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Es ist dunkel in diesem Wald, dunkler als in allen in denen ich bis jetzt war. Scar, mein tapferes Pferd, folgte mir so leise wie mein Schatten durch den ächzenden Wald. Ich hasse es, hasse diese Aufträge und doch kann ich nichts dagegen tun. Ich habe schließlich geschworen, Maurice zu töten. Der ehrwürdige Vater persönlich hat mir das Gelöbnis abgenommen, was eine Seltenheit ist. Ich muss zugeben, Maurice ist ziemlich clever. Andere hätte ich jetzt schon längst gefunden. Leise gehe ich in die Hocke, etwas hat sich verändert. Langsam senke ich den Kopf und konzentriere mich. Als ich wieder aufblicke, spüre ich eine starke Präsenz, die sich lautlos um mich herumbewegt. Ich folge ihr. Plötzlich spüre ich sie nicht mehr - einfach weg! Ich drehe mich im Kreis, ganz langsam, und doch ist sie nicht mehr auffindbar. Das gibt es doch nicht! Selten hat jemand es geschafft, mich, Rose Dwight, in die Irre zu führen! Verwirrt harre ich in der Hocke und versuche sie erneut zu finden, davor hat sie ja sogar mich gefunden, aber nichts passiert. Doch plötzlich höre ich über mir ein Knacken, dann, begleitet mit einem Kampfschrei werde ich zu Boden gerissen, fange mich aber ab und rolle zur Seite. Neben mir steht ein unbekannter Mann, der mich wütend ansieht und Kampfposition einnimmt. Ich stehe auf. Wir befinden uns auf einer kleinen Lichtung des dunklen Waldes. Ein winziger Teil davon wird mit Mondlicht beschienen, in das der Fremde gerade hineintritt. Im Bruchteil einer Sekunde nahm ich sein dichtes, schwarzes Haar, ein markant geformtes Gesicht mit stechenden, dunkelgrünen Augen und einen muskulösen Oberkörper wahr, der in einem engen dunkle Hemd verpackt da stand und ebenso muskulöse wie schlanke Beine. Mein Blick wollte sich an sein Gesicht hängen, jedoch wurde meine Aufmerksamkeit von seiner rechten Hand angezogen. Ein stumpf wirkender, grauer Dolch befand sich darin, der all das wenige Mondlicht auf der Lichtung in sich aufzusaugen schien. Was sollte all dies bedeuten? Für so etwas hatte ich keine Zeit! Und schon trat der Unbekannte näher. Mein Blick müsste inzwischen genauso genervt aussehen, wie seiner wütend. >>Was wollt Ihr von mir? Mich etwa töten?<<, fragte ich leicht gelangweilt. >>Sagt nicht, Ihr habt etwas dagegen?<<, konterte er mit einer unglaublich tiefen Stimme. Er hatte ja keine Ahnung! >>Und ob ich etwas dagegen hätte! Mein Auftrag erledigt sich schließlich nicht von alleine<<. Diesmal trat ich, immer noch unbewaffnet, einen Schritt vor. >>Dann müsst Ihr gut im Kämpfen sein, oder wollt Ihr mich mit leeren Sprüchen aufhalten?<<, fragte er, während er mir in die Augen blickte. Ungewöhnlich; normalerweise schauen sie alle weg, da meine Augen zu widernatürlich sind- ich nichts Gutes bedeuten kann. >>Oh, die bin ich!<< in meinen beiden Händen ließ ich es aufflammen. Kurz wirkte mein Gegenüber erstaunt, was ich für mich nutzte und angriff. Ich stieß ihn zurück, sodass er taumelte,brannte aber gleichzeitig zwei Löcher in sein Hemd und stieß ihm das Bein weg. Zuerst angreifen ist immer von Vorteil, wenn der Gegner größer, stärker als man selbst ist. Er fiel rücklings auf den Boden und ich setzte mich auf seinen Bauch, um ihn am Boden halten zu können und beugte mich leicht vor. Um uns herum ließ ich eine hohe Flammenmauer entstehen, die jede Fluchtmöglichkeit ausschloss. In meiner Hand ließ ich meine Version seines stumpfen Dolches erscheinen, nur dass meine Kanten schärfer wirkten als die seinen. >>Nun, Ihr scheint mir aber ein großer Redner anstatt Kämpfer zu sein!<< während ich das sagte, drückte ich ihm den Dolch an die Wange. Er lachte nur und mit einem schnellen Ruck, den ich selbst kaum wahrnahm, lag er plötzlich halb auf mir, mein Dolch flog außerhalb der Flammen, seine bloße Hand an meiner Kehle. Diesmal war ich es, die lachte.War dieser Mann wirklich so naiv zu glauben, er könnte mich einfach erwürgen? Ich ließ meine linke Hand zur Seite gleiten und fasste zu meinem Dolch, die Flammen schlängelten einfach über meine Hand hinweg, der Dolch schien auf meine Hand zuzukommen. Ich hatte ihn. Ich schlug so fest ich konnte mit dem Griff zu und befriedigt hörte ich das Knirschen, das ich damit verursacht hatte. Seine Hände an meinem Hals wurden locker, ließen mir wieder Luft zum Atmen und ich nutzte diese Chance und rollte mich weg und stand auf. Auch der Unbekannte war aufgestanden. Zufrieden stellte ich fest, dass er an der Schläfe blutete. Er griff mit gezücktem Dolch an. Im letzten Augenblick wich ich ihm aus. >>Aaaah!<<Mit wütendem Aufschrei und fuchtelnden Bewegungen versuchte er sein Hemd vom Körper zu reißen, da dieses gerade von Flammen zerfressen wurde. Nachdem er es in die Mauer geworfen hatte, drehte er sich wieder zu mir. Ohne das Hemd, stachen seine Bauchmuskeln noch mehr hervor, als davor. Bedrohlich kam er näher, unsere Waffen zwischen uns. Er attackiert mich , ich mache einen Ausfallschritt und trat schnell wieder vor. Stahl kreischte auf Stahl. Ich stach zu, der Fremde wich aus, trat hinter mich und legte mir das Messer an die Kehle und zog mein Haar gewaltsam nach hinten, was die Wirkung des Messers noch zusätzlich verstärkte. Ich keuchte. >>Ich muss zugeben, Ihr könnt wirklich gut kämpfen.<<, flüsterte er mir in mein Ohr und erhöht den Druck. Ich spürte warmes Blut den Hals hinunterlaufen. Mein Blut. Ich griff nach seiner Hand, die den Dolch hielt und ließ meine ganze Energie, Wut und mein ganzes Feuer durch meine Hand in seine fließen. Mit frustriertem Schrei lässt er den Dolch fallen und stieß mich auf die andere Seite der Lichtung. Auf seiner Handfläche sammeln sich Brandblasen und dunkles, fast schwarzes Blut. Ich keuche genau wie er. Hat er endlich eingesehen, dass er seine Zeit verschwendet? Der Morgen naht, ich müsste Maurice schon längst eingeholt haben. Bereits konnte ich Phantomsonnenstrahlen auf meiner Haut spüren, obwohl mein Gesicht im Mondlicht lag. Nebel hatte vom Boden aufwärts begonnen zu steigen. Ich wollte gerade nach Scar rufen, hatte ich sie ja im ganzen Tumult vergessen, doch direkt hinter mir ertönt dann ein verletztes Wiehern. Scar! Sofort ließ ich die Flammenwand erlöschen und rannte in die Richtung der Geräusche. In Scars Flanke steckte ein schneeweißer Pfeil. Langsam fiel sie zu Boden; ihr schwarzes Fell dreckig noch von unserem langen Ritt. Schnell mache ich den Schützen in einer Baumkrone aus und reiße ihn zu mir herunter. >>Dafür wirst du büßen!<<, zische ich in sein Ohr- blanke Wut und entsetzen hatten von mir Besitz genommen. Ich legte ihm blitzschnell die Hände um die Kehle,verbrannte und erwürgte ihn gleichzeitig. Der Körper fiel leblos zu Boden, bevor der letzte Todesschrei verklungen war. Sofort ging ich neben meinem Pferd zu Boden und untersuche die Verletzung. Scar schnauft schwer und ich spüre ihre Schmerzen, das ist alles nur wegen diesem Fremden passiert!. >>Ganz ruhig, mein Mädchen. Alles wird gut!<<, flüsterte ich ihr zu, in dem Versuch sie zu beruhigen und meine Wut zu unterdrücken. >>Ich muss den Pfeil jetzt herausziehen, ich weiß du schaffst das. Bereit?<<Ich schaute ihr tief in die fast schwarzen Augen, die mit roten und goldenen Sprenkel durchsetzt sind. „Ja, bin ich." antwortete sie mir im Gedanken. Mit einem Ruck zog ich den jetzt roten Pfeil aus ihrer Seite. Ein gequältes Wiehern und er war draußen. Schnell riss ich ein großes Stück Stoff aus meinem Unterrock und presste es auf die blutende Wunde, aus der zähes Blut sickerte. Mit geübten und jetzt wieder ruhigen Bewegungen öffnete ich die Schnallen des Sattels mit meinen Satteltaschen und legte ihn neben ihr ab. Lautlos trat der Unbekannte neben uns und beobachtete mich. Ich spürte es eher, als dass ich es sah. Er war immer noch hemdlos, auch das spürte ich. Ich ignorierte ihn nur und machte mich an die Arbeit; wegen ihm war Maurice jetzt über alle Berge und Scar verletzt, sollte er jetzt ruhig nochmal versuchen mich umzubringen. Ich kreuzte meine Beine, legte meine Hände links und rechts neben der Wunde und schloss die Augen. Vor meinem inneren Auge sah ich deutlich, wie sich das Gift verbreitete. Ich zog mit aller Kraft daran, bis zum letzten Tropfen in mich auf, Scar fing an in Schmerzen um sich zu treten. Immer heller werdendes Licht umrahmte meine Hände.>>Wie macht Ihr das?<< Der Fremde! >>Still! Ich muss mich konzentrieren, um sie zu heilen.<< Er hob nur die Hände und setzte sich ebenfalls; wie davor spürte ich es nur. Ich schloss wieder die Augen und begann, jetzt, da das ganze Gift entfernt war, die Wunde selbst zu heilen. Ich durfte das nicht zu schnell machen, da der Pfeil komplett Scars Hinterbeinmuskel durchtrennt hatte. „Geht es? Sag mir gefälligst, wenn es zu schnell ist!", teilte ich ihr gedanklich mit. „Geht schon, bis jetzt zieht es nur ein wenig." Ich wusste, dass sie log; das schwere Schnaufen und Treten ihrerseits verriet sie. Als ich endlich fertig war, war der Himmel nur noch grau und langsam bahnte sich die Sonne einen Weg durch den Nebel. Ich ließ Scar erholen und schaute mich nach dem Unbekannten um. Er ging in eine Richtung davon. >>Hey! Wo wollt Ihr hin? Ich dachte Ihr wolltet mich umbringen!<<, rief ich ihm empört hinterher. >>Zu meinem Hengst am Bach, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Dieser Schütze könnte auch ihn getroffen haben!<< Ich lief ihm hinterher; zumindest bis zum Ende der Lichtung. >>Wartet, wenn Ihr mir genau sagt, wie Euer Hengst aussieht, kann ich ihn herholen.<< Seit wann war ich bitte so nett? Der Mann, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, war stehen geblieben und drehte sich jetzt wieder zu mir. >>Das könnt Ihr?<<, fragte er spöttisch. >>Natürlich!<<, gab ich genauso spöttisch zurück. >>Also, wie sieht er jetzt aus?<< Ich ging wieder zu Scar hinüber. Er folgte mir. >>Er heißt Tabolt. Ein Rotfuchs mit schwarzer Mähne und grünen Augen.<< Träge ließ ich mich neben meinem Pferd zu Boden sinken und lehnte mich leicht an ihre unverletzte Seite, sie schlief inzwischen, und ich schloss die Augen wieder. >>Ich dachte Ihr wolltet Tabolt holen?<< Er stand neben mir und beugte sich zu mir herunter. >>Das tue ich auch gerade, aber erst mal müsste ich ihn finden, damit ich ihn herbringen kann!<<, gab ich gereizt zurück. Ich schickte meine Sinne gen Süden aus, auf der Suche nach einem Rotfuchs am Bach. Eine Weile musste ich suchen; er war ganz schön weit weg; doch dann endlich hatte ich ihn. Und nicht nur ihn - nicht weit entfernt von Tabolt näherten sich knapp ein Dutzend Männer auf Rössern, die von der gleichen Aura umgeben waren wie der Schütze, der Scar vergiftet hatte. Das konnte nur Ärger heißen. Zum Glück war der Wald noch zu dicht, als dass sie schnell vorankommen konnten. Ich nahm Kontakt zu dem Rotfuchs auf, erst leise, damit er sich nicht erschrak. „Tabolt, keine Angst. Kannst du mich hören?", fragte ich deswegen vorsichtig. „Natürlich kann ich dich hören! Was willst du von mir?", fragte er prompt zurück. Ich war erstaunt. Er musste schon öfter in Kontakt mit Telepathen getreten sein, so selten wir auch sind, sonst hätte er komplett anders reagiert. Interessant. „Mein Name ist Rose. Kannst du herkommen? Dein Herr ist hier bei mir und hinter dir kommen viele Männer und es wäre nicht so klug, wenn sie durch deine Anwesenheit von uns erfahren. Kommst du jetzt?"erklärte ich ihm schon leicht genervt. Ich spürte Tabolts zögern. >>Wie heißt Ihr Fremder, wenn ich fragen darf?<<, fragte ich mit geschlossenen Augen und Kopf auf den Knien. >>Oh! Entschuldigt mein Benehmen, Xavier Wales nennt man mich. Und Euch?<< Ich stöhnte nur und verdrehte die Augen, was er nicht sehen konnte, bei seiner sarkastischen Verbeugung, die ohne Hemd ziemlich lächerlich wirkte. Ich sprach wieder zu Tabolt. „Xavier wartet hier auf dich und braucht dringend ein neues Hemd!" Den Namen seines Herren ließ seine Zweifel verschwinden. Jedoch sein "Oh, dann seid Ihr sein Auftrag?" verunsicherte mich ein bisschen „In welche Richtung muss ich?", fragte er schließlich. Ich grinste kurz und beschrieb ihm dann den Weg zu uns. In wenigen Minuten hatte Xavier ein neues Hemd - schade eigentlich.


Hours of the Shadow-           Stunden der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt