Chapter 39

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„Elizabeth! Aufstehen!“

Unsanft werde ich geschüttelt und öffne die Augen. Vor mir steht Herr Moralez, der unfreundlich auf mich herab sieht. Mein Kopf fühlt sich angenehm leer an.

„Die Herren können jeden Moment ankommen, also schwing endlich die Hufe!“

Hastig rappel ich mich auf und alles fällt mir wieder ein. Wie eine zentnerschwere Betonlast bricht sie über mir zusammen und gibt mir alle Erinnerungen wieder.

Das Abendessen, Nico. Mate und Finja, beide verletzt und wahrscheinlich in irgendeiner dunklen Kammer eingeschlossen.

„Was ziehst du denn so ein Gesicht. Man könnte fast meinen, jemand sei gestorben“, brummt Herr Moralez nicht sehr taktvoll und ich kämpfe mit Mühe und Not die Tränen zurück.

Wortlos stapfe ich an ihm vorbei, durch mein Zimmer, das mich durch all seine weichen Kissen und schönen Formen geradezu zu verspotten scheint.

Herr Moralez ist dicht hinter mir auf dem Weg in die Eingangshalle.

„So. Hier wartest du. Sobald es klopft, öffnest du, verstanden? Wir können uns keinen Patzer erlauben, vor allem heute Abend nicht!“ Er sieht mich streng an, dann dreht er sich um und rauscht Richtung Speisesaal.

Ich sehe ihm hinter her. Herr Moralez hat sich wirklich herausgeputzt: ein ordentlich gebügeltes Jackett, ein weißes Hemd, dazu eine rote Fliege. Seine Schuhe glänzen und ich höre ihr Klackern selbst, als Herr Moralez schon nicht mehr zu sehen ist.

Ich bleibe unruhig zurück, die Arme schützend um den Körper gewickelt. Hier ist es im Vergleich zu draußen unangenehm kühl und eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus.

Mein Blick schweift über die Einrichtung und bleibt an einem kleinen Stuhl hängen, auf den ich mich kurzerhand setze.

Moralez hat gesagt, dass er Funkkontakt mit seinen Leuten hat, die bei Finja sind. Und Mate haben sie auch noch irgendwo, vielleicht sollte ich diesmal wirklich tun, was er sagt. Diesmal habe ich wirklich verloren.

Mit ausdruckslosem Gesicht wickel ich mir eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Um nicht gleich wieder in düstere Gedanken auszubrechen, betrachte ich die Tapete, bis ich merke, dass mein Finger an der Spitze eine leicht bläuliche Färbung annimmt.

„Ups“, murmel ich und mache schnell die Haarsträhne ab, als es plötzlich laut und vernehmlich klopft.

Etwas nervös springe ich auf.

Am liebsten würde ich einfach verschwinden, so tun, als habe ich das Klopfen nicht gehört und mich solange verstecken, bis die ganzen unheimlichen Typen wieder weg sind. Doch das ist nicht drin.

Vorsichtig gehe ich zu der Tür und greife nach der Klinke.

Na toll, jetzt muss ich auch noch dieses Monstrum von Tür öffnen!, denke ich, doch da ist schon ein Mann in einem schwarzen Anzug zur Stelle, der mit einem Ruck die Tür aufzieht.

Überrascht sehe ich ihn an, leicht sauer auf mich, dass ich ihn nicht schon früher bemerkt habe. Dann wende ich meine Aufmerksamkeit lieber schnell auf unseren Besuch.

Es sind genau die, bei denen wir eingeladen waren. Zwölf wirklich finster aussehende Gestalten, allesamt in schwarzen langen Mänteln und manche mit Hüten.

„Ähm, kommen Sie doch herein“, stammel ich, nachdem wir uns sekundenlang nur angestarrt haben.

„Guten Abend.“ Die Ersten schieben sich in die Eingangshalle und sehen sich nickend um, wie Leute, die nach einer Ewigkeit wieder nach Hause gekommen sind.

Geheimagenten verkauft man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt