Kapitel 2; Orientierung

53 6 3
                                    

"Lies and secrets are like a cancer in the soul. They eat away what is good and leave only destruction behind."

26.10 22:30

Die Treppe nach oben, dann die dritte Tür links. Die Treppe nach oben, dann die dritte Tür links. Die Treppe nach oben, dann die dritte Tür links. Oder war es die zweite Tür? Verdammt.

Leise fluchend lief ich die riesige, gewundene Treppe nach oben und wiederholte in meinem Kopf die Wegweisungen, die Dawen mir gesagt hatte. Eigentlich war es nicht schwer zu merken, aber mein Kopf war immer noch verwirrt von Dawen und dem hasserfüllten Blick meines Vaters. und ja, vielleicht lag es ja auch daran, dass ich einfach mies darin war, mir Wege zu merken.
Okay, vielleicht war ich mehr als nur mies darin. Grottenschlecht traf es wohl eher.

Aber das konnte wirklich nicht so schwer sein. Ich musste ja nur diese verdammte Treppe nach oben, dann links abbiegen... oder war es recht gewesen? Wütend über mich selbst, weil ich so verdammt vergesslich war, lief ich die Treppe weiter nach oben und sah mich um, als ich oben angekommen war.

Dieses verdammte Haus war in Wirklichkeit ein Palast und das machte mir Angst, denn wie sollte ich mich in einem Palast zurecht finden, wenn ich schon Probleme damit hatte, den Weg in einem normalen Haus zu finden. Jede Türe mit den goldenen Verzierungen darauf, und ich war mir fast sicher, dass es echtes Gold war, mich wunderte schon gar nichts mehr, sah gleich aus und der Flur war so lang, dass ich nicht einmal das Ende sehen konnte.

Okay, ich konnte das Ende sehen, aber das spielte keine Rolle, er war trotzdem lang und mein Orientierungssinn schlecht. Genau deshalb stand ich jetzt hier oben und hoffte, dass irgendwer kam und mir half aber es kam niemand. Ich konnte von hier oben nicht mal die Leute aus dem Garten hören, ich fühlte mich einfach nur alleine.

Okay, Lynn, reiß dich zusammen, du gehst jetzt auf's Klo, wenn nötig suchst du alle Räume ab und dann gehst du zurück zu den anderen, redete ich mir selbst zu und drehte mich nach links. Ich war mir fast sicher, dass links die richtige Richtung war. Die Richtung, die Dawen mir genannt hatte.

Dawen.

Verdammt, ich musste die ganze Zeit an ihn denken. Was war nur los mit ihm? Er tauchte einfach auf und sprach mich an und... ja, was und? Er hatte nichts weiter getan und trotzdem fühlte es sich so an, als sei er total in meine Privatsphäre eingedrungen. Ich war dabei, den Verstand zu verlieren, das musste es sein. Das lag sicher alles nur an dieser Scheiß protzigen Villa und den reichen, unausstehlichen Schnöseln draußen im Garten die sich nur über Geld unterhielten. Ich hasste das. Ich hasste dieses Essen, diese dämliche Party. Ich wollte hier weg. Sofort.

Inzwischen war ich an der zweiten Türe links vorbeigelaufen und stand jetzt vor der Dritten. Wenn mich nicht alles täuschte, musste das die richtige Türe sein. Die könnten die Türen ruhig mal beschriften. Sowas wie: "Badezimmer" oder "Privat" würde mir sehr helfen. Nein, stattdessen sah hier alles so verdammt gleich aus. Gleiche Türen, gleiche reiche Leute, gleiche negative Gedanken.

Ich stieß die Türe mit einem Seufzer auf und erwartete schon fast, dass mir etwas entgegenfliegen würde, weil ich die falsche geöffnet hatte, aber nichts passierte und so konnte ich einen Blick in das Zimmer werfen.

Es war ziemlich klar zu erkennen, dass ich richtig war. Der Raum war fast komplett verspiegelt und auf einmal konnte ich auf jeder Seite mein Gesicht sehen. An einer Wand war ein riesiges Waschbecken, daneben eine Badewanne, die aussah wie ein Whirpool. Wahrscheinlich war es ein Whirpool, ich hatte keine Ahnung von sowas. Standen die Dinger nicht normalerweise immer draußen? Zumindest kannte ich es nur so, aus Filmen und Büchern. In echt hatte ich so ein Ding noch nie gesehen.

DawenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt