Diagnose: Krebs

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"Schenkst du jedem der dich anschreibt deine Bücher? :P " Ich dachte nach ob ich das wirklich schreiben sollte, aber schickte schnell ab, bevor ich es mir anders überlegen würde.

Hätte mir nur jemand gesagt, dass mit dieser Nachricht mein ganzes Leben aus den Fugen geraten und mein Schicksal besiegelt werden würde...

Es dauerte nicht lang und auch die 6. Stunde war vorbei. Nawal musste direkt nach Hause, da ihr Mann Karim bald von der Arbeit kommen würde und sie noch kochen muss. Auch ich musste mich langsam auf den Weg machen. Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren, ließ meine Lieblingsnasheed laufen und ging zur U-Bahn Station.

Plötzlich merkte ich eine warme Hand auf meinen Schultern und blickte kurz darauf in das Gesicht von Ibrahim. "Na gehst du nach Hause?" kam es vom ihm. "Boah Ibrahim du hast mich soo erschreckt! Hachouma khak! (in etwa: Schäm dich!) Ja ich fahre heim..."
Ibrahim ist der Sohn eines guten Freundes meines Vaters und gleichzeitig unser Nachbar. Er ist mindestens einen Kopf größer als ich, und das obwohl auch ich schon 1,70m groß bin. Er ist aber auch nicht gerade schlank oder sportlich. Alles in allem sah er wie ein rieeessseenn Teddybär aus. Nachdem die U-Bahn endlich kam und wir uns hinsetzten bemerkte ich seinen traurigen Blick. Um die Stille zu unterbrechen fragte ich einfach: "Und sonst, was gibt's Neues Bruder?" Ich bemerkte die Abwesenheit seiner dunklen Augen, sein Blick wurde starr. "Ibrahim?! Ist alles okay?", fragte ich ihn mit einem besorgten Blick.

"Jasmina...Mein V...Vater hat Krebs. Er war im Krankenhaus wegen seinen starken Rückenschmerzen und es wurde festgestellt, dass er Krebs hat. Die Metastasen haben sich im ganzen Körper ausgebreitet. Sie geben ihm noch 1-2 Monate." Ich war einfach nur geschockt und wusste nicht was ich sagen, geschweige denn tun sollte. Ich hielt meine Hände vor den Mund und sah wie er sich beherrschen musste. Ich sah in seine glasigen, leeren Augen bis ich plötzlich seine Hand auf meiner Wange spürte. Erst jetzt spürte ich, dass mein Gesicht von Tränen überströmt war, die er mir langsam wegwischte. Er blickte mich aufmunternd an, obwohl doch eigentlich ich diejenige sein sollte, die ihn aufmuntert. "Ibrahim egal was ist, wir sind für euch da. Du kannst dich immer bei mir melden. Egal was ist. Allahi jib shifaa ( Möge Allah ihm Genesung geben)." Ich versuchte ihn aufmunternd anzugucken, obwohl ich glaube ich alles Andere als aufmunternd aussah.

"Amin (Amen). Jasmina ich werde mich jetzt auch Allah zuwenden. Ich weiss ich habe nie gebetet, ausser im Ramadan oder an 3id (islamisches Fest). Es ist eine Prüfung und die werde ich inshaAllah bestehen. Auch wenn ich nie Alkohol oder Drogen zu mir genommen habe oder geraucht oder mit Mädchen war, ich war kein guter Muslim."

Wir waren angekommen und stiegen aus der U-Bahn aus. "Bruder egal was ist, du hat meine Nummer. Meld dich bei mir." Er lachte und während wir über die Straße liefen rief er mir zu: "Und wenn nicht, weiss ich wo du wohnst tamza (hexe)!" Er lachte sich halb tot über seinen "Witz", sodass auch ich anfing mitzulachen. Sein Lachen war einfach ansteckend und für einen kurzen Moment sah ich wieder ein Funkeln in seinen Augen.

"Wakha beslama, wir hören uns inshaAllah", sagte ich während ich die Tür aufschloss. "Beslama Jasmina", lächelte er mich an. Ich war alleine Zuhause. Mein Vater ist noch Arbeiten und meine beiden jüngeren Geschwister mit meiner Mama bei Henna (Oma). Ich bin mit 17 Jahren die Älteste Zuhause. Soufiane und Salsabile sind Zwillinge und werden in einem Monat 12 Jahre. Mama hatte Marmita (marokkanischer Eintopf ) gemacht. Ich wärmte das Essen auf, während ich mich in meinen Maxi (marokkanisches Hauskleid) schmiss. Ich machte Wudu (Gebetswaschung) und betete Duhr (Mittagsgebet). Als ich fertig war, war das Essen auch schon soweit. Ich holte meinen Laptop, guckte Videos auf YouTube und ass nebenbei.

Als ich auf mein Handy sah, bemerkte ich, dass ich neue Nachrichten von Sam hatte. "Hahaha neeinn, nicht bei Jedem. Du bist einfach anders, und das meine ich wirklich positiv. Wie alt bist du eigentlich und was machst du so? Gehst du noch zur Schule?"

Ich checkte erst einmal sein Profil ab bevor ich ihm antworte. Bestimmt zieht er das mit jeder ab und ist mit 10087578 Mädels befreundet. Sein Blick, ich verlor mich einfach in seinen Augen...
Er hatte kein einziges Mädchen in seiner Liste. Und war auch nur mit Leuten befreundet, die er zu kennen scheint. Soll ich? Soll ich nicht? Aahhh er macht mich noch verrückt...Vielleicht ist er mein Maqtab? Es kann ja kein Zufall sein, dass mich Nawal genau an dem Tag nach dem Buch gefragt hatte und ich genau IHN angeschrieben hatte und zu dieser Zeit genau dieses Buch überall vergriffen war.

"Ich bin 17 und im 2. Ausbildungsjahr zur Kauffrau für Bürokommunikation und du?"

Direkt kam eine Antwort von ihm:
"Ich bin 25 und arbeite im Krankenhaus. Sag mal, magst du mir vielleicht deine Nummer geben? Dann könnten wir in WhatsApp weiterschreiben?"

"Eigentlich mache ich sowas nicht."

"Aber eigentlich ist eigentlich auch kein Wort ;) Ich mache das eigentlich auch nicht."

"Na gut, 0163/2468xxx. Hier, ich vertraue dir."

Sofort bekam ich eine WhatsApp Nachricht von ihm. Während ich mein Geschirr aufräumte und mich ins Zimmer verkrümelte schrieb ich ununterbrochen mit ihm. Er erzählte mir, dass seine Eltern geschieden sind und er alleine wohnt. Da seine Eltern strikt gegen den Islam sind ist er vor einem Jahr von Zuhause ausgezogen. Seine Eltern sind Shiiten und wollen von Quran und Sunnah nichts hören. Um seine Religion ausleben zu können, musste er ausziehen. Er hat noch einen älteren Bruder, aber seitdem er ausgezogen ist hat er zu niemandem mehr Kontakt. Er war auf der schiefen Bahn und nahm Drogen. Seit er aber den Islam kennenlernte, änderte er sich von Grund auf alhamdulillah.

Meine Eltern und meine Geschwister kamen nach Hause. Ich begrüßte sie und nahm die Gebetswaschung vor. Dann betete ich Asr (Nachmittagsgebet) und Maghrib (Abendgebet) zusammen, da ich durch das Schreiben mit Sam so abgelenkt war. Ich fing weiter an mit Sam zu schreiben und er erzählte mir wie schlimm es war als er drogenabhängig war und, dass kaum jemand das von ihm wüsste. "Ich bin immer für dich da Sam. Egal wie, ich werde dich immer unterstützen."

Egal wie, ich werde dich immer unterstützen?! Wäre mir schon damals bewusst gewesen, was das für mich heisst und welche Folgen das hat, wallahi niemals wäre ich diesen Weg gegangen...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 07, 2015 ⏰

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