Kapitel 7: Der Unbekannte

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Nachdem ich mich noch etwas gesonnt hatte und die wunderbare reine Luft in meine Lungen aufgesogen hatte ging ich in meine Zimmer und erkundete jede Ecke ganz genau.
Links von der Eingangstür stand auf einem erhöhten Podest das große Himmelbett. Man musste zwei niedrige Stufen hinaufgehen um es zu erreichen. Von diesem Bereich aus konnte man auch auf den Balkon gelangen. Im unteren Teil des Zimmers stand rechts an der Wand der Waschtisch mit dem Spiegel. Direkt daneben, gegenüber des Eingangs stand ein großes altes Bücherregal mit einer riesigen Auswahl an Lexika und Sagen und Fabeln.
Ich ging durch die Tür, die sich zwischen dem Regal und dem Spiegel befand und betrat ein riesiges Badezimmer.
Die Badewanne war in den Boden eingelassen worden. Es war gefüllt mit heißen Wasser. Verlockender Schaum, der Wolken ähnelte schwebte auf dem Wasser.

Ich hatte schon lange kein Bad mehr genossen und noch länger war es her, dass ich in so prunkvollen Gemächern gewesen war. Ich konnte es kaum erwarten in das Wasser zu steigen und alle Sorgen für einen Moment wegzuspülen.
Gerade wollte ich mich meiner Kleidung entledigen, als es an der Tür klopfte. Ich erwartete das es die Dienerinnen sein mussten mit der versprochenen Rüstung und rief ein "Herein" dem Eingang zu und wandte mich wieder ganz dem Wasser zu.
Ich vernahm das leise Aufschwingen der Tür, aber weiter geschah nichts. Verwirrt drehte ich mich um und wäre beinahe vor Schreck rückwärts in das Becken gefallen, wenn der junge Mann mir gegenüber mich nicht festgehalten hätte.
Innerhalb von weniger als einer Sekunde war er wie durch den Raum geflogen und zog mich am Arm wieder nach vorne.
Doch nicht seine Schnelligkeit war es, die mich nun schockte sondern sein aussehen.
"Du?!", brachte ich gerade so hervor. Er ließ von mir ab und trat ein paar Schritte zurück.

"Prinzessin Salira, es tut mir leid. Ich wollte euch nicht so erschrecken. Aber ich dachte, dass meine Schwester euch gesagt hätte, dass ich euch hier aufsuchen würde..."
Er machte eine kurze Pause. So als würde er erwarten, dass ich etwas erwiderte. Doch ich konnte nur auf seine fast weißen Haare starren und seine wunderschönen blauen Augen erkunden.
Er war es. Er war es wirklich. Der schweigsame Mann aus den Verließen. Mein Engel in den dunkelsten Stunden. Er war so unwirklich erschienen. Doch jetzt stand er vor mir. Groß, schlank und mit einem zuckersüßen Grinsen.

Nervös zupfte er an seinem weiß hellblauem Gewand herum. Alles an ihm erinnerte mich an Skylar.

Endlich brach er die fast unerträgliche Stille: "Wenn ich mich nun richtig vorstellen darf: Mein Name ist Pyero von Alayron. Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen. Also ich meine nun endlich richtig. Das in dem Kerker war ja...."
Er brach mitten im Satz ab. Wusste anscheinend nicht mehr weiter.

Also nahm ich das nun in die Hand, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. Ich nickte ihm zu: "Die Ehre liegt auf meiner Seite. Ich weiß gar nicht wie ich euch jemals danken soll für eure Hilfe."

"Das müsst ihr nicht. Es war mir eine Freude. Nicht nur weil ich Nevary damit Schaden konnte... Nein, wunderschöne junge Frauen in Not lässt man nicht alleine." Er grinste und zwinkerte mir zu.
Bei jedem anderen hätte ich das für eine billige Schleimerei und Anmache gehalten, aber bei ihm war es einfach... schmeichelnd.

"Ich wäre euch auch sehr verbunden, wenn das unter uns bleiben würde. Meine Schwester hält zwar nicht zu ihrem Ehemann, würde es aber auch nicht gerade begrüßen, wenn ich so ein Wagnis einginge." Er lächelte verlegen.
Doch ich nahm ihm jede Angst.
"Natürlich. Da könnt ihr euch ganz auf mich verlassen. Ich werde schweigen wie ein Grab."

Sein Lächeln wurde noch breiter. Dankend sah er mich an. Da wurde mir bewusst wie stark er von seiner Schwester beeinflusst werden musste. Sie war die Königin und es lediglich ein Prinz. Vermutlich war er noch niemandem versprochen worden und musste sich daher an seine Schwester halten, um so ein gutes Leben am Hof leben zu dürfen.
Daher wollte er seine Schwester nicht verstimmen oder gar hinter ihrem Rücken handeln.

Schweigend sahen wir uns an. Verdammt ich wusste nichts mehr um die Situation aufzulockern.
Zum Glück klopfte es genau in diesem Moment erneut und diesmal waren es zwei Dienerinnen, die einige Kisten in den Raum trugen. Als sie Pyero erkannten verbeugten sie sich rasch und dann noch einmal vor mir, als ich aus dem Bad trat.
Merkwürdig war, dass der Knicks vor Pyero deutlich flüchtiger war, als der vor mir. Ich musste hier sehr angesehen sein, was ich ehrlich sehr überraschte. Schließlich war ich Jahre lang verschwunden und hatte mich versteckt, anstatt meinem Volk zu helfen. Nun war Nuvyenne verlassen. Es gab nur noch einige kleine Dörfer in denen selbsternannte Könige regierten. Keine Adelsfamilie hatte mehr Einfluss seitdem Nevary meine Eltern, die Drachen und viele andere ermordet hatte.
Kein Wunder also, dass er sich hier eine Frau genommen hatte. Denn so hatte er wieder ein Volk, welches es unterjochen konnte.
Durch seine Macht traute sich keiner etwas zu unternehmen.
Die Hoffnung ruhte nun anscheinend alleine auf mir, was mich sehr beunruhigte.

Pyero verabschiedete sich eilig und ließ mich mit den beiden Zofen alleine.

Zuerst badete ich ausgiebig. Währenddessen räumten die zwei meine Zimmer auf, schürrten den Kamin an, der um eine von mir noch nicht entdeckten Ecke lag.
Anschließend ließ ich mich vor dem warmen Feuer nieder.
Die Dienerinnen zeigten mir meine neuen prunkvollen Kleider und die Rüstung, die ich ab morgen tragen würde.
Ich fühlte mich sehr unwohl. Es war schon sehr lange her, dass ich so bedient worden war. Ich hatte mich daran gewöhnt alles selber zu machen. Nun musste ich gar nichts mehr machen.
Schließlich entließ ich die zwei in ihren Feierabend, als sie mir die immernoch schmerzende Bauchwunde neu verbunden hatten.

Noch lange blieb ich auf dem kleinen Sofa am Kamin liegen und betrachtete die kleinen Flammen, die erbarmungslos das Holz verschlangen. Sie erinnerten mich an meinen Bruder. Er war genauso zerstörend und erbarmungslos. Einen Unterschied gab es jedoch. Das Feuer war nützlich. Es wärmte. Doch mein Bruder schadete allen nur.
Er musste weg und es war an mir eine Lösung zu finden.

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