Kapitel 4

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Die ganze Fahrt nach Hause textete ich den Taxifahrer zu, wie unglaublich ungerecht und gemein diese Welt doch wäre. Er nickte mitfühlend an den richtigen Stellen, zeigte sich sonst aber eher unbeeindruckt und war wahrscheinlich sehr froh, als ich endlich ausstieg.

Zu Hause angekommen tauschte ich als erstes meine engen Klamotten gegen Jogginghose und T-Shirt und warf mich dann mit meinem Laptop auf die Couch. Ich war noch immer viel zu sauer und zu betrunken, als das ich jetzt einfach hätte ins Bett gehen können.

Stundenlang hatte ich mich herausgeputzt, in Schale geschmissen, kaum atmen können, meine Füße in diese mörderischen Schuhe gezwängt und wofür? Dieser Idiot hatte mich keines Blickes gewürdigt!

Ganz im Gegenteil: Er dachte ich wäre ein lästiger Fan und wollte mich verscheuchen. Jetzt mal ernsthaft: Ich sah doch nicht aus wie ein Fußball-Fan?!?!

Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr steigerte ich mich in meinen Zorn hinein. Wie gern würde ich diesem Alex jetzt gerade die Meinung geigen. Er musste doch mit Sicherheit eine Homepage haben. Mit Gästebuch ...

Flink flogen meine Finger über die Tasten des Laptops. Bereits nach kürzester Zeit wurde ich fündig. Er hatte zwar leider keine eigene Homepage - dafür eine Facebook Seite. Und sie war sogar so eingestellt, dass ich ihm direkt eine Nachricht senden konnte. Ein hoch auf die öffentlichen Plattformen!

Ich goss mir noch ein Glas Wein ein, legte die Füße hoch, hob den Laptop auf meinen Schoß und begann zu tippen.

Ein schlimmer Schmerz schoss durch mein Genick und lies mich hochschrecken. Ich griff in den Nacken und versuchte die Stelle zu erwischen um den Schmerz weg zu massieren. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und blendete mich. Ich blinzelte gegen die Helligkeit an und versuchte mich dann zu orientieren. Gestern musste ich wohl auf der Couch eingeschlafen sein. Aber warum?

Langsam blickte ich mich um. Nur ein leeres Weinglas stand auf dem Tisch. Ok, das hieß ich war zumindest alleine in der Wohnung. Gott sei Dank! Eine unschöne Verabschiedungsszene hätte ich jetzt nicht ertragen.

Dann fiel mein Blick auf den noch immer auf meinem Schoß liegenden Laptop.

Hatte ich gestern noch mit Rico geskypt?

Verwirrt klappte ich ihn auf um nachzusehen. Geöffnet war aber nur meine Facebook Seite. Ich hatte eine neue Nachricht. Dann fiel es mir wieder ein ... ACH ... DU ... SCHEISSE!!!

Bitte, Bitte, lass diese Nachricht nicht von ihm sein...

Zitternd fuhr ich mit dem Mauszeiger darüber ... Dann zog sich mein Magen krampfhaft zusammen als ich las: Neue Nachricht von: Alexander König.

FUCK!

Schnell klappte ich den Laptop zu und warf ihn weit weg ans andere Ende der Couch, als ob ich damit alles ungeschehen machen könnte.

Wild fluchend ging ich in meinem Wohnzimmer auf und ab. Wenn ich mich doch nur daran erinnern könnte, was ich ihm geschrieben hatte ...

Ich weiß noch, dass ich ziemlich sauer auf ihn war. Und ziemlich betrunken. Oh, Oh ...

Ich brauchte dringend einen klaren Kopf. Frische Luft und Kaffee waren dafür die besten Mittel. Schnell schlüpfte ich in Jeans, Pulli und Turnschuhe und ging hinaus in die Sonne und dem Kaffee entgegen.

Eine halbe Stunde später ging es mir schon wesentlich besser. Frisch gestärkt fühlte ich mich nun bereit genug, um mich seiner Nachricht zu stellen.

Mit spitzen Fingern öffnete ich den Laptop, gab mein Passwort ein und machte mich auf einen Schwall wüster Beschimpfungen gefasst, als ich seine Nachricht öffnete.

Hallo Silja,

es tut mir Leid, das ich sie offenbar so enttäuscht habe, auch wenn ich sie eigentlich gar nicht kenne.

Diesen Umstand würde ich gerne ändern, ebenso wie ihre Meinung über mich.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich sie auf einen Kaffee einladen dürfte, um einiges klar zu stellen.

Viele Grüße,

Alexander

Oh...

Ok...

Das war nicht die Antwort mit der ich gerechnet hatte. Hatte ich am Ende doch nicht meiner Wut freien lauf gelassen? Schnell überflog ich noch einmal meine Zeilen von gestern Nacht:

Hallo Alexander (oder sollte ich besser sagen Herr König?),

offenbar halten sie sich nämlich für einen König, so wie sie mit mir umgesprungen sind. Auch wenn es für sie schwer zu glauben sein mag - nicht jeder ist ein Fan von ihnen und will unbedingt ein Autogramm haben.

Ebenso möchte ich mich aufrichtig dafür entschuldigen, dass ich ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen habe, als sie mich neulich vor dem sicheren Sturz retten mussten.

Ich hatte gar keine Gelegenheit mich dafür zu bedanken, auch wenn sie sich mit Sicherheit nicht einmal mehr daran erinnern können. Aber seien sie sich sicher, dass ich nur das Beste über sie berichten werden, sollte mich einmal jemand dazu befragen.

Schließlich können sie ja nichts dafür, das die Berühmtheit schon so manchen Charakter verdorben hat und sie anscheinend ebenfalls dieser Verlockung erlegen sind.

Viele Grüße,

Silja

Beschämt schlug ich die Hände vor mein Gesicht. Wie hatte ich mich nur zu so etwas hinreißen lassen können?

Verdammt! Verdammt! Verdammt! Nie wieder Alkohol!

Was sollte ich jetzt bloß tun? Was sollte ich antworten? Eine kluge Frau, die ihren Prinzipien treu blieb, hätte das Ganze hier beendet. Allerdings hätte so eine Frau erst gar nicht diese emotionsgeladene Email verfasst.

Jahrelang hatte ich jedes noch so zarte Gefühl sorgsam vermieden und erfolgreich bekämpft. Niemals wäre ich mit einem Mann Kaffee trinken gegangen und wäre so Gefahr gelaufen, ihn näher kennen zu lernen. Ich hatte meinen Spaß mit ihnen und warf sie danach aus meinem Leben. Alles aus lauter Angst so zu werden wie meine Mutter.

Leidenschaft war erlaubt - Gefühle jedoch strikt verboten. Eine einfache Regel. Leicht zu befolgen.

Bis ich diesem vermaledeiten Alexander König über den Weg lief (oder besser gesagt in die Arme fiel), war ich äußerst zufrieden damit.

Er hatte etwas an sich, das mein Interesse an ihm weckte. Nicht einfach nur, dass ich ihn äußerst attraktiv fand, nein, ich wollte wissen wer der Mann dahinter war. Schon allein die Tatsache, dass er überhaupt auf meine „ganz leicht" provozierende Email mit einer Einladung zum Kaffee reagierte, machte mich neugierig.

Das war nicht gut. Gar nicht gut.

Den ganzen restlichen Sonntag überlegte ich hin- und her, kam aber zu keinem Entschluss. Ich brauchte dringend eine zweite Meinung. Rico konnte ich nicht fragen, da er voreingenommen war und Alex nicht ausstehen konnte. Die Mädels kamen auch nicht in Frage, denn sie sollten so wenig wie irgend möglich über mich wissen. Und wenn Louisa davon erfahren würde, würde sie mich umbringen.

Schlussendlich kam nur noch eine einzige Person in Frage, bei der ich mir sicher war, dass sie mir eine ehrliche Antwort geben würde.

Das war ein verdammt gefährliches Spiel, auf das ich mich da einließ. Wie auch immer ich mich entscheiden würde - ich war sowas von erledigt.




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