Kapitel 10

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Wir lächeln Beide, als das Blut aus unseren Handflächen in den Pappbecher tropft, den Vodka mit jedem Tropfen ein wenig dunkler rot verfärbt. Fünf Blutstropfen perlen von jeder Hand in den halb gefüllten Becher, dann ergreifen wir die Hand des jeweils Anderen und das Blut auf unserer Haut vermischt sich.
"Das ist echt verrückt! Dass ich sowas überhaupt mitmache", wispere ich.
"Aber gib zu, es ist mindestens genauso genial", flüstert sie zurück.
Ich sehe mich am See um. Noch immer ist er verlassen, außer uns ist niemand hier. Mit ihrer freien Hand hebt Leni den Becher hoch und trinkt. Zur Hälfte geleert übergibt sie ihn mir, ich leere die andere Hälfte.
"Dann wären wir hiermit offiziell Blutsschwestern, meine Liebe", meint Leni, drückt mir einen Kuss auf die Wange.
"Auf ewig irgendwie vereint. Dann werd ich dich ja doch nie mehr los, so ein Mist! Aber ich hab' eh gesagt, wenn ich dich seh', lass' ich dich nicht mehr los. Also komm her meine Kleine", sage ich, ziehe sie in eine Umarmung und drücke ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange. Lachend und redend starren wir in den Sonnenaufgang. Irgendwie gibt sie mir an diesem Morgen tatsächlich das Gefühl etwas besonderes zu sein, jemand zu sein, den man braucht.

"Fuck Leni! Wir müssen los!", schreie ich irgendwann und springe auf, "ich hab doch Unterricht! Wenn ich da zu spät komme kann ich mein Studium gleich vergessen!"
Auch Leni steht auf. Wir packen die Sachen zusammen und machen uns auf den Rückweg. Er dauert nur halb so lang wie der Hinweg.

Die Wohnung liegt im Stillen da, unser Lachen hallt laut an den Wänden wieder. Während Leni in die Küche geht und uns Kaffee kocht, verziehe ich mich in mein Bad. Da wir so wenig Zeit für den Rückweg brauchten, bleibt mir jetzt noch genug. Ich putze meine Zähne, schäle mich aus den taunassen Kleidern, die ich trug, föhne meine ebenfalls nassen Haare. Daraufhin schrubbe ich mit einem Stück Seife so lange über meine Handfläche, dass das angetrocknete Blut abgeht und nur ein dünner, blutroter Schnitt bleibt und die leicht rote, angeschwollene Haut. Die am heutigen Morgen noch auffallendere Blässe meiner Haut und die dunklen Augenringe überdecke ich mit genügend Make-up, die Augen umrahme ich wie immer mit dunklem Eyeliner. Meine frische Kleidung, die ich wähle ist komplett schwarz. Trotzdem bleibt mir noch genügend Zeit, dass ich zu Leni in die Küche gehe.
"Für Kaffee musst du nur noch drücken, ich wusste nicht, wie lange du brauchen würdest", sagt sie, auch wenn sie mit dem Rücken zu mir steht weiß ich, dass sie lächelt. Ich drücke den Knopf und setze mich sobald ich meinen Kaffee habe auf den Boden. Leni setzt sich neben mich und hält mir einen Teller mit Toast hin.
"Du musst was essen, daran führt kein Weg vorbei", begründet sie, nimmt sich selbst einen Toast vom Teller und beginnt zu essen. Eigentlich möchte ich protestieren, mich dagegen wehren, doch dann sehe ich in ihre blau grauen, bittenden Augen und greife nach dem Toast. Wir essen schweigend. Um kurz vor sieben stehe ich auf, ziehe Leni mit hoch.
"Also ich muss dann... Wenn ihr bis halb sieben auf mich wartet, könnten wir gemeinsam kochen... Aber ihr müsst nicht zwingend auf mich warten", lächele ich, schmeiße mir den Rucksack mit meinen Sachen über die Schulter und schnappe mir mein Board, das noch im Flur lehnt.
"Wir werden warten. Aber wenn du sagst, was wir kochen werden, können Franka und ich schonmal einkaufen gehen."
Mit einer Hand entwirre ich meine Kopfhörer, mit dem anderen Arm umarme ich Leni.
"Überrascht mich einfach", erwiedere ich, werfe ihr einen Luftkuss zu und verlasse die Wohnung. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und Lenis Stimme wird durch den Deutschrap ersetzt, den mein MP3 Player gerade zu spielen begonnen hat.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 27, 2015 ⏰

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