Ende der Unterdrückung

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Ich sah seinen leblosen Körper dort liegen. Ich konnte es einfach nicht fassen. Ich, die jüngste Tochter des ärmsten Bauerns unseres Dorfes, hatte den Prinzen umgebracht. Dabei war ich doch bis vor ein paar Minuten noch die Unschuld in Person gewesen. Ich konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Doch nun hatte ich dem Prinzen meinen kleinen Dolch ins Herz gerammt und ihn noch ein paar mal herumgedreht, damit ich sicher sein konnte, dass er dies nicht überlebte.

Ich konnte mich vor Schock einfach nicht bewegen. Doch nun merkte ich, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und sie leicht drückte. Ich drehte mich um, damit ich in die smaragdgrünen Augen meines Bruders sehen konnte. Ich sah Traurigkeit, Entsetzen, aber vor allem auch Stolz in ihnen. Ja, mein Bruder hatte wirklich allen Grund, stolz auf mich zu sein. Nun nahm er meinen Arm und zog mich langsam hoch und in eine Umarmung. Sie tat so gut nach der schweren Zeit. Nun konnte und brauchte ich nicht mehr stark wirken. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf und ließ einfach alle angestauten Gefühle heraus. Mein Bruder strich mir währenddessen behutsam über den Rücken und redete mit ruhigen Wörtern auf mich ein. Er ließ mir die Zeit, die ich brauchte, und dafür war ich ihm sehr dankbar.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, entzog ich mich langsam der Umarmung, sah meinen Bruder mit einem dankbaren Lächeln an und drehte mich dann in die Richtung des toten Prinzen. Ich kniete mich neben ihn und zog mit einem kräftigen Ruck meinen Dolch aus seiner Brust. Eigentlich war es schade, dass er mit so jungen Jahren hatte sterben müssen, doch er hatte den Menschen zuviel Unrecht angetan, sodass es keine andere Möglichkeit gegeben hatte, als ihn zu töten. Ich erhob mich, sah ihn noch ein letztes Mal an, bevor ich mich meinem Bruder zuwandte und nickte, damit er wusste, dass wir gehen konnten.

Wir liefen mit großen, aber doch langsamen Schritten über die Lichtung, auf der der Kampf stattgefunden hatte. Mein Bruder und ich waren die Einzigen, die es geschafft hatten, bis zum Prinzen vorzudringen, und auch die Einzigen, die überhaupt überlebt hatten. Ich versuchte mir die ganzen Toten nicht anzusehen, doch es ging nicht. Viele von ihnen hatten Kanonenkugeln durch den Kopf gechossen bekommen oder durch den Bauch. Manchen fehlten auch Arme oder Beine oder der Kopf hing nur noch an ein paar Fetzen am Körper. Manche waren auch so gemein gewesen und hatten den Rücken mit einem sauberen Schnitt entlang der Wirbelsäule aufgeschnitten, um anschließend die Wirbelsäule herauszureißen und sie unachtsam neben den Körper zu werfen. Ich verstand die Menschen einfach nicht, wie konnte man soetwas nur freiwillig machen? Ich war damals gezwungen worden, zu gehen, weil sie dachten, ich könnte den Prinzen besänftigen. Doch dem war nicht so gewesen. Ich hatte alles nur noch schlimmer gemacht.

Mein Bruder und ich erreichten nach einiger Zeit das Ende der Lichtung und gingen ohne uns noch einmal umzusehen in den Wald hinein, welcher der direkte Weg zu unserem Dorf war. Ich blickte durch die Bäume und Blätter auf den wohl schönsten Sonnenuntergang, den ich je gesehen hatte, und war froh, dass nun endlich alles Grausame ein Ende gefunden hatte. Ich sah zu meinem Bruder, welcher mich lächelnd anblickte. Ich strahlte zurück, ließ mir von ihm den Arm um die Schultern legen und wir gingen nach Hause.

Hey,
Danke, dass ihr das hier gelesen habt. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr würdet mir einen riesen Gefallen tun, wenn ihr bei meiner Beta-Leserin vorbeischauen würdet. Sie heißt auf Wattpad Einfach_Da.
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LG

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