Kapitel 1; Dawen

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Als ich ihn das erste Mal traf, wusste ich, dass er anders ist. Nicht dieses romantische Anders-Sein, das man in diesen Liebesgeschichten immer liest, sondern einfach Anders. So komplett fremd. Jemanden wie ihn hatte ich noch nie gesehen.
Und das nicht, weil er außergewöhnlich aussah. Er war weder außergewöhnlich hübsch, noch außergewöhnlich hässlich. Er redete nicht anders und er verhielt sich nicht anders, trotzdem wirkte er, als wäre er von einem anderen Planeten.
Dawen war einfach anders.

26.10 16:00

Es fing alles mit diesem blöden Geschäftsessen an, zu dem ich unbedingt mit musste. Mein Vater hatte sich das so in den Kopf gesetzt und wenn mein Vater sich etwas in den Kopf setzt, ist es beschlossene Sache. Da kann man nichts mehr ändern. Deshalb wusste ich auch sofort, dass ich verloren hatte. Mein Vater war die rechte Hand des Chefs und ich war sein Vorzeige Püppchen. Ohne mich, kein Geschäftsessen.

Aufgegeben hätte ich trotzdem niemals. Schließlich hatte ich einen gewissen Stolz.

Aber irgendwann wurde ich dann dazu gezwungen, aufzugeben. Wie immer eigentlich. Und genau das war auch der Grund, warum ich mir zwei Tage nach meinem Geburtstag, dem schrecklichsten Fest des Jahres, ein blödes Kleid kaufen musste.

»Lynn, das ist super «, schrie Alicia, meine beste Freundin, durch den ganzen Laden. Die Verkäuferin sah mich blöd an, aber sie sagte nichts. Besser so, meine Laune war sowieo schon auf dem Tiefpunkt, weil ich in diesem blöden Laden mit einem französischen Namen, ein Kleid einkaufen musste. Ich hasste Kleider. Und ich hasste Läden. Und französisch. Ich hasste französisch.

Ich verdrehte die Augen und stapfte zu Alicia hinüber. Sie winkte mit einem blauen Kleid in ihrer Hand, von dem ich schon jetzt wusste, obwohl ich es nur aus ein paar Meter Entfernung gesehen hatte, dass es viel zu kurz war. Deswegen ging ich nie mit Alicia shoppen, weil sie mir immer einen Hauch von Nichts empfahl. Warum hatte ich meine Meinung gleich nochmal geändert? Ach ja, um meinem Vater eins auszuwischen. Er hasste Alicia. Und ich hasste dieses Geschäftsessen. Also war es nur fair, dass ich mit einem Kleid, das Alicia ausgesucht hatte, auf dieses Essen ging.

Genervt griff ich nach dem Stoff und ließ es durch meine Finger gleiten. Mein Blick glitt zu dem Preisschild.

»Vergiss es«, sagte ich gepresst. »Das könnte ich mir nicht einmal leisten wenn ich im Lotto gewinnen würde, was ich niemals werde also - leg es zurück.« Mein Ton war bestimmend aber es war immer noch Alicia, mit der ich da sprach.

»Lynn, sei nicht so« , quengelte Alicia und hielt mir das Kleid hin. Durch ihr Gewackle sah es sogar noch kürzer aus, als es war. Ich fühlte mich auf einmal seltsam nackt.

»Außerdem ist es doch gut, wenn es viel kostet, schließlich bezahlt es dein Vater.«

Ich grinste, sie verstand mich. »Ich probier es an, aber wenn es zu kurz ist, was es sowieo ist, legen wir es zurück, verstanden?«

Sie nickte enthusiastisch. »Du wirst wunderschön darin aussehen, Lynn, du siehst in allem wunderschön aus.« Sie machte mir Komplimente. Schon wieder. Das tat sie dauernd. Immer wieder redete sie davon, wie schön meine Haare oder meine Haut waren. oder wie schön schlank ich war. Ich war anderer Meinung, hatte es mir aber abgewöhnt, sie zu verbessern. Gegen Alicia kam man einfach nicht an.

In der Umkleide hatte ich meine größten Probleme damit, das verdammte Kleid zu zu bekommen. Der Reißverschluss war wohl genau so angebracht, dass man jemanden brauchte, der einem half. Wie in diesen Filmen, in denen der Liebhaber den Reißverschluss extra langsam schloss und sie dabei auf den Hals küsste. Ich schauderte und verdrängte die Bilder. Sowas machte mich immer extrem nervös.

Der Spiegel in der kleinen Umkleide war zu nichts zu gebrauchen. Die Proportionen waren für den Arsch, man konnte nichts erkennen. Trotzdem musste ich zugeben, dass das Kleid nicht schlecht aussah. Wenn man quasi nackt gehen wollte, war das Kleid perfekt. Ich lächelte, irgendetwas an der Idee, meinen Vater damit zu ärgern, war unglaublich verlockend.

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