren Bann. Er beobachtete die Menge, seine Haltung war angespannt, aber selbstbewusst. Lena spürte, wie ihre Neugier geweckt wurde.

Max Schubert war hier, um Geschäfte zu machen – illegale Geschäfte, wenn man genau war. Die schicken Partys der Reichen und Schönen waren ein einfacher Ort, um schnelles Geld zu verdienen. Er hatte keinen Nerv für die glitzernden Outfits oder die hochmütigen Blicke. Doch als er Lena sah, fiel ihm auf, dass sie anders war. Ihr Lächeln schien echt, selbst in dieser künstlichen Umgebung.

Lena: „Hey, ich hab dich hier noch nie gesehen. Bist du ein Freund von jemandem?“
Max, etwas misstrauisch: „Eher ein Bekannter. Und du? Model oder was?“
Lena lachte leise. „Ja, etwas in der Richtung. Aber es ist mehr für die Show. Und du?“
Max zuckte die Schultern. „Ich bin hier, um Geschäfte zu machen. Aber nicht die Art, über die man reden will.“

Lenas Neugier wuchs nur noch mehr. Wer war dieser Junge, der so anders war als die Menschen, die sie sonst kannte?
Max hingegen wunderte sich über ihre Offenheit. Die Mädchen, die er bisher getroffen hatte, sahen ihn selten so an – ohne Vorurteile.
Nach der Party konnte Lena nicht aufhören, an Max zu denken. Seine kühle Art, die Mischung aus Abwehr und Verletzlichkeit, war etwas, das sie faszinierte. Sie wusste, dass es unvernünftig war, doch sie wollte ihn wiedersehen.

Zwei Tage später saß sie in ihrem Wagen, der vor einem heruntergekommenen Wohnblock hielt. Die Straße war weit entfernt von der heilen Welt ihres Gutshofs. Kinder spielten auf kaputten Gehwegen, und die Häuser wirkten grau und trist. Lena atmete tief durch und klopfte an eine Tür, die ihr Max’ Adresse verraten hatte.

Max öffnete, überrascht und fast verärgert.
Max: „Was machst du hier? Bist du verrückt? Das ist kein Ort für dich.“
Lena, herausfordernd: „Vielleicht nicht. Aber ich wollte dich sehen.“
Er schüttelte den Kopf, doch ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Du bist wirklich anders.“

Von diesem Tag an begann eine ungewöhnliche Freundschaft – eine Verbindung, die sich langsam zu etwas Tieferem entwickelte. Lena brachte Max in ihre Welt, zeigte ihm die Freiheit, die sie auf dem Rücken ihrer Pferde fand. Er hielt anfangs Abstand, doch als er das erste Mal die Hand über das seidige Fell eines ihrer Pferde strich, begann er zu verstehen, was sie meinte.

Max zeigte ihr seine Musik – selbst produzierte Beats, die in seiner kleinen Wohnung entstanden waren. Lena war beeindruckt von seinem Talent, und langsam entstand in ihr der Wunsch, ihm zu helfen, seine Träume zu verfolgen.

Es wird Abend. Lena ist wieder Zuhause und die Dunkelheit legte sich über den Gutshof der Familie von Hagen, doch in ihrem Zimmer brannte Licht. Sie saß am Fenster, starrte hinaus in die sternenklare Nacht und kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Ihre Gedanken kreisten um die Worte ihrer Eltern, die wie ein Echo in ihrem Kopf nachhallten.

„Du wirst ihn nicht mehr sehen, Lena! Wir haben dir immer alles ermöglicht, und das ist der Dank? Ein Schulabbrecher, ein Krimineller? Du bist besser als das!“ hatte ihr Vater geschrien, seine Stimme vor Wut zitternd. Ihre Mutter hatte mit verschränkten Armen daneben gestanden, der Blick kühl und abweisend. „Du musst dich entscheiden, Lena. Wir oder er.“

Sie warf sich auf ihr Bett, unfähig, die Tränen zurückzuhalten. Ihre Eltern hatten nie verstanden, was sie in Max sah. Sie kannten nur die Fassade – den „Drogendealer“, den Jungen aus dem falschen Viertel. Aber Lena hatte die Tiefe hinter seinen dunklen Augen gesehen. Sie wusste, dass er mehr war als das, wozu die Umstände ihn gezwungen hatten.

Die Dinge bei Max standen nicht besser. In einem heruntergekommenen Hinterzimmer eines Clubs in St. Pauli saß er vor einem Mann mit kalten Augen und einer Stimme, die jeden Nerv in seinem Körper anspannte. „Du bist uns Geld schuldig, Max. Viel Geld. Und ich erwarte, dass du es beschaffst – egal wie.“

Max schloss die Augen und massierte seine Schläfen. Er hatte nie vorgehabt, so tief in diese Welt einzutauchen. Doch jetzt schien es keinen Ausweg mehr zu geben. Die Schulden hatten sich aufgetürmt, die Bedrohungen wurden brutaler. Er wusste, dass sie es ernst meinten – und dass Lena in Gefahr war, wenn er nicht lieferte.

Es war kurz nach Mitternacht, als Max mit wankendem Schritt die Auffahrt des Gutshofs erreichte. Sein Gesicht war blutverschmiert, und eine tiefe Wunde an seiner Stirn pochte bei jedem Schritt. Er wusste nicht, wohin er sonst gehen sollte. Lena war seine einzige Zuflucht.

Lena öffnete die Tür, noch bevor er klopfen konnte. Ihr Gesicht erstarrte vor Entsetzen, als sie ihn sah. „Max! Was ist passiert?“
„Es ist nichts, ich… ich hatte Ärger“, murmelte er und wich ihrem Blick aus.
„Komm rein“, sagte sie und zog ihn in die Küche. Dort setzte sie ihn auf einen Stuhl und begann, vorsichtig die Wunden zu säubern.

„Du musst aufhören, Max“, sagte sie leise, während ihre Hände zitterten. „Du kannst so nicht weitermachen. Das wird dich umbringen.“
Er lachte bitter. „Als ob ich eine Wahl hätte. Die erwarten, dass ich zahle, oder sie kommen hierher. Und glaub mir, Lena, sie meinen es ernst.“

Lena hielt inne, die Worte sanken schwer in ihr Herz. Sie konnte nicht zulassen, dass Max’ Leben oder ihre Familie zerstört wurden. Aber was konnte sie tun?

In dieser Nacht gestanden sie sich ihre Liebe. Max’ raues Äußeres zerbrach unter dem Gewicht seiner Gefühle, und er hielt Lena fest, als würde sie ihn vor dem Abgrund bewahren. „Du bist das Beste, was mir je passiert ist“, flüsterte er. „Aber ich bin nicht gut für dich, Lena. Vielleicht haben deine Eltern recht.“

„Hör auf“, erwiderte sie scharf und umklammerte seine Hände. „Du bist mehr als das, Max. Und ich werde nicht zulassen, dass sie dich oder uns zerstören.“ „Hör auf“, wiederholt er leicht lachend die Worte von Lena. Schüchtern schaut sie ihm in die Augen. „Ich liebe dich so sehr mein Mädchen“ flüstert er und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Sie erwidert und umarmt ihn fest.

Doch ihre Nähe brachte auch Gefahr. Max’ Feinde hatten längst erfahren, wo er sich aufhielt. In den Tagen darauf häuften sich unheimliche Anrufe und Nachrichten. Lena fand eines Abends eine Warnung an ihrer Tür – ein Messer, in deren Holz gerammt, und ein Zettel mit den Worten: „Begleiche deine Schulden. Oder wir kommen.“

Lena wusste, dass sie handeln musste. Während Max schlief, schmiedete sie einen Plan. Am nächsten Morgen konfrontierte sie ihn. „Wir gehen zur Polizei.“
Max sprang auf. „Bist du verrückt? Die stecken mich sofort in den Knast!“
„Besser das, als dass sie dich umbringen oder meiner Familie etwas antun!“ rief Lena, die Tränen liefen über ihre Wangen. „Ich liebe dich, Max. Aber ich kann das nicht alleine tragen.“

Max starrte sie an, dann nickte er langsam. Sie wussten beide, dass es gefährlich war – doch es war ihre einzige Chance.

Die kommenden Tage waren ein Rennen gegen die Zeit. Sie sammelten Beweise, schrieben jedes Detail von Max’ Geschäften auf und bereiteten sich darauf vor, zur Polizei zu gehen. Doch die kriminellen Kontakte blieben nicht untätig. Am Abend vor ihrem geplanten Treffen mit der Polizei stand ein schwarzer Wagen vor dem Gutshof. Zwei Männer stiegen aus und klopften an die Tür.

Lena und Max standen hinter einem Fenster, versteckt im Schatten. „Wenn wir jetzt nicht handeln, war’s das“, flüsterte Lena. Max sah sie an, die Angst und Entschlossenheit in seinen Augen spiegelte sich in ihren. „Dann los.“

Zwischen zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt