Kapitel12

5.5K 302 10
                                    

Die Duchess. Jetzt war es vorbei mit der Ruhe. Sebastian stand auf und ging zur Tür, die er aber nur einen Spalt breit öffnete. Niemand sollte seinen Master beim Schlafen zusehen können. Das war ein Anblick, der nur ihm allein gehörte. Misstrauisch sah Sebastian durch den Türspalt. Tatsächlich, davor stand Duchess Vivienne und grinste ihn an. Erleichtert stellte er fest, dass er - trotz des Grinsens - gerade vor der Geschäftsfrau stand und nicht vor der männersüchtigen Verrückten. "Na?", begrüßte sie den Butler fast schadenfroh. "Sind Sie und der Earl soweit, sich Ihre künftige Arbeit einmal anzusehen?"

"Wir sind sofort bereit. Einen Augenblick bitte." Sebastian schloss die Tür direkt vor der Nase der Duchess und drehte sich um, in der Absicht, Ciel zu wecken, aber dieser hatte sich bereits gähnend aufgesetzt und sah wirklich bemitleidenswert aus. "Seid Ihr sicher, dass Ihr das wirklich tun wollt, Bouchan?", fragte Sebastian ihn vorsichtig. "Ich stehe zu meinem Wort", grummelte der Junge missmutig. "Außerdem sollen wir uns heute doch erst einmal ansehen, was wir überhaupt tun sollen." Der Butler nickte nur. Wenn Bouchan das so wollte, würde er nichts sagen. Auch wenn es ihm immer noch nicht passte, was er vorhatte. Beide waren wahrscheinlich gleich schlecht gelaunt, als sie den Raum verließen und Ciel demonstrativ die überglückliche Begrüßung der Duchess ignorierte. Als sie sich schließlich auf den Weg nach unten machten, wurde das Grinsen der Duchess so unverschämt fröhlich, dass Sebastian sie am liebsten aus dem Weg geräumt hätte und mit Ciel getürmt wäre. Und wäre sie dem Jungen auch nur einen Zentimeter zu nahe gekommen, der Dämon hätte sie mit bloßen Händen ins Jenseits befördert. Er wünschte sich, den Arm beschützend um Ciel legen zu können, so wie es Matt bei Andrew getan hatte, um jedem eine deutliche Warnung mitzugeben, besser die Finger von dem zu lassen, was sein war. Es lag in der Natur eines Dämonen, besitzergreifend zu sein und Ciel verstärkte diesen Instinkt bei Sebastian auch noch um ein Vielfaches. War es da ein Wunder, dass selbst das Lächeln der Duchess für einen Moment erlosch, als die Gruppe im Erdgeschoß des Gebäudes vor einer dunkelblau gestrichenen Tür stehen blieb und sie Sebastians eisigen Blick auffing? "Ähm, also Matt und Andrew kennen Sie ja bereits", stotterte sie etwas nervös, an Ciel gewandt, aber Sebastian dabei misstrauisch aus dem Augenwinkel beobachtend. "Und die Kundinnen hinter dieser Tür sind nicht nur Stammgäste, sondern selbst hohe Adelige. Selbst wenn Sie erkannt werden, von diesen Kundinnen können Sie absolute Verschwiegenheit erwarten. Sie haben zugestimmt, Sie beide als Neuzugänge einen kurzen Blick in den Raum werfen zu lassen. Es gibt wirklich nichts zu befürchten." Hoffentlich, dachte Sebastian frostig, denn sonst begehe ich heute Nacht noch einen Mord. Da Ciel erstens todmüde und zweitens mal zur Abwechslung der optimistischen Ansicht war, dass es sowieso nicht mehr schlimmer werden konnte, ging er recht gelassen an die ganze Sache heran. Zumindest, solange es nur beim Zusehen blieb, konnte ja nichts Schlimmes passieren. Außer, dass man ihn zu lang von seinem zutiefst ersehnten Schlaf abhielt. Wie das aussah, wenn er erst einmal selbst auf der Bühne stand, Sebastians atemberaubende Hände auf seiner Haut, wollte er sich ausnahmsweise lieber nicht vorstellen. Es war keine gute Idee gewesen, auf das 'großzügige Angebot' der Duchess einzugehen, aber das wusste er ja schon. Endlich entschied sich Vivienne, dass er genug Bedenkzeit gehabt hatte und klopfte sachte an der blauen Tür, hinter der sich ihre Kundinnen befanden, wartete einen Moment und drückte dann die Türklinke herunter. „Dürfen wir kurz stören?", fragte sie höflich in den Raum hinein.

„Natürlich", drang eine rauchige Frauenstimme daraus. „Nur zu." Die Adelige öffnete die Tür nun ganz und trat ein, gefolgt von Ciel und Sebastian. Das erste, worauf der Blick des Earls fiel, waren die drei Kundinnen, die auf einer luxuriösen Couch saßen, mehr übereinander gestapelt als nebeneinander. Nur eine von ihnen, eine Frau etwa Ende zwanzig mit einer erstaunlichen glatten, blonden Haarmähne, saß aufrecht. Eine andere, ein paar Jahre jünger wirkende Frau hatte den Kopf auf den Schoß der Blonden gelegt, wobei sich ihre rotblonden Locken auf deren Knie ergoßen. Die dritte, dieses Mal eine brünette, südländisch wirkende Schönheit, lehnte mit dem Rücken an der Schulter der Mittleren. Das einzige, was alle drei Frauen gemeinsam hatten, war die Tatsache, dass sich ihr Bekleidungszustand wesentlich näher an nackt als an angezogen bewegte. Was für ein merkwürdiger Anblick, etwas verstörend für Ciel, dem das alles völlig neu war, aber trotzdem auf eine provokante Weise erotisch. Der Junge wurde rot bei seinen eigenen Gedanken. Würden die Frauen, die ihn zusammen mit Sebastian sehen wollten, genauso aussehen, sich genauso benehmen? Die Blonde lächelte ihn vielsagend an. „Ah, die neuen Rekruten", stellte sie überflüßigerweise fest. „Euch müssen wir auch unbedingt einmal ansehen, ihr gebt wirklich ein hübsches Pärchen ab, nicht wahr, Mädels?" Die 'Mädels' kicherten unanständig. Zum wievielten Mal hörte Ciel diesen Satz heute schon? Aber schön, dass er wenigstens gleich Kundschaft gewonnen hatte, wo er schon einmal in dieser Misere steckte. „Duchess, können Sie mir nicht den Großen mal nach Hause schicken?", fragte die Rotblonde, während sie den Blick ihrer blassblauen Augen über Sebastian wandern ließ. Vergiß es, Miststück!, knurrte Ciel in Gedanken. „Tut mir leid, aber die beiden sind nur Anschauungsmaterial", erwiderte Vivienne im Party-Geplauder-Ton. WAS bitte waren sie? „Wie schade. Seid wohl ein Paar, hm?", mischte sich die Blonde wieder ein. An dieser Stelle hörte Ciel auf, zu zählen, wie oft er das jetzt gehört hatte. Schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit auf die Szene, die sich auf der den drei Frauen gegenüberliegenden Seite des Raumes abspielte. Dort, genauer gesagt, hinter einer Glaswand, befand sich noch ein zweiter Raum, in dem sich nichts weiter befand als ein Bett – und zwei nackten, sehr beschäftigten Männern, die Ciel als Matt und Andrew wiedererkannte. Sie schienen nicht zu bemerken, was auf der anderen Seite der Glaswand geschah. „Eine tolle Erfindung, dieses Glas", erklärte die Duchess stolz. „Ich bin die erste, die es testen durfte. Von dieser Seite aus kann man zwar in den anderen Teil des Raumes sehen, aber umgekehrt sieht man nichts". Ciel hätte gerne irgendeine trockene Bemerkung gemacht, aber er war inzwischen vollkommen gefangen durch das Schauspiel, das sich direkt vor seinen Augen abspielte und dafür sorgte, dass seine Hose einer extremen Belastungsprobe unterzogen wurde. Matt lag mehr oder weniger passiv auf dem Bett und hatte die Arme um Andrews Hüften geschlungen,während der andere Mann rittlings auf ihm saß und sich von Zeit zu Zeit zu ihm herunterbeugte, um ihn in einen kurzen, aber leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln, wobei seine langen Haare bei jeder Bewegung über den Oberkörper des Anderen strichen. Die Szene war mit einem Wort ... aufregend. Oder doch eher erregend? Ciel hatte gar nicht mehr die nötige Gehirnkapazität frei, um sich zu schämen. Das Paar hatte für ihn nichts von seiner Faszination eingebüßt. Selbst jetzt, wo sie doch eindeutig aus Pflicht miteinander schliefen, waren die Gefühle zwischen den beiden fast greifbar. Der Earl fragte sich, ob er wohl jemals so offen zeigen können würde, was er empfand. Bisher hatte er Gefühle für eine Schwäche gehalten, aber Matt und Andrew bewiesen ihm mit jeder Sekunde, wie falsch er damit lag. Duchess Vivienne unterbrach seinen Gedankenfluß mit einem ihrer nervenden, aber leider notwendigen Kommentare. „So weit werden Sie nicht gehen müssen. Ich habe Sie einer harmlosen Kategorie zugeordnet. Sie können sogar weitesgehend bekleidet bleiben." Ciel nickte. Unter anderen Umständen hätte er auch niemals zugestimmt. Auch wenn er es bedauerte, keine Ausrede zu haben, um mit Sebastian bis zum Äußersten zu gehen, er hatte trotz allem immer noch seinen Stolz. Und der hatte schon genug gelitten. „Wir sollten dann mal lieber wieder gehen und die werten Damen die Show zu Ende genießen lassen ...", drängte die Duchess schließlich, die die ganze Zeit über die einzige gewesen war, die geredet hatte, mal abgesehen von der blonden Kundin. Wieder nickte Ciel bloß und folgte der Adeligen nach draußen. Sebastian, der sich immer noch in eisiges Schweigen hüllte, kam hinterher. „Wir werden sehen, wann Sie das erste Mal bestellt werden", plapperte Vivienne in ihrem geschäftsmäßig-fröhlichen Ton. „Wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen, wenn sich herumspricht, welche Schönheiten ich hier in meinem Geschäft zu bieten habe ..." Als ihr klar wurde, dass sie schon wieder in den Männerfang-Modus gewechselt hatte, errötete sie leicht. „Gut, dann wünsche ich Ihnen noch eine gute Nacht. Earl, Sebastian-san." Sie nickte knapp und wandte sich zum Gehen. „Ebenfalls eine gute Nacht", rief Ciel ihr der Höflichkeit wegen hinterher. Obwohl ihm ein 'Verreck doch' eher zugesagt hätte. Aber jetzt war sein einziger Gedanke, wie er am schnellsten in sein Bett kam. Endlich etwas Schlaf ...

____________

Ein Kapitel yay. Ich will gar nicgt so viel sagen. Meinungen werden wie immer gern gesehn und ich hoffe es hat euch gefallen.

Euer sam

Eine Teuflische Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt