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Jackson

Heute ist definitiv nicht mein Tag. Erst ein D- in Mathe, dann die anschließende Diskussion mit meiner Lehrerin, in der ich eventuell ihre Familie beleidigt habe, und nun drei Stunden nachsitzen muss, und jetzt noch dieses seltsame Mädchen.

Entweder Mom und Dad haben sie wirklich engagiert, und ich habe dank unserer mangelnden Kommunikation mal wieder nichts mitbekommen, oder Ramona ist in Wirklichkeit eine Gangsterbraut, zückt gleich ein Messer und ich werde zum zweiten Mal in diesem Monat Opfer eines Verbrechens.

Beides irgendwie traurig.

Kritisch begutachte ich die Brünette neben mir, und muss echt sagen, dass sie so überhaupt nicht nach Gansterbraut aussieht... oder nach Bodyguard. Vielleicht ist sie auch Versicherungsvertreterin und das ist alles nur eine hinterlistige Masche um mir eine sündhaft teure Lebensversicherung anzudrehen!

Okay, langsam wird's unrealistisch. Vielleicht sollte ich mal dreist nachfragen. "Also Ramona, wie weiß ich, dass du mich nicht verarscht? Hast du einen Ausweis oder so?"

"Ich bin Bodyguard, kein Polizist.", erwidert sie, und man merkt, dass sie ziemlich genervt ist von meiner Frage. Oder vielleicht auch von mir allgemein. Wobei ich hier eigentlich mehr Recht habe genervt zu sein, nach diesem wundervollen Tag, den ich hinter mir habe.

"Und bitte sie das nicht als Akt der Sympathie, aber sag doch bitte Romy zu mir. Ramona klingt, als wäre ich Achtzig und sammle leidenschaftlich fette Katzen."

"Wenn du immer so drauf bist wie jetzt, dann wird deine Zukunft haargenau so aussehen.", murmele ich laut genug, damit sie es verstehen kann.

Meiner Erfahrung nach, habe ich eigentlich fest mit einer schnippischen Bemerkung gerechnet, stattdessen scheint ihr meine Aussage allerdings vollkommen am Arsch vorbei zu gehen. "Kann dir egal sein. In spätestens zwei Monaten bist du mich wieder los."

"Zwei Monate? Meine Eltern haben echt einen an der Klatsche."

*

Der Weg nach Hause ist eigentlich gar nicht lang. Zehn Minuten, wenn es hochkommt. Heute aber scheint sich der Weg auf magische Weise verdreifacht zu haben. Ich bin jedenfalls froh, endlich vor meiner Haustür zu stehen.

Auf der Suche nach meinem Hausschlüssel greife ich ihn meine Hosentasche. Doch die ist, bis auf ein paar Pennys und Fusseln, leer.

"Es gibt da ein winziges Problem." Romy scheint bereits erkannt zu haben worum es ging. Sie seufzt und schaut mich ernst an. Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, sie würde mir am liebsten eine reinhauen.

"Du hast nicht wirklich deinen Schlüssel vergessen oder?"

"Ist halb so schlimm.",erwidere ich und mache mich nun am Minicomputer neben der Haustür zu schaffen "Unser Haus ist mit so einem High-Tech Computer-System vernetzt. Ich benutze es eigentlich nur, um der Mikrowelle zu sagen, wann sie meine Pizza aufwärmen soll, aber laut meinen Eltern sollte man damit auch die Tür aufbekommen.", erkläre ich während ich mich nebenbei versuche daran zu erinnern, wie man das Teil eigentlich bedient. "Wir brauchen nur meine wundervolle Stimme in Verbindung mit dem richtigen Passwort, und schon stehen uns alle Türen offen."

Früher, als ich noch nicht lesen konnte, hatten Mom und Dad ein Teil angeschafft, das auch reden konnte.

