Freund oder Feind?

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Leise drangen Rufe in mein Bewusstsein.
Stöhnend öffnete ich die Augen, als sie sich immer mehr verstärkten und schließlich so imens laut wurden, dass ich Kopfschmerzen bekam.
Die Geräusche rissen mich aus der Ohnmacht.
Langsam wurde ich wieder wach. Direkt über konnte ich verschwommene grüne, gelbliche und rote,dicht beieinander liegende grüne Punkte ausmachen. Sie bewegten sich, vereinigten sich zu einem riesigen, wogenden Meer von hellen und dunklen Punkten. Mehrere Sekunden lag ich wie gefesselt von dem Anblick da. Dann erst wurde mir klar, dass er Blätter waren, die sich dort in den Wipfeln der Bäumen durch den sanft säuselnden Wind bewegten. Ich versuchte langsam den Kopf nach rechts zu drehen, doch ein plötzlicher, grauenhafter Schmerz in meiner Schulter ließ mich aufstöhnen.
Der Rest von meiner Benommenheit war vergessen, ich fokusierte mich wieder vollkommen auf die Umgebung, nahm die Geräusche des Waldes klar wahr.
Die Erinnerungen kamen so plötzlich, dass ich zusammen zuckte, als mein Schädel nur so zu dröhnen begann.
Ich erinnerte mich an den Scheiterhaufen, an den eiskalten Blick Uthers, an den beißenden Qualm in Nase und Mund.
Glasklar fühlte ich die Erleichterung, als die Verwandlung mich in energischen, vertrauten Wellen befiel und ich thriumphierend zu dem arroganten König aufsah.
Dann waren da unvohrstellbare Schmerzen, ich sah die Pfeile durch die Luft fliegen, den Innenhof weit unter mir verschwinden, bemerkte die klein wirkenden Ritter mit ihren roten Umhängen eilig zum Tor hinaus rennen. Dann Schwärze.
Mit zusammengebissenen Zähnen drehte ich mich auf die Seite.
Das Ziehen in meiner Schulter war graunvoll, einen Moment bewegte ich mich wieder auf dem schmalen Grat zwischen Ohnmacht und Wachbleiben.
Ich sah Sternchen, spürtewie der gefühlskalte Nebel mich einzulunnen begann.
Ich keuchte auf, mit aller Kraft spannte ich die Muskeln an, grub meine Fingernägel in den weichen mit Tannennadeln übersähten Waldboden.
Der Schleier legte sich.
Benommen lag ich schwer atmend auf der Seite. Zitternd fuhr meine Hand zu meinem Rücken, strich vorsichtig über meine nackte Haut. Ich spürte getrocknetes Blut und dann etwas seltsam Spitzes.
Ganz leicht stieß ich mit der Fingerkuppe an das gesplitterte Holz. Im selben Moment wollte ich aufschreien und vor Schmerzen und Pein bersten.
Es war der abgebrochene Schaft eines Pfeiles, der sich tief in meine Haut gegraben hatte.
Tränen stiegen mir in die Augen, als ich mir vorstellte dieses Ding allein herauszuziehen.
Das konnte ich nicht. Entweder würde ich bewusstlos im Wald liegen und verbluten, oder ich wäre danach zu geschwächt um noch einen vernünftigen Gedanken fassen zu können.
Der Pfeil musste stecken bleiben. Vorerst. Ein Knacken ließ mich all meine Qualen vergessen. Es war laut und sehr nah gewesen.
Viel zu laut für ein Tier.
Hatten mich nicht auch Rufe überhaupt erst wieder zurückgerufen. Panisch lag ich da und lauschte. Immer wieder knackte es, jemand sehr schweres schlich durch das Unterholz. Jemand der alles daran setzte nicht gehört oder auch nur gesehen zu werden.
Hastig sah ich mich um.
Ich lag auf weichem Moos, ein umgefallener Baumstamm lag rechts von mir, eine hohe Eiche ragte unmittelbar neben mir auf. Doch sie hatte aufgrund des nahe stehenden Winters bereits all ihre Blätter verloren und war nun nicht mehr als ein Gerippe aus Zweigen. Unter Schmerzen setzte ich mich auf, verspannte mich als sich die Musklen in meiner malträtierten Schulter bewegten. Ich musste die aufkeimende Übelkeit unterdrücken, starrte eingehend auf meine blassen Finger mit den dreckigen Nägeln, die sich dunkel und halbmondförmig von meiner sonst so blassen Haut abhoben.
Ich stutze. Noch immer konnte ich vereinzelte Schuppen ganz schwach auf meinen Knöcheln leuchten sehen.
Ich neigte den Kopf und blickte an mir herunter.
Mein gesamter Rumpf und ein kleiner Teil meiner Oberschenkel waren noch mit langsam verblassenden Schuppen überzogen.
Langsam verloren sie ihre Intesität, aber sie waren doch unbestreitlich noch vorhanden.
Ich schmunzelte trotz meiner präkeren Lage.
Mein lieber Drache hatte mich nicht im Stich gelassen.
Er war bei mir geblieben, hatte nach meinem Absturz über mich gewacht, hatte mich im richtigen Moment wieder aufschrecken lassen.
Andächtig hob ich die Nase, oder sollte ich eher sagen, meine immer noch ausgeprägten Nüstern, in den Wind und sog die frische Waldluft ein. Ein unverkennbarer menschlicher Geruch lag in der Luft, begleitet von dem stumpfen Duft noch kaltem Metall.
Über mir kreischte ein Vogel und suchte schleunigst das Weite.
Mein Herz machte einen Satz als ich den Warnruf des Tieres hörte. Ein Ruf der vor dem nahenden Feind warnen sollte.
Bringt euch in Sicherheit, schien er zu sagen.
Jetzt, bevor es zu spät ist! Ich rappelte mich auf, schwankte gefährlich, stützte mich an der rauen Rinde der Eiche ab, blinzelte die schwarzen, sich schnell ausbreitenden Punkte vor meinen Augen beiseite.
Ich musste hier weg.
Unbeholfen versuchte ich ein paar Schritte zu gehen.
Doch meine Beine waren schwach, durchgefroren von den niedrigen Temperaturen diesertage, sie trugen mich nicht weit. Am Rande registrierte ich, dass meine Knie auf weiches Moos und abgefallene, alte Blätter trafen, dass sich der graue Nebel erdrückend in meinen Gedanken auszubreiten begann. Ich war zu ausgelaugt.
Sie würden mich finden.
Ich konnte nicht entkommen. Mit letzter Kraft und grauenvoll pochender Schulter kroch ich auf allen vieren zu dem Baumstamm. Kaum hatte ich ihn erreicht, da brach ich auch schon zusammen. Meine Gedanken wurden träge, wie zähflüssiger Honig flossen sie dahin.
Eine eigenartige Gleichgültig beschlich mich. So viel hatte ich riskiert, so weit war ich gekommen.
Was hatte ich nicht alles aufgegeben. Nur um hier in einem herbstlichen, trostlosen Wald zu verenden.

A piece of heaven ~ a Merlin FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt