Erschreckend

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~Dean~


Roman hob drohend den Zeigefinger und piekte mir damit gegen die Brust. Er begann zu schnauben wie ein wilder Stier und funkelte mich mit seinen blauen Augen an als wolle er mich jeden Augenblick in Stücke reißen. "Halt dich fern von ihr verstanden!", stieß er aus, dabei mahlten seine Kiefer unheilvoll aufeinander.

Ich konnte mein breites triumphierendes Lächeln kaum verbergen. Es war schon lustig. Roman scheute nie eine Auseinandersetzung, ließ sich nie die Butter vom Brot nehmen und war auch sonst nicht auf den Kopf gefallen, aber wenn es um die süße Selena ging verstand er die Welt nicht mehr... und offensichtlich seine eigenen Gefühle auch nicht. Wie gesagt... es war schon lustig zumal sogar ein Blinder erkannte wie viel Roman für Selena empfand. 

Roman bemerkte mein Lächeln und ließ schnell seinen Finger sinken. Plötzlich war seine zornige Miene verschwunden und er trat einen halben Schritt von mir zurück. "Ich meine", begann er abzuwiegeln. "Sie ist doch noch ein Kind."

Ich schüttelte langsam den Kopf. "Das sehe ich nicht so... " Um ganz genau zu beobachten wie meine Wort es in seinem Oberstübchen zum Rattern brachten machte ich eine kleine Pause. Erst als ich mir sicher war das er das Erste halb verdaut hatte setzte ich noch eins drauf: "... sie ist megaheiß. Und einigen anderen hier ist das auch schon aufgefallen." 

Das saß! 

Roman hatte die Aussicht, dass es tatsächlich jemanden geben könnte, der die - in seinen Augen -  kleine, süße und freche Selena als erwachsene gutaussehende Frau begehren könnte sprachlos gemacht. Er versuchte zwar etwas darauf zu erwidern, aber dem hilflosen öffnen und schließen seines Mundes entnahm ich, dass er ganz schön daran zu knabbern hatte. Er erinnerte mich mit dieser Mimik sogar ein bisschen an einen Fisch auf dem Trockenen.

Amüsiert schaute ich ihm dabei zu wie er endlich begriff was diese ganzen Gefühle und Regungen in Selenas Gegenwart zu bedeuten hatten.

Da fiel mir ein, weshalb ich überhaupt erst hier raus in den Hinterhof des Stadions, in dem wir in dieser Woche waren, gekommen war - ich hatte Selena gesucht.  Nachdem sie selbst kurz frische Luft schnappen wollte, aber dann nicht wieder gekommen war. Lustig ist, das sie sich kurz zuvor über niemand anderen bei mir aufgeregt hat, als Roman. Aber im Gegensatz zu Roman war sie sich offensichtlich sehr wohl über ihre Gefühle für ihn bewusst.

"Ich... ", begann Roman, ließ den Satz aber unvollendet, öffnete die Tür und ließ mich hier im Hinterhof des Stadions allein. Alles was blieb war das Geräusch des Einrasten der schweren feuerfesten Sicherheitstür. 

Was sollte ich bloß mit den beiden anstellen?

Ich fuhr mir amüsiert über die zwei Hitzköpfe mit den Fingern durch meine Haare.

Roman und Selena passten schon irgendwie zueinander. Beide waren rechte Sturköpfe und schafften es mit Leichtigkeit sich einander das Leben schwer zu machen... aber im besten Sinne. Sie konnten einander herrlich nerven, aber wenn sie mal einer Meinung waren dann passte zwischen ihnen nicht einmal mehr eine Briefmarke. Und immer wieder diese verliebten Blicke, die sie sich gegenseitig zuwarfen... aber eben immer nur dann, wenn der jeweils andere es gerade nicht sehen konnte. 

Warum sollte eigentlich ich mich darum kümmern? Roman war schließlich auch genauso Seth's Freund. Der konnte auch mal was machen. 

Ich entschloss mich gerade Roman zu folgen - Selena war ja doch nicht mehr hier - da hörte ich plötzlich etwas. Es klang wie eine Stimme. Nein, viel mehr nach einem leisen Flüstern. Es war schon wieder so leise und dünn und in dem leichten Regen leicht zu überhören, dass ich schon fast davon überzeugt war, ich würde sie mir einbilden. 

Ich trat unter dem Vordach hervor und sah mich etwas genauer um.

Nichts, ein stinknormaler Hinterhof, wie es so viele in diesem Land hinter solchen Stadien gibt. Die einzige Lichtquelle war eine Lampe ohne viel Schnickschnack über der Tür hinter mir, ansonsten gab es einige leere aufeinander gestapelte Kisten in der einen Ecke und zwei parkende Autos direkt vor der Einfahrt. 

Ach ja, und den Eingang zu einer dunklen Gasse, wo irgendein Faulpelz die Müllsäcke nicht mehr bis zum ein Meter entfernten Container geschafft hatte. Sonst war hier nichts außergewöhnliches... Außer... 

Mir blieb fast das Herz vor Schreck stehen, als sich etwas zwischen den Säcken bewegte, während ich sie mit den Augen überflogen hatte. Ich traute meinen Augen kaum. Ganz langsam und um jede Bewegung bedacht kämpfte sich dort eine kleine zierliche Person auf. Sie stöhnte leise und murmelte unablässig etwas, das ich aber nicht verstand.

Ein weiterer - viel schwerer - Schock ließ mich zusammen fahren, als mein Hirn weiter arbeitete und mir in den Sinn kam, dass die scheinbar arg verletzte Person auch Selena sein konnte, die ja eigentlich hier im Hinterhof sein wollte... es vielleicht sogar doch war... nur eben dort im Müll... verletzt und... 

Den Rest wollte und konnte ich mir nicht ausmalen, nicht bei Selena.

Noch bevor ich überhaupt den Entschluss dazu gefasset hatte, setzten sich meine Beine in Bewegung und so brachte ich die knapp zwanzig Fuß bis zu dem Müll im Bruchteil einer Sekunde hinter mich.

"Selena?", stieß ich aus, stutzt dann allerdings, als ich nei näherem Hinsehen merkte, das es gar nicht Selena war.

Aber sie sah ihr verblüffend ähnlich, selbst in diesem schwachen Licht konnte ich das erkennen. Ihre Haare schienen zwar fast genauso lang zu sein, waren allerdings um einiges dunkler als die von Selena. Auch ihre Augen waren fast schwarz und damit sehr viel dunkler als die Selenas... und sehr viel schöner... 

Selena oder nicht, mir bot sich trotzdem ein schrecklicher Anblick. Die junge Frau, die wie ein Häufchen Elend an der kalten feuchten Backsteinmauer hinter sich Halt suchte, war übel zugerichtet worden. Ihre helle Jeans war verdeckt und ihr fehlte ein Schuh. Das gelbschwarze Trikot, das sie trug war blutgetränkt und zerrissen. Der größte Riss, er verlief quer über den Bauch, gab eine immer noch blutende Wunde preis. Ihre nackten Arme waren ebenfalls verschmutzt und leicht verschrammt und übersät mit Blutergüssen. Auf ihr Trikot tropfte, außer dem Regen, auch noch Blut, das aus einer Wunde an ihrer Schläfe sickerte. Wahrscheinlich hatte ihr jemand einen sehr heftigen Schlag auf den Kopf verpasst und ihr auch die Lippe blutig geschlagen. Ihre Hand hob sich zitternd zu ihrem Kopf und sie schloss einen Augenblick die Augen. Sie musste entsetzliche Schmerzen haben.

Was mich endlich aus meiner Schockstarre riss. Ich stieg über einige Müllsäcke hinweg zu ihr. 

"Dean, hier bist du", hörte ich Seth näher kommen. "Was machst du da eigen...", ihm blieb beim Anblick der verletzten Frau der Rest im Hals stecken. "Selena?", stieß er entsetzt aus und stieg ebenfalls über die Säcke.

"Nein, das ist jemand anderes", sagte ich und versuchte das kleine Häufchen Elend irgendwie zu stützen, allerdings befürchtetenich die zierliche zitternde Gestalt nocch mehr zu verletzen, als ihr zu helfen. 

"Wer hat dich denn so zugerichtet?", fragte Seth sie direkt. 

"Ich weiß es nicht."

"Wie heißt du eigentlich?", fragte er weiter. 

Wieder sahen ihre wunderschönen dunkelbraunen Augen zu mir auf, suchten ratlos meinen Blick, als hoffte sie, ich könne es ihr sagen. "Ich weiß nicht", jammerte sie weinerlich. 



The Shield - DeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt