DIE WANDLUNG

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Edward Hopper „Automat" Erzählung

DIE WANDLUNG

Auf den ersten Blick war dies ein Abend wie jeder anderer. Erneut saß Lindsay in dem kleinen Café an der Ecke, welches kaum Beachtung von Besuchern bekam. Erneut wählte sie am späten Nachmittag, im Norden Englands, wo es im Winter bereits dunkel war, denselben Tisch aus und bestellte denselben Tee. Obwohl Lindsay die Routine liebte, da sie ihr eine gewisse Sicherheit versprach, war sie an diesem Abend nicht glücklich mit sich und der Handlung, die in einem Buch über ihr Leben zu lesen wäre. Der Grund für ihre Unzufriedenheit war eine positive Veränderung, die nicht eingetreten war. Grundsätzlich hatte sie nichts gegen Veränderungen. Sie hatte ihr Leben lang gelernt, dass Veränderungen bloß akzeptiert werden wollten. So fällt es leichter mit ihnen umzugehen. Man kommt nun mal nicht darum herum. Alles ist ein Wandel, der noch nie etwas von stoppen, anhalten, oder Pause gehört hat. Umso ärgerlicher war es nun für Lindsay, eine sogar gewollte Veränderung, vergeudet zu haben. Sie denkt sich, dass sie eine Chance vertan hatte.

Ihre Gedanken kreisten nur um diesen einen Punkt. Ihre gesamte Umgebung schien sich ihrer Stimmung anzupassen. Die Dunkelheit des späten winterlichen Nachmittags, die leeren Tische im Café, der Kellner, der nur darauf hoffte, dass sein Arbeitstag zu Ende gehen würde, sogar Lindsays Kleidung war in dunklen Farben gehalten, nur der hellere Hut verdeckte ihren nachdenklichen Blick, der eine tiefe Traurigkeit ausstrahlte. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie kaum wissen können, was sie an diesem Abend noch erwarten würde. Vorerst war ihr Tag von Hoffnung geprägt gewesen, denn Lindsay liebte Briefe, sie waren eine ihrer größten Vorlieben. Ursprünglich plante sie an diesem Tag ihren -ihr unbekannten- Brieffreund zu treffen. Solange hatte sie darauf gewartet ihn zu treffen. Doch nun hatte sie es vermasselt. Sie hatte die Gelegenheit verpasst. Das gesamte Leben schien ihr so unfair zu sein. Wieso handelte es denn nur gegen ihr Glück? Dabei war ihr dieser Tag doch von so großer Bedeutung gewesen. Einsamkeit breitete sich aus, und ließ keinen Platz mehr für irgendeinen übrig gebliebenen Funken von Hoffnung. Wahrscheinlich waren ihre Erwartungen an den Tag einfach zu hoch gewesen und nun musste sie eben mit der Enttäuschung leben.

Kurz von ihren Gedanken losgelöst, schaute sie hoch. Ein großer Mann mit breiten Schultern betrat, in einen dunklen Mantel gehüllt, den Raum. Sein Blick war ebenfalls von Traurigkeit erfüllt. Es wirkte als ginge er auf Lindsay zu und ihr Gedanke bestätigte sich.

„Entschuldigen Sie, Ich weiß wir kennen und nicht, aber darf ich mich zu ihnen setzten? An einem solchen Tag sollte niemand alleine sitzen?" fragte der Herr vorsichtig.

„Ja, gerne", antwortete Lindsay zögerlich, da ihr Bauchgefühl sie zuvor verwirrte. Der fremde Mann strahlte etwas Vertrautes aus.

„Sie scheinen sehr in Gedanken versunken zu sein. Ist alles Ok?", fragte er neugierig.

Zögerlich antwortete Lindsay Ihm: „Ich habe bloß gerade jemanden verpasst und der Termin war mir sehr wichtig." Es kam ihr merkwürdig vor, von einem wild fremden Mann, der gleichzeitig etwas vertrautes an sich hatte angesprochen zu werden, und ihm dann auch noch ihr Leid anzuvertrauen.

„Das ist ja erstaunlich. Ich habe soeben eine Dame verpasst, die ich gerne getroffen hätte! Ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Chorey!" sagte er nun etwas lebhafter.

„Lindsay.", entgegnete sie knapp und reichte ihm die Hand. Nach wie vor, war Lindsay unsicher ob sie Chorey nicht doch kannte.

„Wissen sie Lindsay, ursprünglich wollte ich meine Brieffreundin treffen, aber sie erschien nicht zu unserem treffen."

Sie erschrak. Das konnte doch nicht wahr sein. Womöglich, saß ihr der verpasster Brieffreund gegenüber. Vielleicht war die merkwürdige Vertrautheit ein Zeichen ihres Unterbewusstseins. Schnell sagte sie: „ Sie werden es mir nicht glauben, aber genau das ist mir ebenfalls passiert! Sind sie Mr. Thompson?"

„Das ist unmöglich! Ja der bin ich, sind sie etwa, Mrs. Jones?", fragte ihr Brieffreund sie.

„Ja mein Name ist Lindsay Jones. Wie es aussieht meinte unser Schicksal es gut mit uns und wollte uns diese Begegnung doch schenken und parallel dazu ein Lektion erteilen!" sagte sie erstaunt.

In diesem Moment wurde Lindsay klar, dass sie vergessen hatte, dass jede Veränderung sich einstellen wird wenn sie soll. Es kommt immer wie es kommen muss. Und weil sie diesen Grundsatz vergaß, verabschiedete sich ihre Gute Laune, welche sonst ihr stetiger Begleiter war, kurzzeitig und sie gab die Hoffnung ihren Wunsch den Brieffreund zu treffen auf. Doch nun hatte sie gelernt ihrem Leben mehr zu Vertrauen und Geduldiger mit Ihm zu sein. Sie war dankbar, für die Erfahrung, die sie gemacht hat.






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