Fremder

271 22 6
                                    

Durch einen lauten Schrei wurde ich geweckt. Meine braunen Augen flogen auf und ich starrte direkt in das Gesicht eines frech grinsenden Jungen. Jetzt war ich diejenige, die laut aufschrie und setzte mich dämlicher Weise auf. Sofort stieß ich mit dem Fremden zusammen und hielt mir stöhnend den Kopf.
„Verschwinde sofort aus diesem Zelt, Hund!", zischte Serina, meine Adobtivmutter und Oberhexe im Lager.
Verwirrt von der ganzen Situation starrte ich sie einfach nur an und dann wieder den Jungen. Er hatte schöne, schokobraune Augen und dunkle Haare.
„Hi. Ich bin Tylor.", stellte sich da zu meinem Erstaunen der Fremde vor.
„Saphira, aber hier nennen mich alle einfach nur Saph.", murmelte ich zurück und musterte ihn genauer.
Er war für einen Hexer irgendwie einen Tick zu gut gebaut und wäre er ein Mensch, würde er schon längst nicht mehr atmen. Da meine dumme Neugierde sich mal wieder nicht zurückhalten lässt, fragte ich dann einfach.
„Was bist du?" Serina zog bei meiner dreisten Frage scharf die Luft ein und sah Tylor warnend an.
„Sorry, Süße. Deine liebe Oberhexe will nicht, dass du das weißt, also wirst du dich da gedulden müssen, bis ich allein bin.", erklärte der Typ und ging dann immer noch grinsend aus meinem Zelt. Serina folgte ihm schnell.
So, damit ihr mich nicht für komplett bescheuert haltet, erklär ich euch das ein bisschen.
Ich lebe mit einem dreißig Köpfe großen Zirkel von Hexen und Hexern in einem für Menschen nicht erreichbarem Lager und bin die einzige, die nicht zaubern kann. Serina führt den Zirkel mit drei anderen Hexen und angeblich sind wir die letzten mit übernatürlichen Kräften. Jetzt muss ich nur herausfinden, wer dieser Tylor war.

Als endlich wieder Ruhe im Lager eingekehrt war, schlüpfte ich leise aus meinem Zelt und überlegte dann, wo Tylor sein könnte. Es dauerte aber nicht lange, denn zwei Hexer standen vor einem Zelt, ziemlich am Rand des Lagers, wache. Mit einem honigsüßen Lächeln lief ich auf die beiden zu. Sie waren ungefähr in meinem Alter. „Jason, Sam!", sagte ich und strahlte die beiden an.
„Hey Süße.", grinste Jason.
Seine blauen Augen wanderten gierig über meinen Körper und er fuhr sich nervös durch die hellen Haare. Ich strahlte zurück und war froh, dass ich von gestern Abend vom Training noch meine eng anliegende Ledermontur an hatte.
„Was macht ihr denn hier? Hat euch keiner gesagt, dass Mum alle Hexer in ihr Zelt beordert hat?" fragte ich möglichst verwirrt und die beiden musterten mich nachdenklich.
„Sie meinte, dass sie Erik schickt, wenn etwas ist.", meinte Sam und ich sah auch in seinen grauen Augen die Begierde funkeln.
„Ehrlich? Naja, vielleicht hat sie euch einfach vergessen. Ich geh jetzt ein paar Kräuter sammeln. Bis später.", log ich und sah jetzt, wie die Sonne langsam aufging.
„Ja, bis dann.", murmelten die beiden nachdenklich.
Wie dämlich die doch waren. Bei Sonnenaufgang ist die schlechteste Zeit um Kräuter sammeln zu gehen. Ich lief Richtung Wald, ging dann aber zur Rückseite des Zeltes und schlüpfte geschickt auf die andere Seite. Das war jedoch ein Fehler, denn Tylor stand nur in Boxershorts mitten im Raum und starrte mich alarmiert an.
„Sorry... ähm... ich wollte nicht stören, aber du meintest, ich soll zu dir kommen, wenn du alleine bist.", flüsterte ich mit leicht geröteten Wangen.
Tylor war eindeutig kein Hexer. Er hatte einen beachtlichen Sixpack und ich musste mich sehr bemühen, um einen klaren Kopf zu bewahren. Plötzlich lachte Tylor leise auf.
„Nicht schlimm, aber du kannst gerne auch ein Foto machen. Hält länger.", grinste er spitzbübisch und stellte sich so hin, dass ich ihn besser begaffen konnte.
„Vielleicht wann anders, aber wenn wir reden wollen, sollten wir schleunigst verschwinden. Bald bemerken die Idioten, dass ich sie belogen hab und alarmieren Serina.", erklärte ich und hielt die Plane wieder hoch.
„Ähm... okay, aber du solltest wissen, dass ich eigentlich ein Gefangener bin. Du würdest deine Leute also verraten.", warnte er mich und ich rollte nur mit den Augen.
„Deine Entscheidung. Entweder du kommst mit und hast die Aussicht auf Flucht oder du bleibst hier und wirst gefoltert. Ich hab das schon öfters gemacht und wenn ich mich ein paar Tage im Wald versteck und dann wieder zurück komm, werden sie es mir verzeihen.", erklärte ich und hob die Plane noch ein Stückchen höher.
„Okay, aber ich werde dich nicht im Wald lassen. Das wäre nicht Gantleman-like. Du kommst mit zu mir.", meinte Tylor und schlüpfte aus dem Zelt. Ich folgte ihm leise und ließ die Plane leise los.
„Folg mir.", wies ich ihn an und rannte los in den Wald.
Ohne zu zögern folgte er mir und lief sogar genauso lautlos, wie ich.

Belogen -School of HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt