*** Marvin und Jonas ***
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Marvin und sein bester Freund Jonas zwischen den Bäumen hindurch auf eine kleine Lichtung traten. Die Vögel zwitscherten und in der Luft konnte man schon den sich ankündigenden Sommer riechen.
Die beiden kamen regelmäßig her, um sich vom Alltagsstress zurück zu ziehen. Was im Klartext hieß: sie wollten den wachsamen Augen ihrer Eltern entkommen. Mindestens einmal die Woche kamen die beiden inzwischen an diese Stelle.
In dieser Ecke des Waldes wurden regelmäßig Bäume gefällt und einige Baumstämme lagen immer herum. Sie setzten sich auf zwei ältere Exemplare, an denen schon Grün emporrankte. Jonas kramte in seiner Hosentasche herum und förderte das Objekt ihrer Begierde zu Tage.
Schon bald sollte sich ein weiterer Stummel zu dem beträchtlichen kleinen Haufen von Joints gesellen, den sie neben dem Baumstamm gebildet hatten. Marvin warf seinem Freund das Feuerzeug zu und schon leuchtete eine kleine Flamme auf, die sich hungrig ins Papier frass, um an den Pot zu kommen.
"Wo hattest dus diesmal versteckt?" Marvin wusste, dass Jonas Mutter alle paar Tage mal durch dessen Zimmer ging, um zu 'putzen', wie sie es nannte. Bei einer ihrer früheren Putzaktionen hatte sie 'rein zufällig' Jonas Gras in seiner Socke zwischen den ausgemusterten Wintersachen entdeckt, die während der wärmeren Jahreszeiten im untersten Fach des Kleiderschrankes verwart wurden.
Es hatte einen riesen Aufstand gegeben und Jonas Eltern waren seitdem noch misstrauischer. Da seine eigenen Eltern noch extremer auf solche 'medikamentösen Mittelchen' reagieren würden, blieb den beiden aber nichts anderes über, als den verbotenen Stoff weiter bei Jonas zu verstecken.
Dieser sog den Rauch tief ein und behielt ihn eine Weile im Rachen, ehe er ihn sprechend wieder ausatmete.
"Im Briefumschlag unterm Schreibtisch. Aber ich schwöre dir, das ist keine langfristige Lösung. Was weiß ich, woher sie diese Nase hat, aber die riecht das Zeug zehn Meter gegen den Wind!" Marvin schüttelte den Kopf und nahm den Joint entgegen.
"Vielleicht sollten wirs doch mal bei mir versuchen."
"Damit du aufs katholische Internat geschickt wirst, wenn dein Dad es findet? Nee lass mal, ich find schon ne neue Ecke, ums vor der Schnüfflerin zu verstecken." Marvins Vater war Pastor und hielt nichts von den Genüssen des Lebens.
"Es wär n evangelisches Internat."
"Gibts sowas überhaupt?"
"Keine Ahnung. Ich wills hoffen- wenn der Fall der Fälle eintritt, ist das meine einzige Hoffnung! Wie soll ich sonst jemals wieder zum Schuß kommen?" Das brachte beide zum Lachen und Jonas zog erneut am Joint.
"Vergiss es! Selbst an so nem evangelischen Dings gibts sicher keine Mädels! Wenn du Glück hast, ist ne Mädchenschule direkt im Ort nebenan." Marvin verzog das Gesicht.
"Oh shit! Die sind alle in so kleinen Käffern, oder?"
"Jup, definitiv. Das ist dein Ende, Mann!" Er war gerade dabei, sich das Szenario auszumalen, als Marvin dankbar einfiel, dass er sich darüber noch keine Gedanken zu machen brauchte.
"Sag an. Was geht jetzt eigentlich mit Margo und dir?" Wechselte er das Thema und hoffte auf Einzelheiten.
"Hat sich erledigt."
"Was? Warum das? Du hast ne Woche lang von nichts anderem geredet! Ist sie vergeben?" Lachend schüttelte Jonas den Kopf und liess Rauch zwischen seinen Lippen hervorquellen, die er zu einem vielsagenden Lächeln verzog. Er zwinkerte seinem Kumpel zu und liess den Joint erneut den Besitzer wechseln.
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Im Blick des Todes
Fantasy"Der Tod betrifft uns nicht. Solange wir da sind, ist er nicht; und wenn er da ist, sind wir nicht mehr."