Als wir in dem Luxushotel, welches wir für sechs Wochen bewohnen werden, eincheckten rann mir schon der Schweiß über den Nacken. Es waren mindestens 40 Grad im Schatten. Die brüllende Hitze durchsengte geradezu meine knappen Klamotten. In Spanien war es eindeutig heißer, als in Deutschland.
Mein Vater verschwand sofort wortlos in seinem Zimmer, welches mit einer Tür zu meinem verbunden ist. Ein kleiner Trost war es zu wissen, dass wir die ganzen Ferien nicht die ganze Zeit in einem Zimmer zusammen hocken und uns gegenseitig auf die Pelle rücken würden.
Mein Vater wird zwar die nächsten Wochen von einem Geschäftstermin zum anderen hetzen, aber abends hätten wir uns wohl unfreiwillig ertragen müssen. Schon vor der Vorstellung graute es mich.
Das Feuer, welches in den beachtlichen Kamin brotzelte, warf flackerndes Licht auf das großzügig eingerichtete Hotelzimmer. Ich ging mit bedächtigen Schritten zur großen Fensterfront und was ich da erblickte, ließ mir den Atem stocken.
Mir bot sich ein unglaublicher Anblick. Das fünf Sterne Hotel grenzte an einen traumhaften Strand und am Horizont ging gerade die Sonne unter und warf die schönsten Farben auf das glänzend Meer. Das ist wie ein Schokoladenmuffin für mein Schwimmerherz.
Ich schwimme seit ich überhaupt denken konnte und lebte meine Leidenschaft im Meer, wie auch im Schwimmteam unserer Schule aus. Ich war einer der besten Schwimmerinnen in der Gruppe und holte auch hin und wieder ein Pokal mit nach Hause.
Doch mir ging es hauptsächlich gar nicht ums Gewinnen, sondern eher zu der Verbindung zum Wasser. Es war als gehörten wir zusammen und als könnte ich ohne das Wasser nicht existieren.
Ich lehnte meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und fasste kurzerhand einen Entschluss. Ich konnte gar nicht anders handeln. Es wäre, als würde ich vom Wasser angezogen werden. Wie die Motte vom Licht.
Auf schnellstem Wege entledigte ich mich meiner spärlichen Bekleidung und schlüpfte in einen neongrünen Bikini. Eilig stülpte ich mir noch Flip-Flops über die Füße.
Hals über Kopf verließ ich den Raum begleitet durch das regelmäßige Aufklatschen meiner Schuhe und stürzte aus dem Hotel. Dabei kassierte ich ein paar missbilligende Blicke der Mitarbeiter wie auch von den Gästen, doch das interessierte mich kein Stück.
Am Strand angekommen, war die Sonne schon komplett untergegangen und ein paar wenige Laternen erleuchteten den pechschwarzen Ozean. Außer mir befand sich keine Menschenseele hier.
Ich schleuderte die Flip-Flops weg und trat dann mit einem Fuß ins Wasser und stellte fest, dass es eine angenehme Temperatur hatte. Nicht mal eine Minute später, war ich mit dem Kopf schon unter Wasser getaucht und schwamm mir die Seele aus dem Leib.
Die Wellen nahmen an Stärke zu, doch das war für mich nicht von Belang.
Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, als ich mich flach aufs Wasser legte und mich treiben ließ. Ich war ziemlich weit nach draußen geschwommen und konnte den Boden nicht mehr unter meinen Zehen fühlen.
Ich öffnete meine Augen und sah dunkle Wolken unheilverkündend über mir schweben.
Ich schnappte erschrocken nach Luft, als ich einen scharfen Schmerz im Nacken spürte und in der nächsten Sekunde unter Wasser gedrückt wurde. Es war für mich unverständlich, wo auf einmal der peitschend Wind und die tobenden Wellen herkamen.
Ich versuchte schnellstmöglich aus dem Wasser zu stürmen, doch in dem Moment erfasste mich abermals wieder die Strömung. Es fühlte sich an, als würden die Wellen um mich streiten. Sie warfen mich wie eine schwache Stoffpuppe hin und her, als wollten sie mich in Stücke reißen.
Theoretisch wusste ich, wie man einem Brandungsrückstrom am besten entwischte. Immer parallel zum Strand schwimmen und nicht versuchen, ans Ufer zu gelangen. Doch dieses Wissen half wenig, wenn man nicht wusste wo das Ufer war. Ich wusste noch nicht mal, wo oben und unten war.
Das wütende Wasser war in allen Richtungen finster, es gab kein Licht, das mich an die Oberfläche geführt hätte. Ich strampelte mit meinem Körper, doch nichts half.
Ich wurde immer weiter nach unten gezogen, wie durch einen Sog. Ich zwang mich, die Luft anzuhalten und den Mund nicht zu öffnen, damit das letzte bisschen Sauerstoff nicht entweichen konnte, doch schon jetzt drohte mir die Ohnmacht.
Ich wusste auf einmal wie das ausgehen würde. Ich würde sterben.
Endgültig.
Die Schläge im Wasser bemerkte ich gar nicht mehr so hart wie zuvor. Jetzt war es eher ein Schwindelgefühl, ein kraftloses Herumwirbeln im Wasser. Meine Lunge schrie nach Luft und mein Körper verkrampfte sich vor Erschöpfung.
Ein friedliches Gefühl befasste mich. Ich war bereit.
Und im nächsten Augenblick wurde ich unwiderruflich in die Schwärze gezogen und alles um mich herum versank in Düsternis.
Das letzte was ich sah, war wie sich etwas großes Schemenhaftes auf mich zubewegte, doch ich befand mich schon halb in der Bewusstlosigkeit.
Und dann war alles dunkel.
„Du musst atmen.", flehte jemand mit Verzweiflung in der Stimme.
„Komm schon. Gib nicht auf", hörte ich diese fremde tiefe Stimme gepresst sagen hören.
Ihm war deutlich die Angst anzuhören, doch wer war das? War ich im Himmel? War das ein Engel? War ich schon tot? Wenn ja, warum spürte ich immer noch den beißenden Schmerz in meiner Brust?
Mir schwirrte der Kopf vor unbeantworteten Fragen.
„Du kannst es schaffen. Kämpfe, bitte!" Ein rhythmisches Schlagen auf meiner Brust, lässt meinen immer wieder Körper erbeben.
Warme Luft füllte ihre Lungen und verließ sie wieder. Füllte ihre Lungen und verließ sie wieder. Immer wieder. Warme Lippen auf meinen Lippen. Warme Luft in meinem Körper.
Urplötzlich ging ein Ruck durch mich hindurch und ich schoss abrupt hoch. Ich hatte gar keine Zeit meinen Retter anzusehen, denn sogleich beugte ich mich zur Seite und spuckte und hustete, wie es mir vorkam, Liter von Wasser aus meinem Mund. Immer wieder erbrach ich mich und Tränen liefen mir über die kalten Wangen.
Ein starker Wind fegte über den Strand und Sand wirbelte durch die Lüfte. Ich fing an zu frösteln und legte mir zitterig die Arme um den Körper. Ein- und ausatmen schmerzte. Eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper und ich stellte mir unentwegt die Frage: Warum lebe ich noch? Ich war dem Tod hilflos ausgeliefert gewesen.
„Hey Kleine, ich bring dich nach Hause." Ich zuckte erschrocken zusammen. Da war wieder diese Stimme. Ich drehte überrascht den Kopf zur Seite und erblickte eine dunkle Gestalt neben mir kauern. Wegen der Finsternis konnte ich nur die Konturen seines Körpers erkennen.
„Wer bist du?", forderte ich mit bebender Stimme zu wissen. Beschämt stellte ich fest, dass ich halbnackt vor einem Fremden hockte. Wenn ich das bloß Kyara erzähle.
„Jayden...aber das ist jetzt nicht wichtig. Du musst unbedingt ins Warme!" Das war die Stimme die gebettelt hat, dass ich kämpfen soll.
Ich brauchte Antworten. „Hast du mich gerettet?", flüsterte ich zaghaft.
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Aurelia & Jayden- The summer of my life
JugendliteraturVerliebt in einen Lehrer? Das reinste Klischee, denkt die sechzehnjährige Aurelia. Bis es ihr selbst wiederfährt. Doch was ist, wenn sie ihren neuen überaus jungen Lehrer schon vor Schuljahresbeginn kennen- und lieben gelernt hat? Cover by @stylesti...