So was Ähnliches wie Siri. Nur noch gruseliger. Klein-Jackson hat das nämlich mehr verstört, als das es ihm geholfen hätte. Ich geb dem Teil übrigens immer noch die Schuld an den dämlichen Sprachstörungen, auch wenn mein Psychologe anderer Meinung war. Der war allerdings selber nicht ganz richtig in der Birne.

Ich finde es ja logisch, dass man als Fünfjähriger einen Knacks bekommt, wenn der Kühlschrank einem sagt, dass er dir dem Zugang verweigert.

Während ich mich an meinen alten Freund, unseren Kühlschrank, zurückerinnere, hat Romy sich derweil hinter mich platziert und begutachtet neugierig das High-End Technik Gerät. Ich hoffe stark, dass sie eben so wenig Ahnung von dem Teil hat wie ich, denn momentan tippe ich ziemlich wahllos auf dem Bildschirm herum, immer noch auf der Suche nach einer Passwort Eingabe.

Immerhin einen kleinen Erfolg habe ich mittlerweile erzielt. Ich habe die Identifizierung gefunden.

Wer sind sie?

"Jackson?", frage ich etwas unentschlossen. Es ist ein ziemlich dämliches Gefühl mit einem Computer zu reden, während jemand neben dir steht. Noch toller, dass das Teil nach fünf Versuchen meine Stimme immer noch nicht erkennt, dadurch der 'Sesam öffne dich'-Effekt dahin ist und ich doch auf die altmodische Tastatur Methode umsteigen muss.

Passwort bitte.

Und da wäre auch schon das nächste Problem. Wie ich schon erwähnt hatte, ich habe die Anlage noch nie zuvor benutzt. Ich hatte mir zwar vor sechs Jahren, als sie installiert wurde, ein Passwort zurechtgelegt, ich habe es jedoch nie für nötig gehalten es mir zu merken.

"Du kennst dein Passwort nicht, oder?" Bin ich wirklich so durchschaubar? Ich sollte mich echt mal mit meinem Pokerface auseinandersetzten.

"Doch natürlich. Ich brauche nur einen winzigen Hinweis, um es aus meinem Langzeitgedächtnis herauszubekommen." Genau in diesem Moment taucht auf dem Bildschirm ein Fenster auf, das mir einen Hinweis auf das gesuchte Passwort anbieten will. Gruselig.

"Etwas, das sie sehr hassen.", liest Romy vor und sieht mich erwartungsvoll an.

"Puh, keine Ahnung. Gemüseauflauf, Mathe, Jeffs und Maggies Mom, Puzzle, Kosenamen, komplizierte BH-Verschlüsse?", zähle ich alles auf, was mir spontan zum Thema Hass einfällt. Jedoch bin ich mir sicher, dass keines davon wirklich das Passwort ist. So viel Komplexität traue ich meinem Zwölfjährigem Selbst definitiv nicht zu. Bevor ich jetzt noch Stunden damit verbringe sämtliche Gerichte mit Rosenkohl und alle Leute, die ich nicht leiden kann, aufzuzählen, greife ich dann doch lieber zu anderen Mitteln. "Ich ruf meine Mom an."

*

Fragt bitte nicht wieso, ich weiß es sowieso nicht mehr, aber mein Passwort ist Passwörter. Was sich klein Jacks wohl dabei gedacht hat? Wahrscheinlich gar nichts, diese hohle Nuss.

Mein Zwölfjähriges Ich war sowieso ziemlich seltsam gewesen. Ich war der festen Überzeugung ich könnte zaubern, hatte mir "ausersehen" eine fast-Glatze verpasst und wollte Skateprofi werden.

Mom hat übrigens aufgelegt, bevor ich sie auf Romy ansprechen konnte. War wahrscheinlich Absicht, aber sie behauptete, sie wäre wohl gerade bei einer Dienstbesprechung.

"Und was ist jetzt dein Passwort?",fragt Romy, dieses klingt sie sogar ein wenig hoffnungsvoll und nicht ganz so genervt.

"Nicht so wichtig."

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