Splitter.1

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Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile, fast zwei Jahre später, nichtmehr zufrieden mit diesem Kapitel. Ich habs sogar wieder zurückgezogen. Aber es gehört halt trotzdem zu der Geschichte. Also lest es, wenn ihr wollt, aber die nächsten Kapitel werden besser, versprochen.

Er war mein Leben. Okay, vielleicht nicht ganz. Aber er war meine Motivation, weiter zu machen. Sein Anblick, der mich jedes mal aufs Neue flashte, wenn er zur Tür rein kam, entlohnte mich für alle Strapazen. Ich habe ihn geliebt. So sehr, auch wenn ich wusste, er würde es niemals erwiedern. Trotzdem sagte ich es ihm. Am Valentinstag. Was für eine Ironie. Und obwohl ich darauf vorbereitet war, obwohl ich seine Antwort schon im Vorraus kannte, hatte der eine, kleine, unerschütterliche Teil von mir, zu hoffen gewagt. Und war bitter enttäuscht worden. Seine Antwort die ,Tut mir leid, ich steh nicht auf dich' lautete, traf mich zutiefst. Er war wahrlich keiner dieser Jungs, die ein Mädchen anlogen, nur um sie nicht zu verletzen. Und doch wünschte ich mir, er hätte es getan. Dann hätten wir wenigstens eine kurze Zeit glücklich sein können. Nach außen hin tat ich so, als wäre Alles in Ordnung, doch innerlich war ich ein Scherbenhaufen. Alle Pläne, die ich trotz besseren Wissens für uns beide geschmiedet hatte, waren zerknüllt, zerissen und in den Müll geschmissen worden, durch diesen einen Satz, durch diese acht Wörter und neunundzwanzig Buchstaben. Ihm gegenüber tat ich ganz cool. Ich erwiederte ,Okay, schade. Ich wollte nur, dass dus weißt. Freunde?' ,Freunde.' Das wars. Damit war unsere Unterhaltung beendet. Und meine kleine, bis dahin heile, Welt, bekam einen Knacks. Aber er hat die Wunden nicht gesehn, die er verursacht hat. Wie auch? Mein Herz hat er niemals gesehn. Trotzdem konnte ich ihm nicht böse sein. Man kann sich eben nunmal nicht aussuchen, in wen man sich verliebt und in wen nicht. Natürlich, man kann sich einreden, jemanden zu lieben, aber das ist nicht das selbe, wie es wirklich zu lieben. Das mit der Liebe ist sowieso so eine Sache. Wenn man heraus gefunden hat, dass man jemanden liebt, kann man das immernoch auf verschiedene Arten tun. Dann stellt sich die Frage, liebe ich die andere Person rein freundschaftlich, ist es eine Geschwisterliebe oder möchte ich mit dem anderen Menschen zusammen sein? Bei mir war es Letzteres. Allerdings habe ich auch schon erlebt, dass diese Arten vermischt oder verwechselt wurden. Aber ich war mir ganz sicher. Und erntete für meinen Mut eine schallende Ohrfeige. Zumindest hätte ein Schlag ins Gesicht nicht mehr weh tun können.

Ohne meine Freunde wäre ich drauf gegangen. Aber sie haben mir geholfen, diesen Mist, den ich mir selbst eingebrockt hatte, zu überstehn. Oder es fühlte sich so an, als wäre ich selbst schuld. Oft fragte ich mich, warum ich nicht einfach alles so hatte lassen können, wie es war. Es wäre viel einfacher gewesen, einfach weiter Pläne zu schmieden und mich an die vollkommen absurde Hoffnung zu klammern, er könnte mich eines Tages lieben. Doch ich wollte endlich Gewissheit. Nun musste ich mit den Folgen leben. Und ich stellte fest, dass ich stärker war, als ich gedacht hatte. Über die Stunden und Tage hinweg, ließ der Schmerz nach. Er verschwand nicht, aber er wurde imner erträglicher. Oder der Schmerz blieb gleich, aber ich lernte damit zu leben. Ich kann nicht sagen, was davon mit mir geschah, ich weiß nur, dass es besser wurde.

Als ich ihn das nächste mal sah, verhielt er sich mir gegenüber ganz normal. Oder er spielte mir nur was vor. So fühlte es sich für mich aber nicht an. Ich für meinen Teil war so weit über Alles hinweg, dass ich so tun konnte, als wäre alles normal und wir wären wirklich nur Freunde. Wir taten so, als hätte unsere Unterhaltung nie statt gefunden.

Die Wochen vergingen und mein Herz schmerzte immer weniger und weniger. Doch der Friede währte nicht lange. Und schon wieder war es er, der mein Innerstes erschütterte. Bessergesagt seine Nachricht, die er eine Stunde vor dem Training in unsere Gruppe sendete. Einer hatte geschrieben, er könne heute nicht kommen. Seine Reaktion darauf war: ,ich komme heute aber zum letzten mal.' Ich konnte nur noch auf meinen Handybildschirm starren und denken: ,Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr. Das kann nur ein schlechter Scherz sein. Er ist viel zu gut um einfach so aufzuhören! Das kann garnicht wahr sein...' Aber es war kein Scherz. Meine Nachfrage bei ihm hatte das ergeben. Ich würde ihn heute wirklich zum letzten mal sehn. Trotz allem, was gewesen war, beschloss ich, das letzte Training mit ihm zu genießen, koste es, was es wolle. Am ende der einundhalb Stunden hatte ich das Gefühl, dass es ein würdiger Abschluss gewesen war. Das Allerletzte, was ich von ihm sah, bevor er für immer aus meinem Blickfeld verschwand, waren seine dunklen Haare, wie sie mit ihm zusammen im Auto seiner Mutter verschwanden. Dann rollte der Wagen vom Parkplatz und ließ mich mit der erneut aufgerissenen Wunde an meinem Herzen zurück.

Ich hoffte inständig, dass eine Freundin, die vermutet hatte, vielleicht läge seine Entscheidung, aufzuhören, an meinem Geständnis, nicht recht hatte. Das Bild von ihm, welches ich in den drei Jahren, in denen er ein so wichtiger Teil meines Lebens geworden war, bekommen hatte, stellte ihn nicht als einen Jungen da, der sich von derartigem in die Flucht schlagen ließ. Und eben diesen Jungen würde ich schrecklich vermissen. In den ersten Tagen hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, immer dann, wenn mir bewusst wurde, dass ich nie mehr sein Gesicht sehen oder seine Stimme hören würde. Aber auch das ließ nach. Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Und das ist die Wahrheit. Sein Verlust, zumindest fühlte es sich so an, als hätte ich ihn verloren, obwohl er nie Mein gewesen war, schmerzte mich immer weniger.

Nach einiger Zeit, es war bestimmt ein Monat vergangen, entschloss ich mich, ihn noch ein letztes Mal anzuschreiben. Mein Gefühl sagte mir, dass ich das tun musste, um wirklich mit ihm abzuschließen. Also schrieb ich ihn an und erzählte ihm die ganze Geschichte. Und seine Reaktion? ,Danke, dass dus mir erzählt hast. Dann können wir getrennte Wege gehn.' Ich konnte es nicht glauben. Ja, ich wusste, dass ich ihm nicht so viel bedeutete, wie er mir, aber sowas? ,Arschloch' war mein erster Gedanke. Also schrieb ich leb wohl und löschte den Chat kurz darauf.

Meine Wut verwandelte sich nach und nach in Dankbarkeit, was mich selbst erstaunte. Aber dann wurde mir klar, dass er genau richtig reagiert hatte. Er hätre es mir nicht leichter machen können, über ihn hinweg zu kommen. Und so nahm ich mir Folgendes vor: sollte ich ihn noch einmal sehn, würde ich Danke sagen. Danke dafür, dass er es mir so leicht gemacht hat, ihn zu vergessen und dafür, dass er immer ehrlich zu mir war. Zumindest hatte ich immer das Gefühl, er wäre es. Trotzdem gab es mir immer einen kleinen Stich, wenn ich seinen Namen in meiner Kontaktliste laß. Daraufhin beschloss ich, seine Nummer zu löschen. Das Gefühl war großartig. Ich fühlte mich vollkommen frei.

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