Das Erbe der Skogamor

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Alma sprang auf und rannte zu Freja, doch Freja war schneller. Sie stürmte zur Tür und spürte dabei, wie die Skogamor in ihr ihre Fesseln sprengte.
"Lebe wohl, Mutter", flüsterte sie.
Dann wurde sie von der Dunkelheit erfüllt. Das Stück ihres Bewusstseins, dass das Mädchen Freja, die Tochter von Alma gewesen war, wurde verdrängt, eingesperrt in einen Käfig aus Dunkelheit.
Sie ließ ein raues Lachen erklingen. Ihre Gestalt konnte sie noch nicht ändern, dazu musste sie in den Wald. Doch ihre Augen leuchteten hell auf, als sie Alma ein letztes mal ansah.
Alma schluchzte auf, stolperte, fiel hin, während Freja aus der Tür auf den Wald zu rannte.
"Neeeiiin!!", schrie sie mit von Trauer verzerrter Stimme.
"Freja, mein Kind, mein Schatz, mein Ein und Alles! Geh nicht! Oh bitte, geh nicht... Es ist alles wahr... Bei Hel, die Geschichten sind wahr! Warum? WARUM NUR??!!"
Freja warf noch einen Blick über die Schulter und sah, wie sich Alma hochrappelte, wieder stolperte, wieder stürzte. Sie lachte. Diese Frau hatte ihr gute Dienste erwiesen. Nun brauchte sie sie nicht mehr. Jetzt war sie bereit. Sie war bereit, ihrer wahren Mutter gegenüber zu treten. Sie war bereit, das Erbe anzutreten.

Sobald sie den Wald betrat änderte sich ihre Gestalt. Sie spürte, wie ihre Kraft wuchs, spürte das Reservoire an Macht in den Bäumen um sich herum. Sie lachte, als sie die düstere Melodie des Liedes in ihrem Kopf hörte, dass ihr Macht gab. Sie breitete die Arme aus und lies das Lied über ihre Lippen dringen. Licht brach aus den Bäumen hervor und strömte in den Kristall in ihrer Stirn. Sie spürte das Pulsieren der Energie und leitete sie um. Ihre Gestalt verschwamm, als ihre Bewegungen schneller wurden und sie mit übermenschlicher Geschwindigkeit durch den Wald rannte. Der Wald machte ihr Platz. Sie hatte freie Bahn.

Irgendwann, als sie tief im Herzen des Järnskogen war, tiefer als sie jemals zuvor gewesen war, hielt sie an und berührte einen der Bäume. Der Wald wollte ihr etwas mitteilen, und sie gab ihm Gelegenheit dazu.

Willkommen, Ssssshhkogamor, raunten die Bäume.

Die Zzzzsssheit issshht rrrreif. Komm, trrrrriff unsssshherrre Meisssshhterrrrin!

Es gab einen Lichtblitz und der Wald transportierte Freja tiefer in sein Inneres.
Als sie wieder etwas sehen konnte befand sie sich auf einer kleinen Lichtung. Hell war sie allerdings nicht, denn die gewaltigen Kronen der riesigen Bäume mit dem eisenharten Holz überdeckten sie komplett. In der Mitte der freien stelle befand sich ein Thron aus knotigem Holz und Blättern.
Darauf befand sich ein zusammengesunkenes Etwas.
"Tritt näher, Kind", forderte sie eine raue Stimme auf.
Freja befolgte die Anweisung und ging näher an den Thron heran.
"Mutter?", fragte sie.
"Ja, mein Kind, ich bin deine Mutter, zumindest zum Teil."
Freja befand sich jetzt nah genug an dem Waldthron, um die zusammengesunkene Gestalt näher zu betrachten.

Sie sah aus wie eine schwächere, kranke Version ihrer selbst. Sie war groß und hager, mit nachtschwarzen Haaren und silber leuchtenden Augen. Ihre Gesichtszüge unterschieden sich nur geringfügig von denen Frejas.
Der Kristall in ihrer Stirn war jedoch matt und glanzlos, ebenso ihre Augen. Ihre Haut war weiß, nicht grau und ihr Haar dünn und spröde. Es war nicht zu übersehen, sie lag im Sterben.
"Hör gut zu, meine Tochter, denn mir bleibt nicht mehr viel Zeit.", sagte die Skogamor.
"Dieser Wald trennt Midgard, das Reich der Menschen, von Asgard, dem Reich der Götter. Es ist ein wichtiger Wald. Wisse die Macht zu schätzen, die du in den Händen halten wirst! Dieser Wald ist mächtiger als alle anderen Wälder, du wirst also die mächtigste Skogamor der Welt sein. Nutze diese Macht! In diesem Wald kannst du Wesen erschaffen, die sonst nur Götter erschaffen könnten. Fordere die Götter trotzdem nicht heraus! Das ist das wichtigste, das du dir merken musst. Wir Skogamor sind mächtig. Als Skogamor des Eisenwaldes magst du dich manchmal wie ein Gott fühlen. Doch die Asen stehen über uns und können uns jederzeit vernichten. Lass unser Geschlecht nicht aussterben. Dieser Wald muss im Besitz unserer Linie bleiben."
Die Skogamor - Frejas Mutter - hustete lange und ungesund.
"Ich sterbe, Freja. Das letze, was ich dir sagen möchte, ist, wer deine Mutter war, wer ich war. Ich bin Yggdra, Nachkomme der Skogamor des Weltenbaums Yggdrasil, Skogamor des Järnskogen für die letzten zweihundert Jahre. Kein Mann konnte mir widerstehen, ich hatte viele hübsche Töchter. Doch du, Freja Yggdradottir bist die hübscheste und die einzige, die zählt. Halte mein Erbe in Ehren."
Damit tat Yggdra einen letzten, röchelnden Atemzug, dann war sie tot.

Ihr Körper begann, silbrig zu schimmern. Licht umfloss sie, während ihre Gestalt sich änderte. Kurz saß in dem Thron eine wunderschöne, junge Frau mit roten, langen Haaren, einem wunderschönen, kurvigen Körper und waldgrünen, mandelförmigen Augen. Dann verblasste ihr Körper und der Thron war leer.

Freja stimmte in das Lied des Järnskogen ein, als sie sich auf den Thron setzte.
Sie spürte, wie eine ungeheure Macht sie durchflutete, und der Kristall auf ihrer Stirn leuchtete hell auf. Silbriges Licht umspielte sie und Freja formte es nach ihrem Belieben.

Willkommen Zzzzssshhuhause, Freja Yggdrrrrradottierrrr

Diese Nacht wurden die Dörfer am Waldrand von schrecklichen, menschengroßen Wölfen heimgesucht, die auf den Hinterbeinen liefen und mit schrecklichen Klauen kämpften.

Einige behaupteten, sie hätten ein schauriges Lied tief aus dem Inneren des Järnskogen gehört.


The Changeling - Die Magie des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt