Kapitel 4

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Es war Samstag, und weil es aus sämtlichen Himmelsschleusen zu schütten schien, hatte ich beschlossen, einfach in meinem Zimmer zu bleiben und mir zu überlegen, was man zu Glühwürmchen anschauliches machen könnte. Ich erwägte gerade, ob ein übergroßes Modell machbar wäre, als ich eine Nachricht bekam. Ich stürzte zum Handy, ließ es aber enttäuscht wieder sinken, als ich den Absender sah.

Alexander, 13.34: "Hi, schon Ideen?"

Nadja, 13.35: "Hm, ja, vielleicht ein Modell oder so?"

Alexander, 13.37: "Kein schlechter Gedanke. Wir bräuchten nur Materialien."

Nadja, 13.38: "Es gibt einen Bastelshop in der Stadt, da kriegt man alles, was man zum Basteln von egal was braucht."

Alexander, 13.40: "Ich könnte das alles einkaufen, wenn ich wüsste wie du dir das vorstellst(?)"

Nadja, 13.41:" Kein Problem, ich kann das schon machen..."

Alexander, 13.43: "Nee, ich muss die Stadt ja mal kennenlernen. Wollen wir uns dort vielleicht in ner halben Stunde treffen?"

Nadja, 13.45: "Meinetwegen, aber lieber erstmal am Bahnhof, du weißt ja nicht wo der Laden ist."

Alexander, 13.46: "Auch wieder wahr. Bis gleich."

Nachdem ich Alexander am Bahnhof abgeholt hatte, stöberten wir erstmal etwas in dem Laden herum, bis Alexander fragte: "Okay, und was brauchen wir jetzt deiner Meinung nach?" "Also...", ich zog eine Skizze aus der Tasche, "zuallererst würde ich mal Draht nehmen. Damit wir erstmal so eine Art...Körpergestell machen können. Und für die Flügel natürlich ganz dünnes Seidenpapier...wie wir das mit dem Leuchten machen sollen, weiß ich aber nicht so genau." "Hm", machte Alexander, "dafür bräuchte man eine Glühlampe mit grünem Licht. Die ganze technische Seite davon überlasse ich einfach Christoph, der kann sowas." Ich schrieb auf, was wir bisher kaufen wollten. Dann fragte ich ihn: "Und die Facettenaugen, wie machen wir die?" "Warte, da hab ich eine Idee..." Er verschwand zwischen den Regalen und war wenig später mit ein paar verpackten Sachen wieder da.

Nachdem wir auch noch den Rest des Glühwürmchens gekauft hatten, traten wir mit zwei großen Tüten wieder aus dem Laden. "Wollen wir uns gleich morgen treffen und damit anfangen?", fragte Alexander lächelnd. Ich überlegte kurz, nein zu sagen, weil ich nicht wirklich Lust hatte, entschied mich dann aber dagegen. "Okay, bei wem?" "Du kannst gerne zu mir kommen", bot Alexander an, "dann könne wir auch gleich Christoph wegen der Glühlampe fragen." Er gab mir seine Adresse und wir verabschiedeten uns.

Auf dem Nachhauseweg dachte ich über Alexander nach. Dass er irgendwie von Anfang an so nett gewesen war. Und dass er sich, wie alle anderen, nicht durch mein gereiztes, lustloses Verhalten hatte abschrecken lassen. Und wie er gestrahlt hatte, als ich Glühwürmchen als Thema zugestimmt hatte. Ich verstand nicht, wie man solchen kleinen Flatterdingern so viel Hingabe entgegenbringen konnte. Und ich beschloss, ihn morgen danach zu fragen. Eigentlich war er ja ganz nett.

Am nächsten Tag irrte ich durch Alexanders Wohnviertel, das gar nicht so weit von meinem entfernt war. Die Häuser waren schlicht, aber sie strahlten irgendwie Geld und Eleganz aus. Das meiste waren Neubauten. Da gefiel es mir in meinem Viertel besser, wo lauter alte, große Villlen standen, mit Stuck an den Wänden, verschnörkelten Geländern an den Balkonen und großen Gärten hinter den Häusern. Das Haus meiner Familie war ziemlich groß ( kein Wunder, wenn sieben Personen darin wohnten) und aus beigem Sandstein gebaut, mit taubenblauen Fensterläden. Alexanders Haus, das ich endlich erreicht hatte, war das komplette Gegenteil: Dunkles Holz wechselte sich mit großen Fensterfronten ab, und irgendwie kam es mir sehr unpersönlich vor. Fast schon einschüchternd. Ich stieg fünf stufen zur Haustür hoch und klingelte. Ein junger Mann öffnete die Tür, der eigentlich nur Christoph sein konnte, so ähnlich sah er Alexander mit den gleichen blonden Haaren und grünen Augen. "Hi", sagte ich etwas unsicher, "ich bin Nadja aus Alexanders Klasse und wir wollten heute ein Projekt machen..." "Bin schon da", erscholl es aus einem Nebenzimmer und Alexander kam zur Tür. "Hi, Nadja, komm rein." Wie immer strahlte er, als hätte er gerade ein Lob vom Zahnarzt für seine schön geputzten Zähne bekommen oder so. Anders konnte ich mir dieses Gegrinse nicht erklären. Er schob mich in einen Raum, der nach Esszimmer aussah und wo alle Sachen, die wir gestern gekauft hatten, schon auf einem großen Tisch lagen. "Willst du was trinken?", bot er an. "Tee, Kaffee, Wasser, Saft, Cola..." "Tee reicht", unterbrach ich grinsend seinen Fluss. Doch er machte weiter: "Grüntee, Früchtetee, Kräutertee, Schwarztee?" "Schwarztee", sagte ich etwas perplex, und er fügte sofort hinzu: "Assam, Darjeeling, Earl Grey, Vanillearomea, Orangenaroma?" "Wenn ich jetzt antworte", fragte ich vorsichtig, "kommt dann noch mehr?" "Nein", grinste Alexander, "das wars." "Dann Earl Grey", sagte ich, woraufhin er mit einem schwungvollen "Kommt gleich" in der Küche verschwand.

Zwei Stunden später hatten wir zumindest das Drahtgestell schon fertig. Vor mir stand meine vierte Tasse tee, vor Alexander die fünfte Tasse Kaffee. Wir besserten weitgehend schweigend kleine Fehler aus. Schließlich begann Alexander zögerlich: "Nadja?" "Hm?" "Kann ich dich was fragen?" "Machst du doch grad eh schon. Also?" "Warum bist du immer so... so alleine und schlecht drauf und so? " Ich erstarrte über meiner Arbeit. "Das ist... 'ne lange Geschichte..." "Ich hab Zeit. Also", fügte er hastig an, "falls du es erzählen willst." Ich überlegte.

Sollte ich?



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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 11, 2015 ⏰

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