Prolog

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„Wer bist denn du?", fragte eine Kinderstimme neugierig und ich lugte hinter den stämmigen Beinen meiner Amme hervor.
„Joey...", fiepte ich mit leiser Stimme.
„Den will ich haben!"

Ja, so haben wir uns kennen gelernt.
Noch immer muss ich lächeln, wenn ich die Kinderfotos ansehe.
Die Familie Kaiba hatte mich mit vier Jahren adoptiert und seitdem wohne ich hier.
Die Villa war riesig. Nur zu oft hatte ich mich als Kind hier verlaufen... na gut, ich verlief mich immer noch. Was mussten diese Flure hier auch so kompliziert gebaut sein.
Manchmal kam es vor, dass ich in Zimmern landete, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Und das nach über 15 Jahren in denen ich nun schon hier wohnte.
Heute war wieder einmal einer dieser Tage, an denen ich mich in dem riesigen Gebäude verlaufen hatte.
„Hallo?..."
Keine Antwort. Da war doch was gewesen...
Ich zuckte zusammen als ich von irgendwo ein Geräusch hörte.
„Wenn das ein Spiel sein soll, finde ich es nicht witzig, Seto!", rief ich in die Stille. Wieder keine Antwort.
Mann, Mann, Mann... manchmal könnte ich meinen Stiefbruder echt an eine Wand stellen... grrr...

Ich beschloss, den Weg den ich gekommen war wieder zurück zu gehen, als mich das Geräusch erneut ablenkte. Neugierig geworden ging ich dem nach. Immer und immer wieder hörte ich es... was es wohl war?
Nach einigen Minuten des Folgens, kam ich an eine Tür. Ich wusste, dass ich hier schon einmal war, vor Jahren.
Damals hatte ich mich auch verirrt und mich in diesem Raum versteckt. Wieder musste ich lächeln, er hatte mich damals gefunden. Damals, als alles angefangen hatte.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf und öffnete die Tür.

Meine Augen fingen an zu glänzen als ich den grossen Flügel sah, der mitten im Raum stand. Links davon war die grosse Terrassentür offen und der schwere Vorhang wurde immer wieder gegen den Türrahmen geweht. Daher die Geräusche.
Ich schloss die Tür hinter mir und ging durch den Raum auf den Flügeln zu, legte eine Hand auf das kühle, lasierte Holz.
Als Kinder hatten wir oft daran gesessen und gespielt, wieder und wieder die gleichen Lieder. Ich kam nicht darum herum mich hin zu setzen und den Deckel hoch zu klappen.
Langsam lies ich meine Finger über die Tasten gleiten und spielte eines meiner Lieblingslieder. Die Mondscheinsonata von Beethoven.
Ich tat mich etwas schwer, diese doch recht schwierige Sonata alleine zu spielen, half mir doch früher immer Seto dabei.
Völlig in der Melodie vertieft, spürte ich plötzlich einen mir nur allzu bekannten Blick auf mir ruhen. Ich sah auf und blickte in die endlos tiefen Augen meines Stiefbruders.
„Da bist du ja. Abendessen ist fertig.", sagte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und ich schmolz innerlich dahin. Wie ich dieses Lächeln doch liebte...
„Setz dich zu mir, nur dieses Lied... ja?", fragte ich mit hoffnungsvoller Stimme. Seto nickte und setzte sich zu mir, legte seine schlanken Finger auf die Tasten und begann zu spielen.
Kurz in sein Tun vertieft, begann ich zu träumen, wischte die Gedanken aber sofort wieder aus meinem Kopf und setzte in das Spiel ein.
Insgeheim hoffte ich, dass das Lied nie enden würde. Doch leider tat es, für mich wie immer viel zu früh.
„Also komm, lass uns essen gehen.", sagte Seto, erhob sich und hielt mir seine Hand hin. Ich griff danach, er zog mich vom Flügel weg und führte mich durch die Gänge runter in die Küche.
Schon lange assen wir nicht mehr im Speisesaal. Seit Mutter und Vater damals ums Leben kamen. Kurz durchfuhr mich ein Gefühl der Trauer, welches ich jedoch schnell wieder zur Seite schob.
„Ah, du hast ihn gefunden!", rief Mokuba aus und grinste breit. Man sah ihm an, wie ungeduldig er aufs Essen gewartet hatte, gab es doch sein Leibgericht. Spaghetti a lá Seto.
Genüsslich fangen wir dann an zu essen, nachdem Seto uns allen was davon aufs Teller geschöpft hatte.
„Naher noch DVD, ja?", fragte Mokuba und sah uns hoffnungsvoll an. Seto sah nun wiederum mich an. „Was meinst du?"
„Nun, ich würde mich gern noch etwas vor dem Fernseher lümmeln", grinste ich breit und streckte mich. Also war es beschlossene Sache und Mokuba huschte so schnell vom Tisch, dass wir nicht dazu kamen noch irgendetwas zu sagen. Aber wir liessen ihn, er war schliesslich noch ein Kind und tat auch so schon viel was wir ihm sagten.
Ich meinerseits half Seto beim Abräumen des Tisches, räumte alles in die Spülmaschine was dort rein gehörte und wischte danach den Tisch sauber.
Eine gute halbe Stunde später sassen wir alle im Wohnzimmer und sahen uns „Lion King" an. Zum dritten Mal diese Woche. Seufzend lies ich mich nach hinten fallen und mümmelte mich in die Flauschedecke, sah in den Fernseher und gähnte, als...
Hick...
Hick...
Hick...
Stille...
Hick...
Hick...
Hick...
Noch mehr Stille...
Hick...
Hick...
Seto verlor die Geduld.
„Wirst du wohl damit aufhören!", rief er frustriert.
Erschrocken schrie ich auf, fiel seitwärts, samt Decke, vom Sofa und verschwand mit einem dumpfen Poltern aus Setos Sichtfeld.
„Joey?", fragte Seto, während er mit der Fernbedienung den Film auf Pause stellt, sich nach vorne beugte und mich fragend ansah.
Ich lag flach auf dem Rücken, rieb mir meinen Hinterkopf und grinste entschuldigend.
„Bin ok...hick... ay."
Lautes Gelächter von Seitens Mokuba folgte, während mir Seto zurück aufs Sofa hilft.

Wie werde ich ihn los~Where stories live. Discover now