Vivienne's POV:
Die Sonne hing hell am wolkenlosen Himmel, spiegelte sich in dem Fenster des Klassenzimmers, an dessen ich meinen Platz gefunden hatte. Mein Kopf war schon seit einer geraumen Zeit unglaublich schwer, der Unterricht ging schleppend voran, auch wenn ich wirklich versuchte diesem zu folgen. Aber das war leichter gesagt als getan, bei einem Lehrer, dessen Stimme einer Maschine glich, monoton und ohne jeglichen Höhen und Tiefen. Seufzend drehte ich meinen Kopf so, dass ich einen Blick aus dem Fenster werfen konnte, die Welt außerhalb dieses Raumes sah so unberührt, unangetastet aus. Sie strahlte eine Schönheit aus, die mir immer im Gedächtnis bleiben würde. Weiß, kalt, anmutig. Drei Begriffe, die ich mit diesem Wetter verband. Es war zwar tiefster Winter und in ein paar Tagen würden wir das Fest feiern, auf welches wirklich jeder hinfieberte, doch die helle Scheibe des Tages strahlte unaufhörlich auf die weiße Schneedecke, konnte jedoch nichts gegen die Kälte anrichten, auch wenn sie ihr bestes gab. Große Flocken tanzten anmutig durch die Lüfte, segelten lautlos auf die Schneeschicht, die mittlerweile auf der Straße lag.
Verträumt kritzelte ich etwas auf dem Block herum, der genauso schneeweiß wie die Welt außerhalb, vor mir auf dem abgenutzten Holztisch lag.
Die Umgebung um mich herum hatte ich vollkommen ausgeblendet, für mich gab es nun nur die eiskalte Schönheit des morgens, den Neuschnee, die graziös tanzenden Flocken, die auf diesem ihren Walzer beendeten und ein luftiges, kaltes Bett bildeten.
"Madame Briend!", eine Stimme, gereizt und schneidend riss mich aus meiner Beobachtung, ich wusste sofort, dass es mein Lehrer sein musste, denn niemand sonst, redete mich mit meinem Nachnamen an, den ich so sehr hasste.
"Madame Briend!", immer noch starrte ich stur aus dem Fenster, dachte gar nicht im Traum daran dem Lehrer meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, es gab schließlich besseres, als mir die Schimpftirade des alten Mannes vorne an der Tafel anzuhören, den ich wieder einmal durch mein, wie er es immer so schön ausdrückte, 'rüpelhaftes, ignorantes' Benehmen zur Weißglut getrieben hatte und er sich nun demonstrativ vor der ganzen Klasse über mich aufregen musste. Es war eine Alte Leier, Schnee von gestern, unwichtig und nicht relevant. So ging es hier Tag ein Tag aus.
Neben dem Gekicher, welches sich wie ein Lauffeuer in der Klasse ausbreitete und vermutlich daran lag, dass ich mich wieder einmal gegen einen Lehrer stellte und ich ohne groß darüber nachzudenken, behaupten konnte, dass ich wieder vor der Tür landen würde, identifizierte ich zudem ein anderes Geräusch, ein Tippeln, welches hektischen Schritten glich, durch das Gemurmel meiner Klassenkameraden ist es beinahe in Vergessenheit geraten, doch nun, wusste ich wieder was es zu bedeuten hatte, ich bekam Besuch. Einer Intuition folgend hob ich den Blick und schaute prompt, mit gleichgültiger Mine direkt in das wutentbrannte, vor Ärger gerötete Gesicht meines Lehrers. "Ist irgendetwas?", fragte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue nach, was meinen Lehrer noch stärker erröten ließ, nun glich seine Visage einer reifen Tomate, was mich jedoch so viel kümmerte, als würde in China ein Sack Reis umfallen.
"Sie scheinen nicht willig zu sein meinem Unterricht auf irgendeiner Art und Weise zu folgen, ich muss Sie deshalb bitten, Madame Briend, dieses Klassenzimmer zu verlassen, so leid es mir tut.", seine Stimme war beherrscht, man sah ihm an, dass er vermutlich am liebsten auf mich losgegangen wäre, doch er riss sich, so wie es sich für einen Lehrer gehörte, zusammen.
Kurz zuckte ich mit den Schultern, ehe ich mit schnellen Handgriffen meine Utensilien zusammenpackte und diese anschließend in meine Tasche stopfte, danach stand ich leichtfüßig auf, schulterte meine Tasche, bevor ich mit erhobenen Hauptes durch die Gänge stolzierte, ich würdigte niemanden eines Blickes, mit einem lockeren 'Au revoir!' verabschiedete ich mich für den heutigen Tag von diesem grauenvollen Klassenzimmer, dieser ekelerregenden Klasse und diesem beschmutzen Gebäudetrakt, welcher mir schon seit Jahren zum Hals heraushing. Täglich grüßt das Murmeltier.
"Vivienne!", ein Mädchen meines Alters kam mir wild winkend entgegen gelaufen, ihr blondes langes Haar funkelte nur so vor geschmolzenen Schneeflocken, ihre Wangen wiesen eine rötliche Farbe auf, was an der kalten Luft lag, die draußen herrschte. Sie war eine Schönheit wie sie im Buche stand.
"Was machst du denn schon hier draußen?", fragte sie, nachdem sie sich mir gegenüber gestellt hatte.
"Es ist nie früh genug sich ein klein wenig die Füße zu vertreten.", flötete ich gut gelaunt, etwas zu gut gelaunt, wie sich ein paar Augenblicke später herausstellte, denn sie hatte mich durchschaut.
"Du bist doch nicht schon wieder raus geflogen, oder?", tandelnd hob sie ihren filigranen Zeigefinger.
"Vivienne Amelie Briend! Da bin ich einmal für fünf Minuten auf der Toilette und du schaffst es in dieser kurzen Zeit der Klasse verwiesen zu werden!", auf ihre Aussage hin riss ich meine Arme in die Lüfte und fuchtelte mit diesen theatralisch umher,
"Emma! Die Lehrer haben mich auf dem Kieker, ich bin unschuldig!", versuchte ich mich herauszureden, doch gegen sie hatte ich so oder so nicht einmal den Hauch einer Chance. "Du und unschuldig? Das kannst du jemand anderem erzählen. Ich bin deine beste Freundin, ich kenne dich sogar besser, als du dich selbst, meine Liebe.", ein kurzes Grinsen schlich sich auf die Lippen Emmas und ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Sie konnte mir einfach nicht böse sein, egal was ich anstellte.
"Ich habe dich auch lieb Emma.", nachdem die Worte aus meinem Mund gesprudelt waren, zwinkerte ich ihr zu und warf einen Blick nach draußen. "Hör mal, es klingelt in einer Minute zum Pausenbeginn, ich werde meine Tasche schnell holen und dann verschwinden wir von hier, okay?", schlug meine beste Freundin vor und ich nickte eifrig. Sie kannte mich wirklich einfach viel zu gut.
"Ich warte hier, werde mich nicht vom Fleck bewegen.", dies war meine Zustimmung, auch wenn ich es nicht wirklich ausgesprochen hatte. Ohne etwas darauf zu erwidern verschwand Emma mit schnellen, graziösen Schritten hinter der verdellten Holztür, durch die ich vor wenigen Minuten selbst erst geschritten war. Mit dem schrillen Läuten der Pausenglocke eilte meine beste Freundin schon wieder aus dem Klassenraum heraus, "Gab es irgendetwas umsonst, oder warum ist es so schnell gegangen?", witzelte ich herum, während wir aufbrachen und nebeneinander über den langen, trostlosen Gang gingen.
"Leider muss ich deine Frage mit 'nein' beantworten! Aber ich will ja, dass du fröhlich bist und je schneller wir hier draußen sind, desto besser geht es dir.", da hatte sie vollkommen recht. Ich hasste dieses graue brüchige Gebäude, ich hasste die Menschen die auf diese Schule gingen, ich hasste diese Schule allgemein mehr als irgendetwas sonst. Dabei konnte ich noch nicht einmal sagen, warum dies der Fall war, woher dieser Hass kam, der mich jedesmal zu zerfressen drohte, wenn ich das Gelände betrat. An der Tür, die nach draußen führte, angekommen, stießen wir diese gemeinsam auf. Die kalte Luft des Winters schlug mir entgegen, umhüllte mich wie eine zweite Haut, ließ eine hauchfeine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper ausbreiten, ehe wir uns in die Augen sahen und uns auf den Weg runter von dem Gelände dieser verhassten Schule machten. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Die Flocken fielen auf uns herab, schmolzen auf unserer warmen Haut, verfingen sich in unseren blonden Haaren und stimmten mich fröhlich. Ich liebte den Winter mit all seinen Facetten.
"Und was nun?", hörte ich Emma fragen, die ein paar Zentimeter neben mir durch den hohen Schnee kraxelte. Wir zogen die warmen Wintermäntel näher an unsere zierlichen Körper heran und führten unseren Weg fort. Der Schnee knirschte unter unseren Schuhen, während wir die Straße hinab liefen.
"Wir schauen wohin es uns treibt."~~~~
Das erste Kapitel hat nun ein Ende gefunden und vielleicht habt ihr es ja bemerkt. Der erste Hinweis, wer dieses Kapitel geschrieben hat ist im Titel zu finden. Dieses Sonderzeichen dort oben, wird immer verwendet wenn Schokokeksl, also meine Wenigkeit dieses Kapitel verfasst hat. Ich hoffe, es hat euch einigermaßen gefallen und wir würden uns freuen, wenn wir euch im nächsten Kapitel wiedersehen würden. Danke fürs lesen.
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Liebe in der Vergangenheit
Fanfic"Vivienne!", hörte das blonde Mädchen die liebliche Stimme ihrer besten Freundin einen Namen schreien, doch ihre Stimme klang hohl, dumpf und vollkommen weit entfernt. Sie brauchte einen Augenblick um zu realisieren, dass es ihr Name war, der geschr...