Chapter 35

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Ich beiße die Zähne zusammen, hole tief Luft, springe über die Sofalehne, mache noch zwei weitere Schritte und stoße mit dem Mann zusammen. Polternd gehen wir zu Boden. Ich habe nie im Leben gedacht, dass er schon so nah war, hoffentlich hat er Mate nicht gesehen.

Doch bevor ich mir weiter Gedanken machen kann, schlingen sich ziemlich starke Arme um mich und halten mich fest, als ich wieder aufspringen will.

Mit einem unterdrückten Fluchen fange ich an zu strampeln, hebe den Kopf und sehe Nico direkt in die Augen.

Er sieht genauso überrascht aus, wie ich.

„Nico?“, frage ich entgeistert und falle ihm dann um den Hals.

Er lacht. „Wusste ich es doch, dass ich etwas gehört habe.“

„Du hast es geschafft ihnen zu entkommen“, sage ich erleichtert.

„Klar doch“, grinst er und ich rappel mich auf.

Plötzlich werden seine Augen groß und er sieht mich entsetzt an.

„Liz, alles ok?“ Behutsam weicht er zurück.

„Was denn?“, frage ich verdattert.

„Du blutest.“

Erschrocken sehe ich an meinem Kleid hinab und entdecke tatsächlich zwei große dunkle Blutflecken.

„Tut mir leid, die sind von mir“, höre ich Mates schwache Stimme hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe ihn, über der Lehne hängend.

„Mate!“ Nico springt auf und knufft ihn. „Ich bin wirklich froh, dich zu sehen. Wie hast du es geschafft abzuhauen?“

Er hilft Mate sich wieder hinzusetzen und ich kletter auch wieder über das Sofa zurück in unser Versteck.

Wir sitzen zu dritt, dicht an dicht hinter dem einen Sofa und ich fühle mich so glücklich wie schon lange nicht mehr.

„Ich hatte Glück“, erzählt Mate. „Ich habe Moralez gehört, dass er eine Gesamtkonferenz einberufen hat und als alle in dem einen Raum hockten, bin ich abgehauen. Sonst wäre ich wohl auch nicht weit gekommen.“

Nico schüttelt lächelnd den Kopf.

„Wie hast du uns eigentlich gefunden?“, will ich wissen und ziehe meine Beine an um Mate etwas mehr platz zu machen.

„Ich habe ein bisschen Blut hier und da gefunden und die Spur hat mich hier hergeführt“, meint der und wirft Mate einen besorgten Blick zu.

„Sorry“, seufzt der.

„Macht doch nichts, wir sollten nur verschwinden, bevor jemand anderes die Spur auch noch findet. Wir sind komplett, lass uns endlich abhauen.“ Nico steht auf.

Ich will ihm gerade folgen, als mir Finja einfällt. Wir können sie doch nicht einfach zurücklassen!

„Wir müssen noch Finja retten“, sage ich und sehe zu Nico hoch.

„Wer … das Mädchen, mit dem du verkauft wurdest?“, fragt Mate.

Das Bild von Frau Kingston taucht in meinem Kopf auf und ich verdränge es schnell.

„Ja“, sage ich leise. „Bitte.“

Nico seufzt und setzt sich wieder hin. „Ok. Weißt du, wo sie eingesperrt ist?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke in ihrem Zimmer.“

Mate lächelt mich an. „Wir schaffen das schon.“

„Du bleibst schön hier“, widerspricht Nico.

Mate grinst und schüttelt den Kopf. „Vergiss es. Noch mehr Tür auf, jemand rein, und ich drehe durch.“

Doch Nico sieht besorgt aus.

„Sicher das du das schaffst. Wenn sie uns entdecken …“

„Dann renne ich eben“, antwortet Mate. „Schon ok, ich schaff das.“

Nico seufzt. „Von mir aus. Los geht’s!“

Wir helfen Mate beim Aufstehen und machen uns dann zu dritt auf den Weg zur Tür.

Vorsichtig schaue ich nach draußen, und zum Glück ist niemand zu sehen. Ich winke den beiden zu, dass sie mir folgen sollen, und schleiche auf den Gang.

Nico und Mate folgen mir, Mate schließt die Tür.

Ich brauche eine Sekunde um mich zu orientieren, dann laufe ich los. Die Gänge scheinen wie ausgestorben, was mich erst wundert und dann ein immer unangenehmeres Gefühl hervorruft.

Nico sieht sich dauernd nach hinten um und ich fühle mich immer unwohler.

Mate ist direkt neben mir, als wir an dem großen Speisesaal vorbei und die Treppe hochgehen. Niemand ist zu sehen und auch der Gang, wo Finja und mein Zimmer liegen, ist menschenleer.

Ist doch gut, versuche ich mir einzureden, doch es funktioniert nicht richtig.

„Das ist es“, flüster ich und deute auf die Zimmertür.

„Du solltest zuerst, dich kennt sie“, sagt Mate leise und schiebt mich ein Stück nach vorne.

Ich überlege einen Moment, ob ich klopfen soll, doch dann öffne ich einfach die Tür und mache einen Schritt hinein.

Finja sitzt auf ihrem Bett und hebt den Kopf. Neben ihr auf dem Bett liegt eine Krücke und ihre Schulter ist verbunden.

„Finja!“ Begeistert laufe ich auf sie zu und umarme sie vorsichtig.

„Liz, was“, fängt sie an, doch ich unterbreche sie.

„Mate und Nico sind da. Wir holen dich hier raus!“ Ich gehe ein Stück zurück und bemerke ihren bekümmerten Gesichtsausdruck.

„Was ist?“

„Es tut mir so leid.“ Ich sehe, wie sie mit den Tränen kämpfen muss.

„Was ist los?“ Nico schiebt sich in das Zimmer, Mate folgt ihm.

Finja hebt den Kopf. Sie sieht so schuldbewusst aus.

„Finja, was ist passiert?“, frage ich leise.

Sie lässt den Kopf hängen.

Mate kniet sich vor sie. „Alles ok?“

„Es tut mir so leid“, wiederholt sie.

„Was, Finja, was ist los?“ Ich sehe Mate ratlos an.

„Sie haben auf euch gewartet“, flüstert sie und wischt sich schnell über die Augen.

Plötzlich ist ein kaltes Lachen zu hören und Nico, Mate und ich wirbeln herum, nur Finja wirkt noch geknickter.

„Hatte ich also recht.“ Herr Moralez kommt mit einem triumphierend Gesichtsausdruck herein. Hinter ihm steht eine ganze Armee aus Angestellten.

Mein Blick verfinstert sich und ich weiche neben Finja zurück.

„Der perfekte Köder. Ich wusste, dass du nicht ohne sie gehen würdest“, breitet er mir hämisch aus und sieht mich dabei an.

Mate richtet sich zu seiner vollen Größe auf.

„Lassen Sie uns gefälligst in Ruhe! Das ist illegal!“

„Na und!“, schnauzt Moralez ihn an. „Aber ich muss sagen. Elizabeth, auf dich ist echt Verlass.“

Ich spüre wie meine Kniee weich werden und mir übel wird. Das ist alles meine Schuld. Wenn wir einfach verschwunden wären, dann hätten wir es bestimmt geschafft. Andererseits hätte ich es nicht ertragen zu wissen, dass wir Finja hier gelassen hätten. Aber jetzt?

Ich spüre, wie Mate mich schützend in den Arm nimmt.

„Es ist nicht deine Schuld“, sagt Nico in dem Moment, in dem ich denke, dass es genau so ist.

Geheimagenten verkauft man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt