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Wir standen lange Zeit einfach nur so da, bis sich Matthew langsam wieder beruhigte. Dann machte er sich von mir los und sah auf den Boden.

"Ich hätte Taschentücher in meiner Tasche, aber die hab ich bei dir vergessen", murmelte ich. Matthew seufzte und hob sein Oberteil an, um sich damit über das Gesicht zu wischen.

"Das ist echt peinlich... Ich..."

"Nein, ist es nicht. Deinen Vater wieder zu sehen war gerade bestimmt heftig für dich", unterbrach ich ihn.

Er atmete tief ein und wieder aus, sah mich dann mit glasigen, geröteten Augen an.

"Ich hab ihn zehn Jahre lang nicht mehr gesehen und dann steht er plötzlich da und lebt, während sie unter der Erde begraben liegt."

Ich bekam eine Gänsehaut, als er das sagte. Unbeholfen streckte ich meine Hand nach seiner aus und drückte sie leicht. Er seufzte.

"Ich versteh nicht wie Oma auf die Idee kommen konnte ihn einzuladen. Seitdem sie mir mitgeteilt hat, dass er die Wochenenden bei uns verbringen wird habe ich mich vor ihm versteckt. Ich hab ihr gesagt, dass ich ihn nie wieder sehen will und sie holt ihn einfach her."

"Anscheinend ist deine Großmutter der Meinung du sollst dich mit ihm versöhnen", sprach ich vorsichtig. Bei ihm führte dieser Satz aber gleich zu einer ablehnenden Haltung. Er ließ meine Hand los und verschränkte die Arme.

"Ich werde mich nicht mit ihm versöhnen!" Antwortete er scharf.

"Das hab ich nicht vorgeschlagen", entgegnete ich. "Ich hab lediglich die Theorie aufgestellt, dass deine Oma das bezwecken wollte."

Matthew stöhnte und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Er schien verzweifelt und überfordert zu sein, doch ich konnte mir nur ansatzweise vorstellen, was er gerade durchmachte. 

"Willst du mit zu mir kommen?" Schlug ich versöhnlich vor und er nickte.

"Kann ich meine Tasche noch von dir holen?" Fragte ich weiter und er beantwortete meine Frage erneut mit einem nicken.

"Ich warte auf der Straße", murmelte er. Dann drehte er sich zum Grab um, bespritzte es mit Weihwasser und faltete seine Hände zum Gebet. Ich tat es ihm gleich und betete das "Vater unser", während er wohl in Gedanken mit seiner Mutter sprach. Anschließend machten wir uns auf den Weg zurück zu seinem Haus.

Er blieb bei seinem Auto stehen, ich hatte den Auftrag seinen Schlüssel mitzunehmen. Das sein Vater noch da war, zeigte der weiße ältere Nissan vor der Haustüre. Nervös trat ich vor die Haustüre und klingelte. Kurze Zeit später öffnete seine Großmutter die Türe.

Sie sah erleichtert aus: "Oh gut, Ihr seit zurück gekommen."

Anscheinend lag ihr wirklich etwas an der Versöhnung. Ich konnte ihr es nicht verübeln, allerdings verstand ich auch Matthew.

"Ich hole nur meine Tasche, Matthew will nicht reinkommen", meinte ich leise und sah die Enttäuschung in ihrem Gesicht.

"Oh... Na dann", murmelte sie und ließ mich hinein. Meine Tasche lag auf dem Küchentisch, weshalb ich wohl oder übel seinem Vater noch einmal begegnen musste. Meine Stimmung war gemischt, für mich war er einfach nur ein fremder Mann. Für Matthew war er der Grund für alle schlechten Dinge in seinem Leben.

"Ava, oder?" Fragte er, als ich in die Küche kam. Es war gruselig, wie sehr seine Stimme der von Matthew ähnelte, die beiden aber doch grundverschieden aussahen.

Ich nickte auf seine Antwort und er stellte sich als Christoph vor.

"Ich weiß, es beruht vermutlich nicht auf Gegenseitigkeit, aber ich freue mich wirklich dich kennen zu lernen", sprach sein Vater und klang dabei ziemlich niedergeschlagen. Da sah er seinen Sohn nach so langer Zeit wieder und dann endete es in einem kleinen Drama.

The Only Hope For Me Is YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt