Kapitel 1 - Erneute Auswahl

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Herim:

Alle Männer und Frauen des Dorfes hatten sich auf dem Platz eingefunden. Riesige Schneeflocken fielen vom Himmel und versperrten die Sicht auf das Podium, welches nun von zwei Soldaten betreten wurde. Sie besaßen grimmige Gesichter und sahen mit stechenden Augen auf die wenigen Dorfbewohner hinab. Mein Vater, der Bürgermeister, begrüßte die beiden Herren steif. Ihm war durchaus bewusst, dass der Verrat meiner Schwester das Land und seine Oberhäupter erzürnt hatte. Die versprochenen Begünstigungen für das Dorf, welche wir hätten erhalten sollen, da ein Mann von uns das Turnier gewonnen hatte, waren ausgeblieben. Stattdessen waren nun immer Wachen des Königs zugegen und hinderten uns daran, unseren Arbeiten nachzugehen. Stattdessen wollten sie von uns das beste Essen und ließen uns hungern. Alles in allem ging es uns nun noch schlechter, als zuvor.

Meiner Schwester konnte ich dafür allerdings keinen Vorwurf machen. Sicher, sie war Schuld daran, dass wir allein im letzten Monat vier Einwohner hatten verhungern lassen müssen. Sie war Schuld daran, dass wir nun dauerhaft bewacht wurden. Ihre Absicht war jedoch gut gewesen - es war bloß eine Schande, dass sie hatte sterben müssen.
DIe Nationalhymne erschallte über die Lautsprecher, bevor einer der Soldaten seine übliche Rede sprach. "Ich grüße Euch, Dorfbewohner, zum Start des 215. Turniers. 215 Jahre ist es nun her, dass die Rebellen zerschlagen wurden und Frieden eingekehrt ist. Als Erinnerung an dieses Ereignis, veranlassen unsere hochwohlgeborenen Meister Garrin, Nabur, Aril und Talimon jedes Jahr ein Schauspiel, in welchem die besten Männer des Landes gegeneinander kämpfen. Vier von ihnen werden die große Ehre haben, in einem der Elemente unterrichtet zu werden!

Im letzten Turnier erlebten der König jedoch eine große Enttäuschung. Eine Frau mischte sich in diese Geschehnisse ein. Diese Frau trug den Namen Fyara Kabaran und brachte damit Schimpf und Schande über das Land! Diese Teufelsbrut lebte in eurem Dorf, weshalb ihr nun ebenfalls dafür zur Rechenschaft gezogen werdet!" Ängstliches Gemurmel breitete sich bei dieser Rede aus. Was würde uns der König antun?
"Um die Schuld des letzten Jahres zu begleichen, wird in diesem Jahr, der Bruder dieser Verräterin ins Turnier einziehen. Herim Kabaran! Ich bitte Euch auf die Bühne!"

Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Im letzten Jahr waren drei unserer Jungs siebzehn geworden und hätten ebenfalls eingezogen werden können. Doch eigentlich war ich froh darum, dass sie es nicht wurden. Es schien mittlerweile ein Kampf zwischen der Familie Kabaran und dem König zu werden. Mit gefasster Miene machte ich mich auf zu dem Podest. Niemand sagte ein Wort und dafür war ich den Bewohnern beinahe dankbar. Würden sie etwas gegen mich sagen, würde ich dies wahrscheinlich irgendwann als aufhänger nutzen, um das Dorf dafür verantwortlich zu machen, dass sie meine Schwester nicht aufgehalten hatten. Würden sie jedoch etwas gegen den König sagen, wären sie wahrscheinlich sofort tot.

"Es ist mir eine große Ehre an den Turnieren teilzunehmen!", erklärte ich möglichst gefasst. Hätten es meine Augen gekonnt, hätte ich die Soldaten mit meinem stechenden Blick erdolcht. Doch sie konnten es nicht, weshalb ich mich widerwillig abführen ließ. Vielleicht würde ich in diesem halben Jahr erfahren, warum meine Schwester genau so geworden war. Nachdem sie gestorben war, hatte ich lange Zeit über ihre Worte im Kolosseum nachdenken müssen. Sie hatte versucht sich umzubringen. Mehrmals. Offensichtlich war es eine schwere Zeit für sie gewesen. Und ich mochte mir noch nicht einmal ausmalen, wie schwer!

Als sie klein war, bekam sie schon Angst, wenn sie einen der Soldaten mit einem Schwert sah. Sie war nie der Typ gewesen, der sich damit beschäftigte, es machte ihr eher Angst...
Doch irgendwann muss sie diesem Lehrer, von dem sie erzählte, begegnet sein. Davon hatte ich überhaupt nicht gewusst. Offenbar hatte dieser ihr geholfen, ihre Angst zu überwinden. Sonst wäre sie niemals so gut, so gefasst in der Arena gewesen. Hatte ich sie wirklich so schlecht gekannt? So schlecht, dass ich kaum glauben konnte, dass sie die Turniere gewann, ihr Leben opferte und dabei so eine Wandlung vollzogen hatte?

Manchmal glaubte ich, dass es nicht meine Schwester, sondern ein Double gewesen ist, welches das alles gesagt hatte. Fyara mochte damit irgendwo frei leben. Doch natürlich entsprach dies nicht der Wahrheit. Sie muss in dem Vulkan gewesen! Dies ist ein Monat her.
Ich erinnerte mich noch gut daran, wie Meister Nabur mich vor meinem Selbstmordversuch bewahrte. Er erzählte, dass er meine Schwester nicht umgebracht habe, sondern sie sich selbst. Meinte, dass er sie lieben würde! Natürlich glaubte ich ihm kein Wort. Meine Schwester war tot und würde auch nicht wiederkehren können!

Nabur:

Es war beinahe beängstigend, all diese Männer auf dem Platz von Versailles zu sehen. Erneut waren Männer eingezogen worden, um sie für das nächste Turnier auszubilden. Mich überkamen beinahe Schuldgefühle. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor genau einem Jahr hier gestanden hatte, unwissend, dass eine Frau unter ihnen war, die die Turniere gewinnen würde. Nach und nach füllte sich der Platz mit Männern aus überall her, doch ich nahm sie kaum wahr.

Seit sich Fyara selber das Leben genommen hatte, war ich in einer Blase der Leere zurück geblieben. Ich hatte kaum gemerkt, wie stark sie mich bewegt und verändert hatte! Doch nun, da sie fort war, glaubte ich, nichts mehr zu fühlen. Selbst das Versprechen, dass ich ihr gegeben hatte, löste ich nicht ein. Im Gegenteil! Ich tat gar nichts für den Frieden. War letztens sogar dabei gewesen, wo ein paar Krieger einen kleineren Aufruhr unterdrückten, indem sie das ganze Dorf niederbrannten.

Da konnte ich wahrlich nicht von Ehre reden. Stattdessen stand ich nun wieder hier, darauf wartend, neue Rekruten zugeteilt zu bekommen und sie nach Zaragoza zubringen...

Herim:

Versailles war riesig! Atemberaubend groß ragte das Schloss vor mir auf, welches in Gold erstrahlte. Selbst das trübe Wetter konnte dieses Schimmern nicht trüben. Wir wurden seltsamen Zahlen zugeordnet und warteten darauf, dass es endlich begann. Meine Zahl war481. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich fühlen sollte. Der Gedanke daran, dass auch Fyara einst hier gewesen war, machte mich eher neugierig. Wie hatte sie sich hier gefühlt? War sie aufgeregt oder ängstlich? Es betrübte mich, dass ich nicht sagen konnte, wie meine Schwester wohl in diesem Moment drauf war. Irgendwann in der Vergangenheit muss sie sich stark von mir entfernt haben, sonst könnte ich mich besser daran erinnern!

Nun erschallte jedoch eine laute Stimme über den Platz: "Willkommen!", schallte eine tiefe Stimme über den Platz. "Willkommen zum 214. Meister-Turnier. Ihr Männer von den Jahren 17 bis 40 wird die Ehre zuteil um den Platz des Lehrlings der Meister zu kämpfen!" Heftiger Beifall entbrannte, da sich alle um diese Ehre rissen. Ich blieb jedoch stumm. "Wie in jedem Jahr, werden die jeweils 250 Männer von euch einem Meister zugeteilt, der euch unter die Fittiche nimmt, um euch in den verschiedenen Arten des Kampfes zu unterrichten!" Tosender Beifall. "Dafür erhaltet ihr ein halbes Jahr voller Wohlstand und Luxus!", der Mann neben mir grölte besonders laut. Er war ziemlich dick und nicht wirklich attraktiv. "Wie immer werden die Männer 1-250 dem Meister des FeuersLord Nabur, 251-500 dem Meister der Erde Lord Garril, 501-750 dem Meister des Wassers Lord Terimon und 751-1000 dem Meister der Lüfte Lord Aril zugewiesen! Viel Erfolg!"

Mein Meister war also Lord Garrin!



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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 13, 2015 ⏰

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