Kapitel 1. June

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“I believe that everything happens for a reason. People change so that you can learn to let go, things go wrong so that you appreciate them when they're right, you believe lies so you eventually learn to trust no one but yourself, and sometimes good things fall apart so better things can fall together.” 

― Marilyn Monroe

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Kapitel 1. June

>>June...June…JUNE!<< Eine erboste Stimme ließ die schmutzigen Teller in meiner Hand zum Klirren bringen. Erschrocken atmete ich tief ein und aus. Nein, ich darf jetzt nicht zurück schreien. Ermahnte ich mich selbst. Immer daran denken: Er ist dein Boss und er bezahlt dir die 600 Euro im Monat, die du so dringend brauchst. 

Mit einem gespielt freundlichem Lächeln drehte ich mich elegant um und ging das hölzerne Laminat entlang, bis hin zur Bar, wo er schon grimmig auf mich wartete. Wie immer trug mein Chef ein weißes, verschwitztes T-Shirt, dessen obere zwei Knöpfe bis zur Brust geöffnet wurden sind.

>>Was soll ich mit dir bloß anstellen, hm?<< Mit hochgezogenen Augenbrauen bedachte er mich einen Moment, als ob er genau wusste, wie sehr mir die Situation unangenehm war. >>Was habe ich falsch gemacht, Sir?<< Fragte ich ihn höflich aber mit leicht gereiztem Unterton. Dieser Typ war wirklich eine Plage und ich hätte schon längst gekündigt, wäre ich nicht auf diesen verfluchten Job angewiesen. 

>>Was du getan hast?! Das kann ich dir ganz genau beantworten, junge Dame. Tisch 29 wartet schon seit << Er hielt seinen rechten Arm hoch, damit ich einen Blick auf seine vergoldete Armbanduhr werfen konnte.  >>exakt einer Stunde auf das bestellte Essen. Seit exakt einer Stunde!<< Er schrie mich an, ohne das es mich wirklich interessierte, aber trotzdem ließ ich so nicht mit mir umgehen. Zu gern hätte ich jetzt widersprochen. Ich biss mir auf die Zunge. Reiß dich zusammen June, nur noch drei Stunden und du hast Schluss! Ich seufzte.

>>Es tut mir sehr leid, Mr. Leighton, aber ganz offensichtlich war es mir nicht möglich, durch den vielen Stress, Tisch 29 zu bedienen<< Ich sah zu Boden, aber aus dem Blickwinkel konnte ich erkennen, wie seine Finger vor Wut zuckten.

>>Durch den vielen Stress?! In letzter Zeit hatten wir kaum Kunden und wenn sich überhaupt mal jemand hier hinein verlaufen hat, dann nur um zu fragen, ob man unsere Toilette mal eben kurz benutzen dürfe. Unsere Stammkunden werden immer weniger, weil ihnen hier alles zu teuer geworden ist. Und warum ist hier alles teurer geworden?!  Weil wir mit Rechnungen und Stromkosten zu kämpfen haben<< Er legte eine kurze Pause ein um sich die Stirn zu massieren. >>Wir sind fast pleite und du willst mir allen Ernstes weismachen, du hattest Stress?<<

Gedemütigt legte ich die benutzten Teller ab und schmiss die Essensreste in den Abfalleimer. Immer lässt er seine Probleme an mir aus. Um nicht noch mehr Ärger zu machen, beschloss ich nach einigem Zögern klein bei zu geben. Was blieb mir auch anderes übrig? >>Es tut mir Leid<< Sagte ich mit aufrichtiger Stimme, während ich meine Finger hinter dem Rücken argwöhnisch kreuzte.

>>Das will ich auch stark hoffen<<  Mr. Leighton nahm sich eine der bunten Stoffservietten und wischte sich damit sein mit Schweißperlen übersehenes Gesicht ab. Gerade wollte ich mich umdrehen, um Tisch 4 abzuwischen, da schnippte mein Chef auch schon mit den Fingern, als ob ihm gerade etwas sehr Wichtiges eingefallen wäre.

>>Übrigens ist mir da noch etwas aufgefallen<< Na super. Was jetzt wohl kommen mag? Genervt blickte ich auf meine abgetragenen Schuhe, die ich mir vor ungefähr einem halben Jahr gekauft hatte. Ich war nicht diese Art Mädchen. Ich war einfach. Ich meine, es gibt Wichtigeres im Leben, als seine Zeit in überfüllten Kaufhäusern zu verbringen, um sich dann vielleicht auch noch um das letzte Oberteil zu prügeln. Zumindest in Sachen Shopping war ich unkompliziert.

Try to escape, darlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt