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Jackson

Romy ist furchtbar. Ich kann nicht mal genau sagen warum, wahrscheinlich liegt es an diesen nevigen beiläufigen Bemerkungen oder an der Tatsache, dass sie immer das letzte Wort haben muss. Aber das aller Schlimmste ist, man kann sich nicht mal revanchieren. Das Mädchen lässt sich nämlich nicht provozieren. Kein Bisschen. Egal was ich probiert habe; dumme Bemerkungen über ihre Figur, ihre Frisur oder ihren Kleidungsstil. Und dumme Bemerkungen sind eigentlich immer sehr gute Mittel um Frauen zu provozieren.

Aber nach knapp fünf Tagen mit persönlichem Bodyguard kann ich mit Recht sagen, dass das zwei seeehr lange Monate sein werden.

Das Einzige, was noch fürchterlicher ist als Romy, ist die Schule. Denn trotz der Tatsache, dass mittlerweile Freitag ist, sind wir zum dritten Mal in dieser Woche viel zu spät dran. Ist zwar meine Schuld, da bis jetzt immer ich derjenige gewesen bin, der bis zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn noch im Bett gelegen hatte, aber wenn meine Eltern davon mitbekommen sollten, schieb ich es einfach auf Romy. Wobei Mom und Dad eh immer Ewigkeiten bevor ich in Idealfall aufwachen sollte das Haus verlassen. Solche Geschichten wie zu spät kommen, werden immer nur einmal im Jahr zum Problem. Danke an den Typen, der den Elternsprechtag erfunden hat.

Immerhin sind wir bei weitem nicht die Einzigen, die nicht ganz pünktlich sind. Den Corridoren kann man jedenfalls nicht ansehen, dass jeden Moment der Unterricht anfängt.

Im zügigen Tempo sind wir auf dem Weg in den Naturwissenschaftsbereich, als Romy aus unerfindlichen Gründen stehen bleibt. Ich will einfach weiter gehen, ist schließlich nicht mein Problem wenn sie ihr Aussehen überprüfen muss, oder was auch immer sie dazu veranlasst einfach stehen zu bleiben. Sie ist da allerdings anderer Meinung. "Warte mal."

Gezwungener Maßen drehe ich mich um. "Was?", frage ich dementsprechend genervt. Wir haben nicht mal mehr eine Minute, bis der Unterricht anfängt und ich echt hab schon genug Nachsitztstunden gesammelt, die ich nie abarbeiten werde. Außerdem verteilt Mr. Bio-Brown echt gerne Extrastunden, der Sack kann mich überhaupt nicht leiden.

Wenn man genauer drüber nachdenkt mag mich eigentlich kein Lehrer. Aber ich kann es schon verstehen. Wäre ich Lehrer, würde ich mich auch nicht mögen.

"Wer ist das da bei Maggie?", fragt Romy, unbeeindruckt von meinem offensichtlichen Desinteresse, mit einem misstrauischen Unterton. Sie deutet mit dem Kopf auf den Gang vor uns und obwohl ich nicht verstehe, was auf einmal ihr Problem ist, drehe ich mich um um nachzusehen.

Ein paar Schüler, die genau wie ich ihren Wecker heute Morgen erfolgreich ignoriert haben und nun teilweise einen Sprint hinlegen oder eben sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Zehn Meter weiter entdecke ich dann doch relativ schnell Maggies auffälligen blauen Kopf. Sie steht mit irgendeinem Typen an der Reihe von Spinden und scheint sich ein mit ihm zu zoffen. Ist jetzt nichts sonderlich Außergewöhnliches, das man sich hin wieder mal mit jemandem diskutiert.

"Derek. Ein Ex-Freund von ihr, glaube ich.", antworte ich ihr seufzend. Derek hätte mir in der siebten Mal fast die Nase gebrochen. Zu Schutz aller verschweige ich lieber den lächerlichen Grund dafür. Ich komm bei der Geschichte nämlich auch nicht ganz so günstig weg. Als Maggie mit ihm Ende der elften zusammen war, sollte er sich laut ihren Angaben deutlich gebessert haben, was sein Aggressionspotenzial betrifft. Wirklich geglaubt habe ich ihr das nicht, aber da er Maggie keinen körperlichen Schaden hinzugefügt hatte, und wahrscheinlich gar nicht mehr meinen Namen kenn, war mir das ziemlich egal.

Da für mich die Sache nun geklärt ist, möchte ich schon weiter gehen, aber Romy hält mich natürlich zurück.

"Das sieht jetzt nicht gerade nach einem netten Gespräch aus.", bezweifelt sie. Muss sie jetzt gerade ausgerechnet einen auf Fürsorglich machen? Ist ja schön, dass Romy sowas auffällt, aber Maggie ist nun wirklich alt genug um sich selbst um ihre ehemaligen Beziehungen zu kümmern. Außerdem ist das jetzt nichts allzu Besonderes, dass man mit dem Ex keinen allzu netten Smalltalk führt.

"Ach komm schon. Der wird sie jetzt wohl kaum mitten auf dem Schulcorridor zusammenschlagen." Kaum habe ich es ausgesprochen, packt der Typ Maggie tatsächlich an den Schultern und drückt sie unsanft gegen die Spinde, um ihr kurz darauf eine wirklich fies klingende Backpfeife zu verpassen.

Während ich noch verdutzt darein starre, läuft Romy ohne Umschweife auf den Typen zu, schubst dabei zwei Mädchen, die den Gang versperren zur Seite, kümmert sich auch nicht um deren empörte Blicke. Ich ahne was sie vorhat und versuche hinterher zu stürmen um Schlimmeres zu verhindern. Dank meiner verspäteten Reaktion kann ich jedoch nur noch zusehen, wie sie Derek mit großer Wucht von Maggie zehrt, und ihm in derselben Bewegung zu Boden wirft.

Ich bin viel zu überfordert mit der Situation, als das ich auf die Idee kommen würde einzugreifen, mal ganz davon abgesehen wäre der Erfolg einer Entschärfungsaktion ziemlich fraglich,  also erkundige ich mich erstmal bei Maggie, ob sie okay ist. Die ist aber so geschockt, dass sie nicht mehr als ein wenig überzeugendes Nicken zu Stande bringt.

Währenddessen bildet sich um uns ein Kreis von Schülern, die ebenfalls nichts tun als den am Boden liegenden Derek samt Romy, die ihn an den Schultern am Boden hält, blöd anzugaffen. Fehlt nur noch, dass sie ihre Smartphones zücken und Fotos machen.

Und überhaupt, wo sind eigentlich Lehrer, wenn man sie ausnahmsweise mal braucht?

"Romy lass gut sein.", versuche ich mit guten Worten sie zu beruhigen. Romy ignoriert meine Worte jedoch und drückt Derek ein weiteres Mal zu Boden, als dieser den Versuch wagt aufzustehen.

"Lass ihn.", startet Maggie einen zweiten Versuch die Situation zu entschärfen. Anscheinend bewirken Maggie Worte mehr als meine, denn Romy entfernt sich tatsächlich ein Schritt von dem verängstigten Derek. Maggie und ich nutzen die Gelegenheit und ziehen Romy langsam aber bestimmt weiter von dem verängstigten Derek weg.

"Wenn du sowas nochmal tust, haben wir ein Date." Derek guckt Romy weiter perplex an, wahrscheinlich traut er sich nicht abzuhauen. Erst als Romy ihm mit einem "Jetzt Hau schon ab." deutlich macht das er jetzt besser gehen sollte, springt er plötzlich und ohne Widerworte auf und verschwindet fluchtartig.

Die anderen Schüler sind natürlich enttäuscht, dass es zu keiner heiß erwarteten Schlägerei gekommen ist, sodass sich kurz darauf der Kreis um uns auflöst, und wir drei ganz plötzlich alleine dastehen. 

Irgendwie habe ich das Gefühl, ich wäre derjenige, der etwas sagen sollte. Leider hab ich kein Plan was. Sollte ich Romy jetzt anmotzen, weil sie beinahe jemanden verprügelt hat, oder sie loben, wie sie Maggie beschützt hat?

Am bestens keins von beiden. Sowohl "Was sollte das denn jetzt" als auch "Das war sehr sozial von dir" würde beides klingen als wäre ich ihre Mutter. Oder würde unter Drogen stehen.

Unentschlossen was ich jetzt tun oder lassen sollte blicke ich zwischen Maggie und Romy hin und her. Zweitere fasst das natürlich wieder total falsch auf. "Jetzt guck nicht so blöd", zischt sie mich an und hebt ihre Tasche, die ihr bei ihrer wenig überlegten Rettungsaktion von den Schultern gerutscht ist,   vom Boden auf.

"Danke, Romy.", murmelt Maggie, traut sich dabei aber nicht Romy wirklich anzusehen.

"Nichts zu danken. Dafür bin ich doch hier." Zu Maggie ist sie natürlich mitfühlend. Unglaublicher wie schnell sie ihren Ton ändert.

"Tut mir leid, dass du wegen mir jetzt wahrscheinlich den Ruf der Schlägerbraut unterliegen wirst." Maggie lächelt aufmunternd, und obwohl es nur als stimmungsaufhellendes Witzchen gedacht war, hat Maggie wahrscheinlich Recht. In Zukunft wird sich Romy wohl zu dem Club der pseudo taffen Mädels zählen können. Auch wenn sie dafür eigentlich mindestens 20 Zentimeter zu klein ist und ein viel zu unschuldiges Erscheinungsbild hat. Zu mindestens wenn man an Clash Clarissa und Riot Raphaela denkt, die sonst als Vorzeigegesichter dieses wenig beliebten Club dienen. Den Beiden möchte echt keiner zu nahe kommen. Wirklich nicht.

"So ein Ruf nach nur fünf Tagen an dieser Schule ist auch eine beachtliche Leistung.", kommentiere ich und bin mir nicht mal sicher, ob es der Aufmunterung oder einfach nur als abfällige Bemerkung dienen soll.

Jedenfalls scheint Romy das ziemlich egal zu sein, sie zuckt nur unbeeindruckt mit den Schultern. Versteht man vielleicht jetzt, was ich mit dem unprovozierbar meine?

Mit einem Lächeln, das genau das widerspiegelt sagt sie direkt an mich gerichtet: "Dann wirst du dich doch sicherlich freuen, dass du mit der neuen Schlägerbraut das komplette restliche Schuljahr verbringen kannst."

Achja. Soviel dazu.

GuardianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt