Prolog

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Weg. Das war alles, was ich wollte, nachdem ich meine Schule abgeschlossen hatte. Ich war glücklich. Ja, bis vor drei Jahren konnte ich noch sagen, dass ich mein Leben liebte.

Doch dann kam das, vor das sich jeder fürchtet. Eine Krankheit, die deinen alles geliebten Menschen in den Tod reißt.

Ich kapselte mich von der Gesellschaft ab, beendete jegliche Freundschaften, da mich eh keiner verstand. Meine damaligen Freunde waren zu meinen Feinden geworden. Keiner wollte mit dem Wrack, dass ich damals war, etwas zu tun haben.

Mein Abi hätte besser sein können. 2,8.
Die Hälfte meiner Klasse bestand ihr Abitur mit 1,0. Bekloppt oder?

Mein Arzt nannte es ein Wunder, dass ich überhaupt bestanden habe. "Mit einer Dosis von 5 Antidepressiva pro Tag kann sich kein normaler Mensch konzentrieren."
Doch. Ich konnte es. Für ein paar Stunden zumindest.

Hach ja, dann kam der Abiball. Ich wollte mich wirklich hübsch machen. Ja, ich wollte mich zusammenreißen, und wenigstens für einen Abend 'normal' sein. Wäre da nicht der Nervenzusammenbruch kurz vor dem Einlass gewesen. Ich saß in der Ecke. Heulend.

Beachtete mich jemand? Nein.
"Was wünschen sie sich für Ihre Zukunft, Miss Hook?"
"Rache."

Und dann war es still. Der ganze Saal blickte zu mir. Ich musterte die Runde und scannte jedes Gesicht. Was ich erkannte? Schock, Angst, Belustigung. Aber meine ehemalige beste Freundin? Sie weinte. Ganz leise kullerten ihr die Tränen über die Wange. Sie hatte es immer wieder probiert. Mir zu helfen, mich zu verstehen, an mich ranzukommen. Doch ich tritt unsere Freundschaft mit Füßen. Ich schrie sie oft an, beleidigte sie, verletzte sie. Tut es mir leid? Ja, unendlich.

Ich verließ wortlos die Bühne und ging gesenkten Hauptes aus der Halle. Wohin?
Keine Ahnung. Nach Hause? Wollte ich nicht.
Papa trinkt nur, Oma tot, Bruder zieht kurz nach dem Tod unserer Mutter weg.
Das hätte ich auch machen sollen.

Ich trat eine Ausbildung zur Bankkauffrau an.
Wurde nach zwei Monaten gefeuert. "Zu viele Fehltage, zu oft betrunken gekommen, abwesend, unpünktlich, unzuverlässig."
Aua. Nächster Stich in meinen Scherbensalat, der mal mein Herz war.

"Clary, hören Sie mir zu. Sie müssen jetzt langsam was ändern, sonst werden Sie eingewiesen. Was wollten sie denn schon immer mal machen?"

Ich saß auf einem Stuhl in der Praxis meines Arztes. Ich zitterte, klammerte mich an meine Handtasche, kaute nervös auf meinen Fingern.

"England", sagte ich. "Ich wollte schon immer mal nach London", murmelte ich und sah meinem Arzt in die Augen. "Dann machen Sie das. Ich werde mich um alles kümmern. Wahrscheinlich können Sie schon morgen abreisen."

Er half mir mit dem Aufstehen, da ich mich fast nicht auf den Beinen halten konnte.
Dann zog er mich in eine Umarmung.

"Ich wünsche Ihnen alles Gute. Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich. Fangen Sie ein neues Leben an. Ohne Tabletten, ohne Depressionen. Eine Kollegin von mir arbeitet in London als Psychotherapeutin. Gehen Sie regelmäßig zu ihr. Versprechen Sie es mir?"

Ich nickte. Dann ging ich. Packte meinen Koffer. Und flog am nächsten Tag wirklich nach London.

Capsize - Lee Pace FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt