Abgestandene, warme Luft vermischt sich mit der kühlen von draußen. Vorsichtig stoße ich die Tür ein wenig weiter auf. Es ist so stickig in diesem Raum. Er muss ewig nicht mehr gelüftet haben. Ich trete herein. Drinnen stapeln sich Pakete und noch mehr Briefe. Unerledigte Arbeit, die lange keiner angerührt hat.
„George?", frage ich in den Raum herein. Es ist dunkel hier drinnen. Er hat alle Vorhänge zugezogen. Er ist nirgendwo zu sehen. Ich schließe die Tür hinter mir
Mein Blick sucht lange nach ihm. Doch er scheint nicht da zu sein. Auf meine Frage antwortet er nicht. „George Weasley?", rufe ich erneut. Stille, doch dann ein schwaches: „Hier." Ganz weit hinten im Raum.
Ich schlängele mich durch das Kistenlabyrinth im ehemaligen Verkaufsraum, in dem so viel Freude und Magie war. Alles eingestaubt. Die Liebestränke, um die sich damals Mädchen drängten, auch ich, als ich verzweifelt versuchte, Claiton Lists Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Jetzt ist auch er tot...
Das Feuerwerk, mit dem sie in dunkelster Zeit ein Lächeln auf mein Gesicht zauberten.
Die Kotzpastillen, mit denen jeder einer mal schwänzen wollte...
Alles verhangen von Staub und Spinnengeweben.
Allmählich sehe ich ein einzelnes Licht. Ich kämpfe mich dorthin vor. Ein Büro in einem Gang. Ich stoße die Tür auf.
Er sitzt da. Vor ihm eine Flasche Feuerwhiskey und anderer Alkohol. Mein Kopf will mir einreden, dass das wahrhaftig George Weasley ist, doch mein Herz kreischt und schreit und kratzt in meiner Brust. Das ist nicht der Schulclown, den ich kenne, der mir beim Beinklammerfluch half, als wir uns gegen Kröte Umbridge verschworen. Das ist ein gebrochener Mann.
Aus heiterem Himmel treten mir Tränen in die Augen. Vielleicht erinnert er mich an meinen ehemaligen Vater, den den wir verlassen haben. Diesen gebrochenen Mann, der sich ganz dem Alkohol hingegeben hatte, der Mum schlug.
Natürlich weiß ich, dass George das nie tun würde... Ich kenne ihn doch... Ich kannte ihn...
Ich trete näher. „Erinnerst du dich an mich, George?", flüstere ich.
„Ja, das tue ich, Megan. Natürlich", sagt er mit rauer, kratziger Stimme.
„Das ist schön. Weißt du, wir bauen Hogwarts wieder auf. Ist schwerer als gedacht. Ginny geht es übrigens gut. Wir sind jetzt Freunde. Sie vermisst dich", erzähle ich ihm in lockerem Plauderton, doch meine Stimme zittert. Wie kann ich es nur wagen Smalltalk zu führen?
Er dreht sich zu mir. Seine Augen sind müde und gebrochen, er hat sich seit einer Weile nicht rasiert, seine Haare sind viel zu lang, er hat tiefe Augenringe, es ist schwer, ihn überhaupt wieder zu erkennen.
„Ich weiß...", murmelt er. „Sie schreibt mir, oft. Hier." Er hält mir einen Brief unter die Nase. Der Brief ist vom zweiten November.
Sie schreibt lustige Worte, bei denen kein Außenstehender erkennen kann, wie traurig sie sind. Sie schreibt von Halloween, sie sagt, es war anders, doch das erste Mal, dass man das alte Hogwarts wieder gesehen hat. Ja, ich erinnere mich daran, die erste richtige Pause seit langem. Wir haben ein kleines Fest veranstaltet, haben Schüler und Eltern eingeladen. Sie schreibt, es hätte ihm gefallen, das hätte es sicher. Ich frage mich, wie er den Brief gefunden hat. Wo hier doch so viele liegen.
Wie halten sie das nur durch?
Ich reiße mich zusammen und räuspere mich. „Dir hat noch jemand anderes geschrieben, George. Den haben wir... Ich im Schutt gefunden. Er ist an dich." Meine Stimme ist unsicher und gebrochen.
Ich strecke ihm den Brief entgegen. Unsere Hände streifen sich kurz, als er den Brief annimmt. Ich sehe ihm in die Augen. Fast sehe ich den Riss darin.
Ich wende mich zum Gehen, um ihm etwas Privatsphäre zu gönnen. „Bleib bitte hier", haucht er. Ich bleibe stehen.
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Weil wir noch leben (Harry Potter / George Weasley FF)
FanfictionWir haben gelitten, alle. Monate ist es her, dass man uns alles nahm. Unsere Schule, unsere Freunde, unsere Familie. Der Krieg war überall. Wenn man versuchte Hogwarts wieder aufzubauen, merkte man es besonders. Man fand Sachen, besondere Sachen...