Vollkommen gedankenverloren lief ich nach Hause. Was sollte das ganze Geschwafel von irgendwelchen Verrückten mit deren Ritualen und einer magischen Kette oder was auch immer Sie gesagt hatte, dachte ich aufgebracht nach. Ich musste mich irgendwie beruhigen, jedoch stellte sich die Frage: wie?
Ein lauter Knall war zu hören und ich fiel auf den Boden. Meine Nase schmerzte. Scheinbar war ich gegen etwas gelaufen. Ich schaute nach oben und erblickte einen jungen Mann mit pechschwarzem Haar. Er streckte mir die Hand aus. Sofort schoss es aus mir heraus: "Es tut mir furchtbar leid. Ich war gerade ganz wo anders und habe dich nicht gesehen." Ich griff nach seiner Hand und er half mir hoch. "Danke", dabei klopfte ich mir den Dreck von der Kleidung. Gerade wollte ich meinen nächsten Satz aussprechen, als nur noch der Rücken des Jungen zusehen war. Er verschwand einfach wortlos. Ich entschloss es dabei zu belassen. Zum Glück schien er nicht erbost zu sein. Leicht orientierungslos schaute ich mich um. Vielleicht sollte ich zur Kathedrale gehen. Jedesmal wenn es mir schlecht ging oder ich einfach abschalten wollte, fühlte ich mich nach meinem Gebet besser.
Ich betrat die Kathedrale und ging schnurstracks gerade aus. Nicht nur die Kathedrale an sich gefiel mir, sondern auch die Tatsache, dass diese der heiligen Jungfrau Maria geweiht war. Ich setzte mich auf einen der Stühle und fing an zu beten, wenn man es beten nennen könnte. Meine Gebete sahen von außen betrachtet wie ganz normale Gespräche aus, die ich mit der Jungfrau Maria führte. Nur mit dem feinen Unterschied, dass ich diejenige war die sprach.
Ich betrachtete die Kette. Mit meinen Daumen strich ich über die Gravierung. Die Kette sieht echt wunderschön aus. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Kette etwas magisches an sich haben soll. Hmm, was hatte die Wahrsagerin gesagt? Ein Schlüssel. Wohin würde mich dieser Schlüssel führen? Vom vielen Grübeln bekam ich Kopfschmerzen. Ich versuchte die Kette und die Situation für einen Moment zu vergessen. Da fielen mir die wunderschönen Augen von Colin wieder ein. Ich freute mich schon riesig auf das Wiedersehen mit ihm. Wer weiß vielleicht würde sich etwas zwischen uns entwickeln. Eine ernsthafte Beziehung hatte ich bis jetzt noch nie gehabt. Natürlich hatte ich mehrere Verabredungen mit unterschiedlichen Jungs, aber es fehlte immer irgendetwas. Vielleicht stellte ich mir die Liebe einfach anders vor als sie eigentlich war. Vielleicht hab ich zu hohe Erwartungen oder vielleicht gibt es die große und wahre Liebe nur in Märchen und Filmen. "Alissa, nun reiß dich zusammen!", sprach ich mit mir selbst. "Oh nein, wie spät ist es überhaupt." Ich blickte total panisch auf die Uhr. In einer halben Stunde müsste ich im Café sein. Ich lief los und hoffte den Bus noch zu erreichen.Völlig außer Atem stürmte ich durch die Hintertür in das Café hinein. "Geschafft." Meine Sachen legte ich in meinen Spind und zog mich schnell um. Seit mehreren Jahren half ich im Café aus. Meine Eltern hatten mir viel beigebracht, sodass ich rein theoretisch eigentlich ein eigenes Café gründen könnte. Ich spielte schon seit längerem mit dem Gedanken in der Gastronomie zu bleiben. Aber wirklich festgelegt hatte ich mich noch nicht.
Ich war gerade dabei einen Tisch abzuräumen, als erneut die Glocke an der Tür läutete. "Guten Tag und herzlich willkommen", begrüßte ich den neuen Gast. Dann bemerkte ich, dass es Colin war. "Oh, Colin, was machst du den hier?" Vollkommen verwundert schaute ich ihn an. Er strahlte mich voller Freude an. "Alissa, schön dich zusehen. Ich wusste nicht, dass du hier arbeitest." Er setzte sich zu einem der freien Tische. "Möchtest du was trinken?"
"Ja gerne, eine Cola bitte. Falls du Zeit hast, setzt dich doch zu mir." Ich nickte. In der Küche schenkte ich zwei Gläser Cola ein. "Mum, ich mache kurz Pause", rief ich in die Küche hinein. "Ist gut, Liebling.""Ich habe dich noch nie hier bei uns im Café gesehen." Dabei nippte ich an meiner Cola. "Ist auch ein reiner Zufall. Ich bin vor ungefähr 3 Monaten in diese Stadt gezogen."
"Bist du den alleine hergezogen?", fragte ich.
"Ja, es hört sich vielleicht einsamer an, als es ist. Aber mir gefällt es." Er lächelte mich abermals an und ich schmolz bei seinem Anblick dahin, dabei vergaß ich alles um mich herum. Es war ein seltsames Gefühl. Es machte mir ein wenig Angst. Diese Anziehungskraft. Sowas hatte ich noch nie gespürt, vorallem in so einer kurzen Zeit, sowelche Gefühle zu entwickeln war seltsam für mich. In der Bibliothek spürte ich eine leichte Anziehungskraft, aber jetzt schien er meinen Verstand zu benebeln. "Alissa", seine weiche Stimme riss mich aus meinen Gedanken, "du hast etwas an dir. Ich kann es nicht in Worte fassen. Vielleicht hälst du mich jetzt als einen viel zu aufdringlichen Menschen, aber sowas spüre ich zum ersten mal. Ich weiß nicht wie es bei dir ist, jedoch hoffe ich insgeheim zumindest eine leichte Zuneigung." Colin sprach mir aus der Seele. Ich zögerte kurz aber brachte es dann doch über meine Lippen: "Wollen wir vielleicht unsere Nummern tauschen?"
"Na sicher doch." Er holte sein Smartphone aus der Tasche und wir wechselten die Nummern. "Nun, meine Pause ist zuende. Ich muss leider wieder arbeiten", sagte ich leicht enttäuscht. "Wann hast du den Feierabend?", fragte er mich.
"Um 21 Uhr. Wieso fragst du?"
"Lass dich überraschen.""Du kannst jetzt ruhig gehen, Schätzchen", rief meine Mutter, "den Rest schaffen wir schon alleine." Ich schaute auf die Uhr. Oh, sie hat recht. Es war schon 21.14 Uhr, wenn ich am arbeiten war vergaß ich immer die Zeit. Ich zog mich schnell um und ging die Hintertür raus.
"Endlich. Langsam wurde ich ungeduldig, meine liebe Alissa." Colin stand an der Wand angelehnt. Scheinbar hatte er auf mich gewartet. "Was machst du denn hier?", fragte ich verblüfft. "Haha, ich hab auf dich gewartet." Er nahm meine Hand. "Ich sagte doch, dass ich eine Überraschung für dich hätte. Komm mit." Colin führte mich zu seinem Auto. Er öffnete wie ein Gentleman die Beifahrertür und ich setzte mich ins Auto rein. Eigentlich war es total leichtsinnig in ein fremdes Auto zu steigen. Jedoch schien meine Vernunft in Colins Nähe Urlaub zu machen. Plötzlich fiel mir auf, dass ich meine Tasche vergessen hatte. Naja was soll's. Bis auf meine Kette und der ganze Schulkram war nichts wichtiges drinne.
"Alles gut, Alissa?", fragte mich Colin leicht besorgt. "Ja, alles bestens. Wohin fahren wir um diese Uhrzeit?"
"Ich möchte dir einen Ort zeigen, besonders nachts ist er wunderschön. Du musst wissen ich liebe Wanderungen, als ich nach Salisbury hergezogen war, unternahm ich eine kleine Wanderung und dabei hatte ich eine unglaubliche Entdeckung abseits der Stadt gemacht."
Meine Neugier war geweckt.Einige Minuten verbrachten wir im Auto. Wir unterhielten uns über die unterschiedlichsten Themen. Colin hielt in der Nähe eines Waldes an. Langsam bekam ich ein mulmiges Gefühl. Ich war mir nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Entscheidung gewesen war. "Mach doch nicht so ein verängstigtes Gesicht. Ich werde dich schon nicht umbringen oder vergewaltigen. Wer weiß vielleicht aber auch doch", sagte er in einem neckischen Ton. "Nur ein Scherz." Er streckte mir seine Hand aus. "Am besten wir halten uns an den Händen, damit wir uns im Wald nicht verlieren." Das schien mir eine gute Idee zu sein und ich reichte ihm ebenfalls meine Hand. Hand in Hand gingen wir immer tiefer in den Wald hinein. Es war unheimlich dunkel und es erstaunte mich, dass er irgendetwas sah. Bei jedem Geräusch, das ich hörte, zuckte ich zusammen. "Ich will ja nicht nerven aber sind wir bald da?", fragte ich Colin. "Ja, gleich", erwiderte er.
Plötzlich wurde es heller. Viele kleine Lichter schwebten in der Luft, die sich zu bewegen schienen. Auch konnte man das Plätschern von Wasser hören. Wir schlängelte uns durch das Gebüsch und kamen auf einer kleinen Wiese auf. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Überall flogen kleine Glühwürmchen, einige setzten sich auf wunderschöne Blumen, die an einigen Stellen der Wiese verteilt waren. Rechts von mir war ein kleiner Wasserfall mit einem hübschen See. Der Mond, so wie die Sterne spiegelten sich darin. "Oh Colin, es ist wunderschön hier. Der Wasserfall, die Blumen, die Glühwürmchen, der See, einfach alles." Ich schaute in seine funkelten Augen. "Willst du etwas machen? Was total verrücktes?", fragte er mich. Ich zog die Augenbraue hoch. "Was meinst du?" Plötzlich fing Colin an sich auszuziehen. "Co-Colin was machst du da?", stotterte ich verlegen. "Na komm! Zieh dich auch aus, ich guck auch nicht hin." Als ich sah wie er gerade seine Unterwäsche runterzog, drehte ich mich reflexartig um. Nur noch ein lautes Platschen war zuhören. "Komm, Alissa! Das Wasser ist warm." Ich drehte mich in seine Richtung um und sah ihn bis zur Hüfte im Wasser stehen. Von einer seiner goldblonden Strähne tropften Wasserperlen herunter. Sein Oberkörper war leicht athletisch. Im Mondlicht sah er einfach göttlich aus. "Nagut. Sei nicht so spießig", murmelte ich mir selber zu. Ich rief zu Colin: "Dreh dich um!" Was er auch gleich machte. Ich streifte mir meine Kleidung vom Leib und tauchte ebenfalls in die kühle Nässe ein. "Gib mir deine Hand", sagte Colin ohne sich umzudrehen. Er zog mich tiefer ins Wasser rein, sodass ich bis zu den Schultern im Wasser stand. Colin drehte sich um und umfasste meine Taille. "Sowas hast du bestimmt noch nie gemacht." Er blickte mich eindringlich an. "Alissa, sei doch nicht so steif", sprach er auffordernd und gleich im nächsten Moment bekam ich eine große Ladung Wasser ins Gesicht. Colin fing an zu Lachen. Sein melodisches Lachen hallte im Wald wieder. Auch ich musste lachen und spritzte ihn mit Wasser zurück. Plötzlich umarmten mich seine starken Arme und unsere Lippen verschmolzen miteinander. Ich erwiderte den Kuss.