Schneewittchen

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Ihre Haare waren schwarz wie Ebenholz.

Ihre Lippen so rot wie Blut.

Und ihre Haut war so weiß wie der Schnee.

Ihre Augen waren geschlossen, die langen Wimpern ruhten auf den blassen Wangen, kein Atemzug hob ihre Brust und brachte Leben in ihre viel zu stille Gestalt. Die Vögel sangen nicht und kein Luftzug regte sich, es war still im Wald. Die Lippen waren leicht geöffnet, aber nicht so, als warteten sie nur darauf wieder ins Leben zurückgeküsst zu werden.

Ihr Anblick war wunderschön, doch jagte er allen, die sie erblickten einen Schauer über den Rücken. Ihre Haare wirkten zu dunkel, sie stellten einen zu krassen Kontrast zu ihrer schneeweißen Haut dar, das Rot ihrer Lippen schien unnatürlich intensiv, aber vor allem schien alles zu still, sie regte sich nicht.

Den Dienern, die den gläsernen Sarg trugen lief es kalt den Rücken hinunter, die Zwerge waren stehen geblieben, mit abgenommenen Zipfelmützen und schauten der bemitleidenswerten Kolonne kopfschüttelnd nach. Ihre Herzen waren voll von Trauer. Der Prinz hatte beschlossen ihr geliebtes Schneewittchen mit in den Palast zu nehmen. Ihnen war nicht entgangen, dass kein Atemzug mehr ihre Lippen verließ.

Der Prinz jedoch, geblendet von ihrer Schönheit und seinem eigenen Irrsinn ging glücklich und beschwingten Schrittes neben dem Sarg her. Während die gruslige Stimmung sogar die Tiere des Waldes zum Verstummen brachte, summte er fröhlich vor sich hin, ein Lächeln auf den Lippen und die Augen von einem komischen Glanz überzogen. Er war außerordentlich glücklich sein Schneewittchen nun mit nach Hause nehmen zu dürfen.

Immer wieder warf er einen Blick in den Sarg, den seine Diener vorsichtig trugen, um sich zu vergewissern, dass seine Schönheit noch da war. Immer wieder bat sich ihm der gleiche Anblick.

Schwarzes Haar, weiße Haut und rote Lippen.

Einmal ergriff er sogar ihre Hand, von einem plötzlichen Gefühl des Glücks überwältigt, seine Prinzessin endlich gefunden zu haben. Er hielt ihre schlaffe, weiße und unnatürlich kalte Hand fest in seiner und den Dienern wurde ganz mulmig, als sie dieses Schauspiel betrachteten. Das fröhliche Pfeifen des Prinzen, das überhaupt nicht zur Situation passte verlieh dem Ganzen eine schaurige Atmosphäre.

Ihre Hand hing schlaff in seiner, kein Muskel regte sich, um die Umklammerung zu erwidern. Einer der Träger hatte das plötzliche Verlangen ein Kreuz zu schlagen.

Niemand sagte etwas während des kompletten Rückweges, die Sargträger legten an Geschwindigkeit zu, sobald sie das Schloss erblickten. Sie hofften für das arme Mädchen, dass sie schnell begraben werden würde. Allerdings hatten sie alle das Gefühl der Prinz hätte andere Pläne.

Und diese Vorahnung stellte sich als richtig heraus, der Prinz hatte tatsächlich andere Pläne. Er sah in Schneewittchen nicht den vergifteten Körper, die Leiche eines Mädchens, umgebracht durch das Gift der Königin, die sie nun wirklich war, sondern seine Prinzessin, die Frau, die in Zukunft an seiner Seite sein würde.

Die Sargträger beeilten sich den Sarg mit dem wunderschönen, aber viel zu blassen, viel zu kalten und viel zu leblosen Mädchen abzustellen und eilten davon. Der Prinz jedoch ließ sein Schneewittchen auf ihr Zimmer bringen, der seltsam glänzende Blick war noch immer nicht aus seinen Augen verschwunden. Er hatte vor sie noch am selben Abend zu seiner Frau zu machen.

Es war ein schauriges Schauspiel, am Abend dann. Es gab keinen Bürger, dem bei diesem Anblick nicht ein kalter Schauer über den Rücken lief.

Der Prinz saß zufrieden lächelnd und in prachtvollem Gewand auf seinem Thron, an seiner Seite die ebenso prachtvoll gekleidete Leiche eines wunderschönen Mädchens. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Kopf lag leblos auf ihrer Brust, ihre Gestalt war in sich zusammengesackt und wohl nur von den Kleidern noch aufrecht erhalten.

Er ergriff ihre Hand, als er verkündete, dass sie von nun an an seiner Seite das Land regieren würde.

Der irre Glanz verschwand wohl nie aus seinen Augen, doch es dauerte nur wenige Tage bis die Leiche langsam anfing zu verwesen. 


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