16 - [Der Morgen danach]

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Am nächsten Morgen wachte ich mit schrecklichen Kopfschmerzen auf. Es dauerte etwas bis ich mich an gestern Abend erinnern konnte. An Kates Absage, Drew, den Alkohol und Matt. Die Zeit mit ihm hatte ich wieder etwas klarer in Erinnerung. Wir hatten uns ein paar Meter vom Kletterfelsen hingesetzt und die Jungs beobachtet.

"Siehst du den Blonden? Jake. Er hatte mal was mit dem der gerade gesprungen ist. Kaum hatten sie sich getrennt, war er Stammgast auf Demos gegen Schwule. Er hat seinen Ex anscheinend absichtlich bei seinen Eltern geoutet. Die waren da total dagegen, sodass er es seitdem verleugnet. Ich seh aber genau, wie er die anderen im Gedanken auszieht. Er ist leider nicht mein Typ." Matt hatte gelacht und den Kopf geschüttelt. Das war nur eine seiner Geschichten gewesen.

Eigentlich war es echt lustig mit Matt gewesen. Eigentlich. Er hatte witzige Dinge erzählt und sich über die anderen lustig gemacht. Wenn nur nicht immer diese eine Stimme in meinem Hinterkopf herumgespukt hätte. Die vielen heißen Jungs waren die ganze Zeit nur eine Nebensache gewesen. Tief in mir wollte ich immer an etwas anderes denken. Mein Kopf blieb dann einfach leer weil ich wohl zu betrunken war um mich darauf zu konzentrieren.

Um etwa 8:00 klopfte es an unserer Tür. Keiner bewegte sich und heute würde bestimmt nicht ich diejenige sein, die aufstehen würde. Die anderen beiden waren noch wach gewesen als ich heimkam, daher wussten sie in welchem Zustand ich gerade war. Naja, eigentlich ging es mir außer den Kopfschmerzen nicht schlecht, aber das musste keiner wissen.

Das Klopfen wurde immer lauter und eine genervte Stimme ertönte. "Wenn ihr nicht bald auf macht, muss ich sie aufbrechen und wenn mir dann ein Nagel abbricht, dann seit ihr aber..."

Matt.

Müde warf ich die Decke zur Seite und stand auf. Im ersten Moment war mir etwas schwindelig, sodass ich mich am Bett festhalten musste. Ich blinzelte ein paar Mal und wartete bis ich wieder alles klar sah bevor ich zur Tür stolperte und wie wild am Schloss herumhandwerkte.

"Geht's vielleicht ein bisschen schneller?!"

Schweigend drehte ich den Schlüssel und Matt stolzierte herein.

"Oh, Scarlett! Mit dir hätte ich heute nicht gerechnet." Matt kicherte und setzte sich auf einen Stuhl. "Tja, auch schön. Ich hatte heute vor mit Mag zu mir nach Hause zu fahren. Da du ja schon wach bist, kannst du gleich mitkommen!"

"Ich geh lieber wieder schlafen."sagte ich und wollte mich in mein Bett liegen.

"Nein, nein, nein! Erst musst du noch Mag für mich wecken und mit mir über gestern Abend reden."

"Da gibt es nichts zu reden."stöhnte ich.

Matt lachte nur. Dann zog er den Vorhang auf. Erschrocken kniff ich die Augen zu. Ich war das grelle Licht nicht mehr gewohnt.

"Aaawww! Wer hat den...Dingens geöffnet?!" kam es von ober mir.

"Oh, schön, du bist wach. Komm doch gleich runter und mach dich fertig! Ich hab nicht ewig Zeit! Übrigens, das ist ein Vorhang."

"Neeeiiinn!!!" Ich hörte wie Tonia sich schreiend unter ihrem Kissen versteckte.

"Maaaag! Steh auf! Ich will schlafen!"schrie sie.

"Tonia, hör auf so herum zu schreien!" Ich hielt mir die Hand an den Kopf. Ich wollte gerade ins Bad gehen, als plötzlich eine schreiende Mag vor mir vom Bett fiel und so grusslig zu Lachen begann, dass man meinen konnte man wäre in einem Horrorfilm.  Augenverdrehend stieg ich über sie hinweg ins Bad, wo ich mich in Ruhe zu waschen begann. Aus dem Schlafzimmer waren beständig Schreie zu hören. Tonia schien nicht unter ihrer Decke hervor kommen zu wollen, solange Matt im Zimmer war und Mag schrie wie immer grundlos durch die Gegend.

Im Grunde ein normaler Morgen.

Als ich aus dem Bad kam, waren auch Mag und Tonia endlich wach. Matt wühlte in einer Reisetasche, die ich vorhin gar nicht bemerkt hatte. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und fragte "Was suchst du?"

"Etwas angemessenes zum Anziehen."

"Du bist doch schon so hübsch angezogenen."sagte ich und blickte an ihm hinab. Ich sah nichts unangemessenes an der blauen Shorts, dem schwarz-weiß gemusterten Hemd und der schwarzen Krawate.

Matt sah mich wie an als wäre ich ein fünfjähriges Kind und erklärte extra langsam "Nicht für mich. Sondern für euch."

"Warum?"fragte ich verwirrt.

"Meine Eltern legen Wert auf ein gewisses Niveau." Genervtheit und Verzweiflung schwangen in seiner Stimme mit. "Aber wie es aussieht werden wir wohl oder übel ein paar Läden abklappern müssen. Ich war ja nicht darauf eingestellt, dass ihr alle mitkommt."

"Ich komme aber nicht mit!"schrie Tonia, die sich mittlerweile ins Bad begeben hatte, eingewickelt in ihre Bettdecke.

"Dann geh ich halt nur mit Mag, Scarlett und meiner wunderschönen Kreditkarte hier." Er zeigte eine goldene Karte, die nach ziemlich viel Geld aussah.

Tonia spähte aus dem Badezimmer heraus und flüsterte staunend"Vielleicht komme ich ja doch mit."

"War klar, Lucy."

"Okay, ihr Süßen. Ich hole euch in einer halben Stunde ab." Matt warf uns ein Kusshand zu und verschwand mit einem Lächeln durch die Tür.

"Wie war denn eigentlich dein Date gestern?" Lucy warf mir einen koketten Blick zu. Meine Stimmung sank sofort um einige Kilometer.

"Das schaut nicht gut aus."kommentierte Mag.

"Sie hat mich versetzt." Ich schluckte hart. Ich brauchte ein paar Sekunden bis mir klar wurde, dass ich das eigentlich nicht so dramatisch sehen dürfte.

"Tja, dann hab ich einen süßen Jungen kennengelernt und den mit auf ein richtiges Date genommen." Ich setzte ein möglichst gelassenes Lächeln auf und schnapte mir ein T-Shirt.

"Warum hat sie dich versetzt?" Das wüsste ich auch gerne.

"Wer weiß. Ist ja auch egal." Ich zuckte mit den Achseln und ließ einen kleinen Lacher los. Das war jedoch nur Show. Am liebsten hätte ich mich heulend zurück ins Bett geworfen.

YellowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt