Prolog - Whenua

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Meril, Manu, Whenua, 3.5.5062

Marisa Martin rannte so schnell sie konnte auf das kleine Kinderbett ihrer Tochter zu. Sie riss das kleine Mädchen hektisch hoch und dieses erwachte dadurch aus ihrem tiefen, wohligen, warmen Traum. Das Mädchen fing an zu weinen.

"Schsch. Alles wird gut", versuchte ihre Mutter sie zu beruhigen. Doch das Mädchen erahnte die nahende Gefahr und schluchzte weiter.

Marisa wusste, dass es in zehn Kilometer Umkreis nur einen sicheren Ort gab. Den Hochsicherheitsbunker der Armee. Dort musste sie hin. Das Kind musste in Sicherheit gebracht werden.

Sie wickelte ihre Tochter in eine Decke und zog sie an sich, dann stürmte sie die Treppen ihres kleinen Hauses nach unten. Sie lief schnell hinaus auf die Straße und sprintete dort gegen den Sturm an, der stetig stärker wurde. Der Bunker war nicht weit von ihrem Haus. Das war ihr Glück, sonst hätte sie es niemals bis dahin geschafft.

Im Laufen redete sie immer wieder auf ihre Tochter ein, die ihr warmes Körperchen dicht an sie heran drückte. Sie hatte sich zu einer winzigen Kugel zusammengerollt und doch war ihr eisig kalt. Ihrer Mutter ging es ähnlich, doch diese konnte sich nicht einfach zusammen rollen, sie musste weiter. Sie musste die Sicherheit für ihr Kind gewähren. Das ließ sie weiterlaufen. Sie durfte nicht stehen bleiben, denn dann wäre alles vorbei.

"Sir, sie kommt immer näher!", rief Damien Lucas erschrocken durch die zerreißende Stille des Bunkers.

"Beruhigen Sie sich, wir sind in Sicherheit", meinte der Vorgesetzte nur genervt. Er machte sich keinesfalls Sorgen um irgendetwas. Tsunamis kamen immer vor. Whenua war nun mal zu 85 % mit Wasser bedeckt. Hier waren Karastrophen an der Tagesordnung. Zwar waren sie sonst nicht so überraschend, aber Hauptsache, er war in Sicherheit.

"Aber was ist mit den Menschen?", warf der junge Unteroffizier ein. Manu war das am dichtbesiedelte Gebiet des gesamten Planetens und nun würde es fast vollständig überschwemmt werden, nur der hohe Berg in der Mitte des Kontinents würde unversehrt bleiben. So viele Menschenleben würden verloren gehen, Männer, Frauen und Kinder.

Er verstand die Kälte des Offiziers keineswegs. Wäre er an seiner Stelle, hätte er versucht, so viele Kinder wie möglich in den Bunker zu kriegen. Doch es befanden sich nur zwei Leute hier, er und sein Vorgesetzter. Er fühlte sich schrecklich.

"Halten Sie ihren Mund, Lucas. Das ist uninteressant. Wir sind sowieso überbevölkert. Reißen Sie sich zusammen, Sie sind Soldat!", fuhr er ihn an.

Wieder richtete Damien den Blick auf die Bildschirme der Außenkameras. Dort war eine Frau. Auf ihrem Arm ein kleines Kind mit kurzen, hellen, grünen Haaren. Sie rannte genau auf die Luke des Bunkers zu. Direkt zu ihnen.

In ihrem Gesicht erkannte er Reste von Tränen, doch nun war sie ernst und gefasst.

Es hämmerte gegen die Tür. Ein Wunder, dass man es hörte.

Sein Chef reagierte nicht.

Die Frau sah sich panisch um. Das Kind auf ihrem Arm weinte. Sie erblickte die verborgene Kamera.

"Lassen Sie sie rein, bitte. Sie ist doch noch so klein. Sie hat das nicht verdient. Retten Sie sie. Sie werden es nicht bereuen. Versprochen. Sie ist mächtig. Bitte!", flehte sie der Kamera entgegen. Ihre Augen waren vor Verzweiflung und Sorge um ihr eigenes Kind geweitet. Damien konnte sich vorstellen, wie hübsch ihr Gesicht ohne die Sorge sein musste. Wunderschön.

Er sagte ernst:"Wir lassen sie rein."

"Nein, sonst kommen noch mehr und wir haben kaum Vorräte", erwiderte der Leutnant und biss genüsslich von seinem Schokoriegel ab.

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