Chapter 16

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„Ich wollte einfach noch einmal aussprechen, wie wunderbar es hier mit uns werden wird. Wir werden zusammen essen, etwas unternehmen, uns unterhalten. Ihr werdet in weichen Himmelbetten schlafen“, erzählt er, doch irgendwie kann ich mich nicht richtig entspannen. Auch Finja sieht eher misstrauisch aus und rümpft die Nase.

„Kommen Sie zum Punkt!“, verlangt sie dann und Herr Moralez Blick schießt zu ihr herüber.

„Zum Punkt? Gerne.“ Auf einmal sind seine Augen eiskalt und ich weiche einen Schritt zurück.

„Alles was ich euch gerade erzählt habe, können wir gerne haben. Darüber hinaus mache ich euch ein überaus großzügiges Angebot.“ Er lässt die Worte im Raum verklingen.

Ich beiße die Zähne zusammen.

„Ein Jahr. Wenn ihr beide mich beschützt, und mir dementsprechend nichts passiert ist bringe ich euch zurück nach Deutschland.“

Ich starre ihn an. Ein Jahr? Mein Magen dreht sich um.

„Sind Sie … ein Jahr?“ Meine Knie drohen wieder nachzugeben. Ein Jahr ohne Nico. Ohne Mate. Keine Cassy, mit der ich Karten spielen kann.

„Ein wirklich großzügiges Angebot“, wiederholt Herr Moralez. „Ansonsten kommst du gar nicht mehr zurück.“ Sein Blick ist durchdringend.

In dem Moment tritt Finja ein Stück nach vorne.

„Und welches Angebot machen Sie mir?“

Herr Moralez sieht sie überrascht an. „Das Gleiche wie Elizabeth.“

Ich verziehe das Gesicht, doch sehe Finja weiterhin an.

„Was bringt es mir, wenn ich wieder in Deutschland bin. Wo soll ich hin?“ Ihre Stimme ist kühl und ich bewundere sie, dass sie sich nichts anmerken lässt.

„Da habe ich mir auch schon etwas überlegt“, sagt er feierlich und lächelt wieder so komisch. „Da du sicher nicht zurück ins Heim möchtest würde ich dich bei mir aufnehmen. Du könntest in die Schule gehen und meine Tochter wer… bleiben.“

Finjas Augen fangen an zu strahlen, dann werden sie düster.

„Und Sie werden mich nicht zwingen, weiterhin in so Sachen rumzulaufen und sie vor irgendwelchen anderen Leuten zu beschützen?“, fragt sie.

„Über die Details reden wir wenn es soweit ist, aber insgesamt wirst du ein Sorgenfreies Leben führen.“

Ich sehe sie an, als sie in meine Richtung sieht. Finja sieht unsicher aus.
„Bereden wir noch mal später“, murmelt sie und senkt den Kopf.

„Das haben wir geklärt.“ Er nickt zufrieden. „Und jetzt gib bitte die Sachen her, die du dir heimlich eingesteckt hast.“ Sei Blick ruht auf Finja, die überrascht und trotzig einen Schritt zurück weicht.

„Ich habe nichts eingesteckt!“

„Mädchen, ich habe dich gesehen. Her damit.“

Knurrend greift Finja in ihren Ärmel und zieht zwei silber Dolche, ein Seidentuch, was irgendwie eigentümlich aussieht und eine kleine Dose heraus, die sie Herr Moralez gibt. Ich sehe gerade noch, wie sie schnell einen winzige goldene Uhr hastig zurück in den Ärmel schiebt, bevor sie rausfällt. Und das Medaillon hat sie ihm auch nicht gegeben. Ich verkneife mir ein Lächeln, bevor Herr Moralez etwas bemerkt.

„Gut, dann noch etwas. Ihr wurdet zwar als sehr gut bezeichnet, aber Frau Kingston übertreibt da bisweilen etwas … zumindestens war das bei dem letzten Fall so“, fährt Herr Moralez fort, legt die ganzen Sachen auf seinen Schreibtisch und ich zucke ein Stück zurück. Der letze Fall? Hatte es denn etwa schon ein armes Kind vor uns gegeben.

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht zum ersten Mal verlose Kinder verschleppen?“, fragt Finja und spießt ihn mit ihrem Blick förmlich auf.

„Das geht euch nichts an. Jedenfalls werdet ihr trainiert werden. Reflexe und so, ich will schließlich wissen, wo ich stehe, wenn ich euch mein Leben anvertraue.“ Er nickt.

„Was ist eigentlich, keine Ahnung wieso, aber wenn Sie irgendwie, ausversehen … nicht mehr … sagen wir mal, am Leben sind?“, will ich wissen und sofort sieht er mich an. Sein Lächeln ist schwärzer als die Nacht.

„Dann habt ihr ein gewaltiges Problem, weil ihr nie wieder zurück kommt, und jetzt verschwindet!“ Plötzlich ist er sehr unfreundlich und wütend.

Hastig gehen Finja und ich zur Tür.

Ich stoße die große Holztür auf und höre sofort ein dumpfes Geräusch. Überrascht luge ich hinter die Tür und sehe Jen, der auf dem Boden sitzt und sich den Kopf hält.

„Kannst du nicht aufpassen, du dummes Gör?“, herrscht er mich an.

„Selbst schuld, wenn du lauscht“, gebe ich schulterzuckend zurück und stapfe an ihm vorbei.

„Jen?“, donnert Herr Moralez Stimme und schon steht er neben Finja in der Tür.

„Lass mich doch!“, faucht er seinen Vater an. „Und ich habe keinen Bock, dass die danach bei uns wohnt!“

„Keine Sorge, zu dem Zeitpunkt wirst du ausziehen“, antwortet Herr Moralez und sieht auf ihn hinab.

„Das nennt sich mal Familienkrise“, brumme ich, schnappe mir Finja und verschwinde, bevor mich Herr Moralez oder Jen zurückhalten können.

„Unsere Zukunft sieht ja echt rosig aus“, seufzt Finja, als wir uns unzählige Gänge weiter an eine Wand lehnen.

„Mhmm.“ Ich schließe die Augen und atme tief durch. „Willst du nach dem Jahr wirklich bei ihm bleiben?“

„Hoffentlich nicht, wenn ich bei euch bleiben kann“, höre ich ihre Stimme neben mir.

„Ein ganzes Jahr.“

„Ziemlich lange, was?“

„Ich glaube es ist noch nicht ganz in meinem Kopf angekommen“, murmel ich und reibe mir die Nase.

„Willst du was deswegen unternehmen?“

Ich öffne die Augen und sehe sie an. Nach einer Weile sage ich: „Ich weiß es noch nicht. Wenn wir versuchen abzuhauen verfällt dieses Angebot sehr wahrscheinlich, andererseits kann ich es mir nicht vorstellen ein ganzes Jahr bei diesem Typen zu verbringen.“

„Ja. Ähm … was war eigentlich im Flugzeug? Weswegen er dich geschlagen hat?“

Instinktiv fasse ich an meine Wange, doch es tut nicht mehr weh.

„Seiht man noch was?“, frage ich besorgt. Nicht, dass ich mit einer lilablauen Gesichtshälfte herumlaufe. Zum Glück schüttelt Finja den Kopf.

„Und?“

„Mhm? Ach so. ich habe Nico und Mate angerufen. Mit seinem Handy.“ Ich muss ein wenig lächeln.

Finja sieht ziemlich beeindruckt aus. „Was haben sie gesagt?“, fragt sie hoffnungsvoll.

„Sie … sie wissen, dass wir in Brasilien sind.“ Erst jetzt wird mir richtig klar, was das bedeutet. Sie können uns retten! Wenn sie hier her finden.

Finja strahlt richtig. „Und, kommen sie?“

„Wer kommt?“ Lässig schiebt sich Jen um die Ecke.

Geheimagenten verkauft man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt