#003

16 3 0
                                    

Mittlerweile reiteten wir schon seit Stunden. Die Sonne strahlte uns gnadenlos von oben herab an. Ich konnte mich kaum noch auf Scar halten und ihr ging es nicht sonderlich besser. Die Verletzung machte sich jetzt als Muskelkater bemerkbar, der so stark war, dass Scar fast lahmte. >>Xavier, wartet!<<, brachte ich noch raus, bevor ich von Scar fiel. Ihm und Tabolt waren lediglich nur warm. Als ich mit einem dumpfen Aufprall im Gras neben dem Weg landete, knickten auch Scars Beine ein. Alles drehte sich und ich starrte in den Himmel, in dem Versuch, mich wieder konzentrieren zu können. Mir war, als vergingen Stunden, als ich plötzlich große Hände spürte, die mich hochhoben und trugen. Sanft wurde ich geschaukelt und mir fielen die Augen zu- Müdigkeit zerrte an mir, umhüllte mich schließlich. Die Arme trugen mich als wäre ich leichter als eine Feder und genauso leicht bewegte sich Wales Körper dazu. Der Pfad wurde breiter und mündete in einer Art Strand an einem See. All das spürte ich, obwohl ich ohnmächtig war - Meine Sinne rasten und machten mich halb verrückt. Zu sehen ohne zu sehen ist in Situationen wie diesen verwirrend. Ich hörte das leise Wiehern von Tabolt, der Scar antrieb in Bewegung zu bleiben, wenige Meter nur vom Strand und dem kühlen Wasser entfernt. Ich spürte, wie mir meine geschnürten Sandalen heruntergezogen wurden und auch mein Überkleid wurde entfernt. Kurz wurde ich in den warmen Sand gelegt. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, waren die starken Arme wieder da, pressten mich an einen Körper und trugen mich ins Wasser. Es war angenehm kalt und belebte meine Sinne wieder - langsam kam ich zu mir. Meine Sinneseindrücke waren zwar immer noch benebelt von der verschluckenden Schwärze, die zeitweise in mir geherrscht hatte, doch ich war wieder da - und befand mich wirklich in Wales Armen. Er blickte hinaus, in die Weite des Sees. In seinen Augen spiegelte sich das seichte Wasser, der Himmel und das entfernte Ufer. Während er weiter zur Mitte des Sees ging, beobachtete ich ihn von unten her - er hatte noch nicht bemerkt, dass ich wieder bei Bewusstsein war und dachte sich somit ungesehen. Seine Stirn lag gerunzelt da, seine grünen Augen blickten nachdenklich, ja fast traurig, als hätte er mal seine Masken abgelegt und plötzlich war es mir, dass ich ihn irgendwie kannte. Die Sonne ließ sein dunkles Haar glänzen und es sah aus als spielte sie darin mit gelben und orangen Strahlen der Wärme. Ich spürte, dass Scar und Tabolt sich an den schwarzen Strand gelegt hatten und sich ausruhten. Ich ließ meinen Blick weiterwandern; über seine hohen Wangenknochen, das starke Kinn, auf dem leichte Bartstoppeln zu sehen waren. Der Drang darüber zu fahren war unwiderstehlich, doch ich widerstand; er sollte mich noch nicht bemerken und wieder eine seiner Masken aufsetzen. Meine Gedanken schweiften ab, als mein Blick zu seiner Brust glitt; Warum hatte er versucht mich zu töten? War es ein Auftrag; war ich ein Auftrag? War das das was, Tabolt gemeint hatte? Und wenn ja, warum hatte er mich nicht getötet, sondern gewartet und mich Scar heilen lassen und mich danach bis hierher und noch in den See getragen, wie er es jetzt immer noch tut? Und was bereitete ihm solche Sorgen, die ich jetzt eindeutig in seinen Augen erkennen konnte? Inzwischen war Xavier bis zu seinen Hüften im tiefblauen Wasser und ich spürte, wie die Hälfte meines langen rötlichen Haares bereits durchnässt war. >>Wie lange wollt Ihr mich noch anstarren?<<, fragte Xavier leise. Als er dies sprach, hörte ich es tief aus seiner Brust brummen, da mein Ohr direkt daran lag. Ich lief leicht rosa an und mir wurde noch wärmer. >>Wann habt Ihr es bemerkt?<< fragte ich genauso leise zurück. Jetzt blickte er zu mir herunter und lächelte sanft. >>Schon seit Ihr wieder bei Bewusstsein seid.<< Statt zu antworten, starrte ich ihn nur weiter an. >>Ich seh' schon, Ihr wollt mir nicht antworten.<< Er hatte seine neckende Maske wieder aufgesetzt. >>Warum wolltet Ihr mich töten? War ich ein Auftrag - so wie Maurice für mich?<<, fragte ich gerade heraus. Ich war nicht der Typ, der sich von Fragen und Gedanken zerfressen ließ, deswegen ging ich in die Offensive - und er in die Defensive. >>Wow! Und das, nachdem ich Euch doch nicht getötet und sogar ins Wasser getragen habe, als Ihr ohnmächtig wurdet!<< Er lächelte süffisant. >>Ihr weicht meiner Frage aus.<<, stellte ich unnötigerweise fest. >>Warum?<< fragte ich deswegen. >>Weil ich darauf nicht antworten darf, meine Schöne.<<, flüsterte er. Das Wasser ging ihm jetzt bis zum Bauch, mir den ganzen Rücken, bis zu meinem Nacken hoch. >>Könnt Ihr mir dann sagen, ob Euer Plan mich zu töten immer noch steht?<< Mein ganzer Körper war jetzt unter Wasser. >>Kommt ganz auf Euer Verhalten an.<< hauchte er - und ließ sich sinken als, würden er und ich zusammen mehr als das Dreifache wiegen; und zog mich mit sich runter. Unter Wasser öffnete ich die Augen sofort. Im ersten Moment brannte es höllisch, doch dann gewöhnten sich meine Augen daran. Auch Xavier Wales hatte die Augen geöffnet und er beobachtete mich .Sein Mund war zu einem Grinsen verzogen, welches einen mörderischen Zug abbekommen hatte. Auch hatte ich das Gefühl, dass er im Gegensatz zu mir länger die Luft anhalten konnte. Ich bekam Panik und schlug wild um mich, bis ich merkte das er viel zu stark für mich war, in meinem Zustand. Ich ließ einen Dolch erscheinen und zielte mit der Spitze auf sein Herz, schnitt leicht in seine Brust und deutete nach oben. Sofort erlosch sein Grinsen und er stieß sich vom Grund ab um wieder nach oben zu kommen. Als wir auftauchten, sog ich gierig die schwüle Luft ein, stieß mich von ihm ab und begann zurück zum Ufer zu schwimmen- oder paddeln, wie man es sieht. Erst als ich ankam, spürte ich, dass auch Xavier sich in Bewegung gesetzt hatte. >>Ach Kommt schon! Das war doch nur Spaß!<<, sagte er, als er sich neben mich setzte. Ich fauchte ihn nur an und ließ direkt vor seinem Gesicht einen Feuerball erscheinen, der ihn zurückweichen ließ. >>Dann muss ich sagen, mein lieber Herr Wales, haben wir nicht den gleichen Humor!<<, würgte ich schließlich zusammen mit einer Wasserladung hervor- widerlich. Doch zu mehr hatte ich nicht mehr die Kraft, jetzt erst recht nicht mehr. Ich ließ mich rückwärts in den Sand fallen und schloss meine Augen. Ich hatte seit knapp fünf Nächten nicht mehr richtig geschlafen und wollte dies jetzt endlich nachholen - mir war sogar egal, dass Xavier mich immer noch beobachtete und mich problemlos im Schlaf töten konnte. Eine Frage hatte ich allerdings noch; >>Was bedrückt euch so sehr, Xavier?<<, fragte ich mit geschlossenen Augen. Seine Sorgen spürte ich so stark, wie ich noch nie etwas gespürt hatte. Er rutschte wieder näher zu mir und blickte mich an. >>Dies und das, was interessiert es Euch denn?<<, gab er ein bisschen zu prompt zurück. Anscheinend hatte ich seine schnippische Seite geweckt. Ich gähnte. >>Es ist nur so, dass Eure Sorgen mir den Schlaf rauben, wenn Ihr nicht mal an etwas anderes denkt, oder es Euch von der Seele redet.<< Eine Ewigkeit später, als ich schon dachte er hatte mich nicht gehört, legte Xavier sich ebenfalls hin und antwortete sehr leise, fast tonlos. >> Ich bin nicht einverstanden mit meiner Bestimmung oder meinem Auftrag, wenn Ihr so wollt, den ich aber zu erledigen habe. Weil; wie kann ich etwas sein oder machen, das genau dem Gegenteil von mir entspricht?<< Hm... Gute Frage. Trifft irgendwie genau auf mich zu. Ich verabscheue das Kloster und den ehrwürdigen Herren; vor allem die Aufträge, doch was kann ich dagegen tun? Gar nichts! >>Und was wollt Ihr dagegen unternehmen?<<, fragte ich Xavier deswegen. Doch statt einer Antwort bekam ich nur ein Schulterzucken. Die Sonne war inzwischen hinter dem Wald untergegangen und tauchte den Himmel in allen möglichen Rosa-, Rot- und Lila tönen. Vor uns zogen dunkle Wolken auf - super, morgen würde es einen Sturm geben. >>Ich weiß es nicht<< Mit diesen Worten schlief ich ein.

Hours of the Shadow-           Stunden der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt