Ich lasse mich auf einen Hocker sinken, nachdem ich einen Stapel Pakete auf den Boden gleiten gelassen und meine Jacke abgelegt hatte und sehe George zu, wie er den Brief aufreißt. In meinem Hals ist ein riesiger Kloß. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie er sich fühlen muss. Er hat das nicht verdient. Ich sehe seine Hände stark zittern, während er den Brief aus dem Umschlag zieht. Natürlich hat er an meinem Blick, an meiner Gestik, an seiner Schrift erkannt, von wem der Brief ist.
Sein Brustkorb hebt sich stockend. Kaum hält er das geschriebene in der Hand und ließt die ersten Worte, dringen ihm Tränen aus den Augen. Ich senke meinen Blick, um ihm seine Privatsphäre zu gönnen, doch dann höre ich einen erstickten Laut und schrecke hoch. Ein klitzekleines Lächeln ziert Georges Lippen. Er lässt den Brief sinken, presst die Lippen auf einander und blickt mich an.
„Darf ich dich umarmen, Megan?", fragt er.
„Jaah...", hauche ich und meine Stimme klingt erstickt. Wir stehen auf und er schließt mich in seine Arme. Sie sind stark, obwohl er so lange hier hier drinnen war und keinen Kontakt zur Außenwelt hatte. Sein Körper wird geschüttelt von Schluchzern. Ich stehe da, atme seinen schweißigen, leicht alkoholischen Geruch und halte ihn fest. Ich kann nichts sagen, um ihm zu helfen. Doch ich glaube, alleine, dass ich da bin, reicht aus. Vermutlich hat ihn lange niemand mehr umarmt, vielleicht sogar seit dem verheerenden Tag nicht.
„Weißt du, was er geschrieben hat?", fragt er nach einer Weile.
„Nein." Sein Mitteilungsbedürfnis freut mich.
„Er hat geschrieben, dass er mich vermisst und, dass wir jetzt wohl hässlicher geworden sind. Verstehst du, weil die gut aussehende Hälfte fehlt. Schwach, wenn du mich fragst", er lacht heiser. Er hat seine Arme noch immer um mich geschlossen.
„Weißt du, er war noch nie gut darin, seine Gefühle zu zeigen. Es wundert mich, dass er den Brief überhaupt geschrieben hat..." Wieder lacht er leise. Ich gebe ihm eine Chance und lache ebenfalls leise.
„Du hast ein schönes Lachen, Megan", flüstert er da.
„Du hast mich schon immer zum Lachen gebracht", murmele ich, ohne zu wissen, was ich da sage. Er schiebt mich von sich weg und blickt mich nachdenklich an.
„Kannst du hier bleiben?", fragt er mich und sieht mich an. Lange.
„Ja, George, wenn willst", entgegne ich. Ich verstehe nicht, was ich hier tue. Ich wollte eigentlich gleich wieder nach Hogwarts. Doch eigentlich habe ich schon gewusst, dass das wohl nichts werden wird. Jedenfalls nicht so schnell, wie ich es eigentlich wollte. Ich kann George jetzt nicht im Stich lassen, wo ich wohl erste Person seit langem bin, der er sich ein wenig geöffnet hat.
Er lächelt mich breit an. Auch wenn das Lächeln seine Augen nicht erreicht, freut es mich sehr und lässt meine Mundwinkel nach oben huschen. „Mach dich frisch, George", sage ich.
Er nickt und verschwindet aus dem Raum. Was mache ich bloß hier? Ich blicke mich im Raum um. Wir haben viel zu tun... Viel...Zuerst schalte ich das große Deckenlicht an, dann ziehe ich die Vorhänge auf. Draußen ist es noch dunkler geworden. Ich nehme meine Jacke, die ich über den Hocker gelegt hatte und ziehe sie mir über, dann lasse ich kalte, frisch Luft in den Raum strömen.
Ich hole eine leere Kiste und packe alle Flaschen mit dem giftigen Alkohol herein. Ich stelle sie in den Flur vor dem Büro, in dem nur vereinzelt Kisten stehen.
Ohne die Flaschen ist der Schreibtisch fast leer. Ich ordne die losen Blätter übereinander und lege sie fort, packe Federkiele und Tinte zur Seite und wische den Schreibtisch ab. Er klebt und nach meinem Putzen riecht mein Lappen nach Alkohol, statt nach der Zitrone des Putzmittels. Kurzerhand schmeiße ich ihn weg und nehme einen Neuen.
Weiter räume ich auf, um George ein schöneres Heim zu schaffen, bis ich etwas poltern höre.
Erschrocken laufe ich in den Flur. Dort steht George. Er trägt seine Kleidung, frische Kleidung, hat sich rasiert, gewaschen, sieht fast aus wie damals. Doch irgendetwas stimmt nicht. Sein Blick ist irgendwie zornig.
„George?", frage ich vorsichtig und ruhig.
„Geh!", schreit er mich an. Ich zucke zusammen. Wieso? „Geh! Ich will dich hier doch gar nicht! Hau ab!"
Ich habe nicht vor zu gehen und ihn zurück in sein Loch fallen zu lassen. Er greift neben sich in einen Karton. Dem Karton mir den Flaschen. Er erhebt sie und zieht eine halbe volle Flasche Feuerwiskey heraus.
„Hau ab! Ich sage es nicht nochmal!"
„NEIN!", schreie ich ihm entgegen. Ich lasse ihn nicht alleine. Er schleudert die Flasche mit der Kraft eines Treibers und sie zerspringt vor mir in tausend Teile. Die Splitter bohren sich in meine Haut. Vor Schreck falle ich genau in die Scherben.
Da ist überall Blut an meinen Händen. Überall.
Ich kann kein Blut sehen. Konnte ich noch nie. Mir wird schwummrig und dann bedeckt Schwarz meine Augen.
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Weil wir noch leben (Harry Potter / George Weasley FF)
FanfictionWir haben gelitten, alle. Monate ist es her, dass man uns alles nahm. Unsere Schule, unsere Freunde, unsere Familie. Der Krieg war überall. Wenn man versuchte Hogwarts wieder aufzubauen, merkte man es besonders. Man fand Sachen, besondere Sachen...