May

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Ich kann ganz deutlich erkennen, dass der Nosferatu nicht sonderlich erfreut ist, aber ich selbst freue mich, ihn getroffen zu haben.

Ich fühle mich sehr allein.
Und das bin ich nicht gewohnt.

Für gewöhnlich tanzen immer meine Diener um mich herum, sorgen sich um mich, lassen mir keine freie Minute und wenn nicht gerade die, dann meine Eltern und Großeltern.

Und natürlich habe ich es, wie jede anständige Bilderbuchprinzessin, gehasst und mir Freiheit gewünscht.
Und nun habe ich sie.
Ich bin allein auf einer Insel, nur meinen Leibwächter und Lehrer bei mir und ein Kater, der eh jede Sekunde abhaut.

Und Robbie kann hier eh nichts anderes für mich tun, als mich zu unterhalten.

Also warum sollte ich mich nicht darüber freuen, dass ich jemanden gefunden habe, der, um es in seine Worte zu fassen: keinen Bock darauf hat mich zu töten, weil er dafür mit meinem Vater in einen Kleinkrieg geraten würde.

Außerdem könnte ich ihm die Sache noch schönreden.

"Wenn du mir von dieser Insel runterhilfst, werden mein Vater und meine Großeltern dich reich belohnen", versuche ich ihm zu ködern.

"Das weiß ich selbst", giftet er zurück.

Robbie muss ihm wirklich die Laune verdorben haben.

'Als ob der jemals gute Laune hätte, Prinzessin, für mich sieht der aus wie ein Dauertrauerkloß', unterbricht Robbie meine Gedanken

"Robin!", Rufe ich laut.

Der Vampir vor mir schnaubt.
Es war von Anfang an klar, dass er Gedanken lesen kann und somit meine und Robbies Auseinandersetzungen stets mitverfolgt.
Egal, ob freiwillig, oder unfreiwillig. Ich könnte im Boden versinken, falls mein alter Lehrmeister wieder eine seiner dummen Phasen hat.

Wenn er den Vampir vergrault, spreche ich kein Wort mehr mit ihm!

"Das wird wohl sehr schwierig, wenn er in deinem Kopf steckt und deine Gedanken hören kann", wirft der Vampir ein.

Ich seufze und wechsle das Thema.
Ich rede nicht gerne über die Fee in meinem Kopf.

"Wie heißt du eigentlich?"
.
"Aleron", kommt die Muffelige Antwort und ich könnte schwören, dass er in diesem Moment wie der lang verschollene Zwillingsbruder meines Vaters wirkt.

"Ich werde das einfach mal als Kompliment nehmen, okay?", grinst Aleron.

Am liebsten würde ich ihm eine klatschen, aber ich muss nett zu ihm sein, damit er mir hilft.

"Wir sollten erst einmal herausfinden, wo wir sind, wieso und wie wir hier wegkommen", wechsle ich das Thema.

Aleron schnaubt und Robbie meldet sich wieder zu Wort: 'Wenn der da bei 'wir' miteingeschlossen ist, streike ich!'

Überlegen sieht Aleron zu mir auf, obwohl wir alle wissen, dass er durch mich hindurch zu dem Geist von Robin Goodfellow, dem Diener Oberons und meinem besten Freund und Beschützer, sieht.

"Kannst du leider nicht, weil du hier nichts zu entscheiden hast", giftet er ihn an und wendet sich zum Gehen.

"He, wo willst du hin?!", rufe ich ihm hinterher und folge ihm.

"Bloß weg von dir und diesem Irren in deinem Schädel. Da kann Lucifer mich noch so reich belohnen, den Kerl tu ich mir dafür nicht an".
'Uhhhh, hat der große, böse Vampir etwa Angst vor Kritik?", flötet Robbie weiter.
Er beweist mal wieder wie viel Feingefühl er hat, und stimmt ein kleines Spottlied an.
Sofort wirbelt Aleron zu mir herum und stiert mich wutentbrannt an.
Ich hebe erschrocken die Arme, um mein Gesicht zu schützen, als ich eine weitere Stimme vernehme: "Spar dir deine Energie, Blutsauger, ich habe etwas herausgefunden, dass uns alle interessieren dürfte", ruft Grim von dem Ast herunter, auf dem er liegt.

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