36 - [Traumzustand]

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Heute war der große Tag. Mein letzter hier beim See, mein letzter Schultag vor den Sommerferien und der Tag an dem der Ball stattfand. Ich hatte ein mulmiges Gefühl wenn ich über die nächsten 24 Stunden nachdachte. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so ergehen würde. Was war aus meinem Traum eines wundervollen Balls mit einem wundervollen, prinzenmäßigem Typen, in einem wundervollen Kleid geworden? Garnichts war wundervoll. Meine ganze Welt war zerrüttet. Weder wusste ich wer ich war noch was ich wollte. Ich konnte nur hoffen, dass der Tag schnell vorüberging und dass ich Kate nicht begegnete.

Überraschenderweiße hatte Mag heute morgen sogar Zeit mit mir zu frühstücken. Das verbesserte meine Stimmung ein wenig. Dieser Tag würde qualvoll werden. Ich konnte jede Unterstützung gebrauchen, die ich bekommen konnte.

"Wie geht's dir?", fragte Mag, obwohl sie meine Antwort bereits kannte.

"Naja, es geht schon." Ich blickte deprimiert in meinen Teller.

"Das wird schon wieder. Bis zum Heiraten wird alles wieder besser", lächelte sie bis sie merkte, dass das wohl nicht der aufbauenste Satz sein mochte. Ich lächelte zurück um ihr zu zeigen, dass es nicht schlimm war. Bis zur Hochzeit hatte ich noch nicht gedacht. Wenn dann würde ich es aber bestimmt nicht zugeben.

"Es ist nur so, dass ich mir schon alles so perfekt vorgestellt habe. Nicht unbedingt nur mein Date, sondern den ganzen Ball, mein Outfit, einfach alles, aber jetzt kann ich nichtmal dort hingehen. Ich hab echt alles vermasselt."

"Aber wer sagt denn, dass du nicht hingehen kannst oder wirst?", kicherte Mag als könnte sie es wirklich nicht verstehen. Ich sah sie irritiert an und schon hatte sie wieder ein ernstes Gesicht aufgesetzt.

"Du weißt, warum ich nicht zum Ball gehen kann...oder will."

"Ich meine ja nur, dass ich nicht glaube, du wirst widerstehen können. Es wird einen Grund geben, warum du gehen wirst", erklärte Mag und blickte auf ihre Uhr. Ich wusste ich würde keine Antworten mehr bekommen. Sie musste schließlich an ihrem Projekt weiterarbeiten.

Trotzdem fragte ich, was sie damit meinte. Wie erwartet war sie einen Augenblick später auch schon weg.

Als ich gerade wieder zurück ins Mädchenwohnhaus gehen wollte, erkannte ich Matt in einer kleinen Gruppe. Ich machte kehrt und schlenderte auf sie zu.

"Hi", lächelte ich und umarmte Matt zur Begrüßung. Sofort fühlte ich mich etwas besser.

Matt stellte mir ein paar seiner Schulkollegen vor. Daran wie schnell wir uns von ihnen ertfernten, merkte ich, dass es wohl wirklich nur Kollegen und keine Freunde waren.

Nach kurzem Überlegen beschlossen wir zum See zu gehen.

"Kommt es nur mir so vor oder sind alle unsere Freunde in den letzten Tagen kaum erreichbar?", fragte ich und spielte wieder mit meinem Armband.

"Findest du auch? Das ist mir ebenfalls aufgefallen. Schon seit Tagen versuche ich Elliott zu überreden mit mir diesen neuen Comicladen anschauen zu gehen, aber er ist einfach immer beschäftigt", beschwerte sich Matt.

"Ja total. So geht es mir mit Mag und nun mit Tonia auch." Ich seufzte und schüttelte verwirrt den Kopf. "Wenigstens bin ich nicht allein."

"Hast du denn darüber nachgedacht, dass sie vielleicht etwas für uns organisieren könnten?"

Matt fuhr sich nachdenklich durch sein Haar.

"Nein, nicht wirklich. Das würde nur in einer Enttäuschung enden...so wie alles in meinem Leben", flüsterte ich und starrte auf das Gras unter meinen Füßen.

"Jetzt mach dich doch nicht lächerlich!", sagte Matt und zog schmunzelnd die Augenbrauen hoch. "Kleine Liebesprobleme sind doch normal. Nur weil du einmal nicht bekommst, was du willst, heißt das nicht, dass dein Leben so schlecht ist."

Mit offenem Mund drehte ich mich zu Matt. Ich hatte ganz vergessen wie gemein er sein konnte. Im nächsten Moment mussten wir beide schmunzeln.

"Du benimmst dich wie ein reicher Schnössel und das wäre ja eigentlich meine Rolle", setzte er noch oben drauf, sodass ich nun wirklich lachen musste.

"Wo du recht hast, hast du recht", stimmte ich zu, was mir einen gespielt empörten Blick einbrachte.

Matt und ich saßen noch einige Stunden am See. Wir gingen nie ins Wasser oder standen überhaupt auf. Dazu waren wir nicht in  der Stimmung. Obwohl wir eine gute Zeit hatten, blieb unsere Laune doch betrübt. Weder für Matt noch für mich war das heute ein guter Tag. Matt mochte sein Date nicht, musste aber mit ihr zum Ball gehen, ich mochte mein Date, konnte jedoch nicht mit ihr zum Ball gehen. Es war hoffnungslos.

Als wir uns also ein paar Stunden vor dem Ball wieder trennten, waren wir beide schlecht drauf.

Sobald ich allein war, musste ich an Kate denken. Das hatte ich zwar schon vorher, aber jetzt umso mehr. Ob sie auf das Date gegangen war und wenn ja, alleine oder hatte sie jemanden mitgenommen? Dean war wohl ausgeschieden, aber warum? Wahrscheinlich war sie mit Jamie,  Mag und Tonia gegangen. Kein Wunder, dass sie alle nicht da waren. Am liebsten hätte sie wohl auch Mercedes mitgenommen, aber die hatte ja selbst ihr Date. Sie waren auf eine Autoschau gegangen. Kam mir auch recht passend vor.

Ich konnte es nicht fassen. War es denn möglich, dass meine besten Freundinnen mich hintergingen? Ich lief so schnell ich konnte. Nicht schon wieder wollte ich in einer Ecke sitzen und heulen. Ich bevorzugte eindeutig mein Bett. Ein paar Mal begegete ich Mädchen, die von Zimmer zu Zimmer eilten um Schuhe und Schmuck mit ihren Freundinnen zu tauschen. Ich fiel also nicht auf.

Als meine Zimmertür in Sicht kam, zögerte ich. Normalerweiße müssten Mag und Tonia sich gerade fertig machen für den Ball. Ich sah auf meine Uhr. Ich hätte das Zimmer erst in etwa einer Stunde für mich. Vor der Tür zu warten hat erst recht keinen Sinn.

Ich holte tief Luft und öffnete die Tür. "Hallo!", rief ich möglichst neutral. Ich wollte Mag und Tonia nicht den Abend ruinieren auch wenn sie mich verletzt hatten. Im selben Moment in dem ich das Zimmer bertat, wusste ich, dass sie mir nie mit Absicht weh getan hätten.

Im machte mich also bereit Mag und Tonia zu umarmen als Zeichen, dass es mir Leid tat jemals schlecht über sie gedacht zu haben, obwohl sie natürlich nicht mal wussten, dass es so war. Doch der Raum war leer. Auch aus dem Bad hörte ich keine Geräusche.

Verwirrt sah ich mich im Raum um. Jetzt hatte ich das Zimmer doch für mich, aber kein Bedürfnis zum Weinen mehr. Planlos sah ich zu meinem Bett.

Mir stockte der Atem. An meinem Bett hing ein orangegelbes kurzes Cocktailkleid. Es war exakt mein Stil. Langsam ging ich darauf zu und streckte die Hand danach aus. Der Stoff fühlte sich an wie reine Seide, obwohl mir bewusst war, dass es das nicht war. Der V-Ausschnitt war mit goldenen Stickereien verziert und der Rock zart ausgestellt. Mir stand der Mund offen. Was ich sah, war mir unerkärlich. Es war wie ein Traum.

YellowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt