XVIII

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Jasper

Zum Glück war ich nicht mehr besonders gewachsen seit dem Schulball letztes Jahr, sonst hätte ich mir jetzt noch schnell einen Anzug für die Beerdigung kaufen müssen, denn eigentlich trug ich sowas sonst nie. Es schon ein merkwürdiges Gefühl irgendwie...Sich für die Beerdigung des Freundes der Exfreundin fertig zu machen. Mittlerweile hatte Eve ihren Freundinnen von der Beerdigung erzählt, doch sie wollte nicht, dass sie kamen. Keine Ahnung wieso sie mich dabei haben wollte, ich hatte ihn ja noch viel schlechter gekannt als Mai-Li und ihre ganzen anderen Freunde. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie sich einfach niemandem anvertrauen, sie hatte allen nur eine kurze SMS geschrieben. Doch irgendwie fühlte ich mich geehrt, dass sie sich mir anvertraut hatte. Ich wartete vor ihrem Haus. Ihre Eltern waren so lieb mich mitzunehmen. Ich klingelte und Eve öffnete die Tür.
„Hey." Sie umarmte mich kurz und zwang sich zu einem Lächeln. Sie sah immer noch so bedrückt aus wie vor zwei Tagen.
„Hey."
„Tut mir leid, meine Mutter trödelt mal wieder."
„Kein Problem." Sie trug ein schwarzes Kleid, das ihr wirklich sehr gut stand. Die langen blonden Haare trug sie zu einem Dutt.
„Das Kleid steht dir echt gut.", sagte ich um die Stille zu brechen.
„Danke. Der Anzug steht dir auch echt gut. Ist das der Anzug den du auch..-."
„Den ich beim Ball anhatte ja.", beantwortete ich ihre Frage. Ich hatte mir diesen Anzug extra für unser Date beim Schulball gekauft. Damals waren wir noch so ein glückliches Paar gewesen.
Sie nickte und blickte auf den Boden. „Danke jedenfalls, dass du mitgehst."
Sie sah mir direkt ins Gesicht und ich hatte wieder dieses Kribbeln im Bauch. Ich ärgerte mich über mich selbst und fühlte mich schuldig. Wir gingen ja auf die Beerdigung ihres toten Freundes und ich war ihr Exfreund. Ich durfte nie wieder über ein ‚Eve und Jasper' nachdenken. Einige Sekunden blickten wir uns in die Augen ohne irgendetwas zu sagen, die Welt schien still zu stehen.
„So, ich wär dann auch fertig." Ihre Mutter kam um die Ecke und durchbrach die Stille.
„Hallo Jasper, sehr nett von dir, dass du uns begleitest." Ich lächelte sie freundlich an und nickte. „Danke fürs mitnehmen."
Ihr Vater begrüßte mich ebenfalls und wir stiegen alle gemeinsam in ihr Auto ein. Die Fahrt dauerte etwa eine dreiviertel Stunde. Wir sprachen nicht besonders viel. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich mit Eve reden hätte sollen, wenn ihre Eltern zuhörten. Irgendwie war mir die Situation unangenehm. Was mussten ihre Eltern davon halten, wenn sie ihren Ex-Freund mitnahm?
Als wir schließlich ankamen dauerte es noch einige Zeit bis zur Zeremonie. Ich unterhielt mich hauptsächlich mit Eve und ihrer Familie, weil ich die anderen nicht kannte. Die Zeremonie war lang und emotional. Zumindest für die meisten der Angehörigen. Viele heulten und die, die es nicht taten, spendeten Trost. Auch ich legte meinen Arm um Eve, als sie in der Kirche begann zu weinen. Doch sie hielt sich gut, sie wirkte nicht mehr ganz so geschockt wie vor zwei Tagen. Wahrscheinlich lag das auch daran, dass C sie nicht mehr stalkte, hoffentlich würde das so bleiben. Nach der Messe wurde der Sarg nach draußen gebracht und alle Angehörigen folgten ihm. Einige ihm nahestehenden Leute hielten kurze Reden und auch Eve sagte einige Sätze.
„Matt. Seit du neben mir eingezogen bist, hast du mir den Kopf verdreht." Autsch. Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. „Du hast einfach nicht locker gelassen. Die ganze Zeit wollte ich mich dagegen wehren, aber schließlich musste ich mir eingestehen wie sehr ich dich liebe. Ich liebe dich Matt. Und genau das macht es so schwer dich gehen zu lassen. Ich kannte dich so kurz, aber du hast mir so viel bedeutet. Ich hoffe dir geht es gut, wo immer du auch bist. Ich werde dich niemals vergessen." Tränen glitzerten in ihren Augen und ihre Stimme zitterte ein wenig, aber trotzdem sprach sie laut und deutlich. „Ich liebe dich."
Sie nahm eine Hand voll Erde und ließ sie auf den Sarg, der im Grab lag, rieseln, so wie es schon einige davor getan hatten. Ich wollte es lieber nicht machen. Obwohl ich nie wirklich was gegen ihn gehabt hatte, hatte ich ihn irgendwie gehasst, weil er mir die Freundin weggenommen hatte. Und ich war mir auch sicher, dass er mich nie wirklich gemocht hatte, deswegen dachte ich mir es wäre besser das nicht zu machen. Das war eher so eine Familien und Freunde Sache.
Als Eve fertig war, stellte sie sich wieder zu uns und umarmte ihre Eltern. Dann stellte sie sich wieder neben mich und versuchte unauffällig die Tränen mit dem Ärmel ihrer Weste wegzuwischen. Ich wollte sie trösten, aber alle waren so still und ich traute mich nicht zu reden. Außerdem dachte ich, dass sie sich vielleicht nochmal in Gedanken von Matt verabschieden wollte, deswegen ließ ich sie in Ruhe. Nach der ganzen Zeremonie wurde noch gebetet und danach gingen wir alle zusammen in ein Restaurant und aßen dort zu Abend. Eve war die ganze Zeit sehr schweigsam. Ich versuchte ihr beizustehen und sie ein wenig zu trösten, doch die meiste Zeit blieb ich ebenfalls ruhig Die ganze Zeit hörte irgendjemand zu und ich fühlte mich fehl am Platz. Es war ja nicht so, dass ich es ihm gewünscht hatte zu sterben, er war bestimmt ein toller Typ, auf den ich sehr eifersüchtig war, aber ich war eben auch nicht todtraurig, weil ich ihn nicht wirklich kannte. Es tat mir einfach nur verdammt leid wegen Eve.
„Jasper? Können wir mal kurz rausgehen?", fragte sie mich nach einiger Zeit zaghaft.
„Ähm, sicher." Ich stand auf und folgte ihr nach draußen.
„Also, auch wenn das die Beerdigung von Matt ist...Ich wollte sagen dass es mir echt leid tut, dass du das vorhin mitanhören musstest, meine Abschiedsworte und so. Ich meine ich weiß nicht, vielleicht bist du schon längst über mich hinweg." War ich nicht „Ich wollte mich nur entschuldigen. Ich weiß, dass du dich hier ein bisschen fehl am Platz fühlst, weil du ja mein Ex bist und du ihn wahrscheinlich nicht so besonders mochtest. Aber jedenfalls danke. Es hilft mir echt sehr, dass du da bist. Und ich hoffe wirklich, dass wir noch irgendwie in Kontakt bleiben können. Einfach als Freunde. Ich brauch dich nämlich wirklich."
Ich lächelte sie an. „Ja es war schon komisch für mich heute. Ich weiß auch nicht, ob ich jemals nichts für dich empfinden werde, du bedeutest mir echt viel. Und deswegen ja, ich fände es echt toll wenn wir wieder Kontakt hätten und einfach Freunde sein könnten."
„Danke." Zum ersten Mal heute zeigte sie mir ihr echtes Lächeln. Sie ging auf mich zu und umarmte mich. Wir blieben einige Sekunden so stehen und ich schloss die Augen und fühlte ihre Wärme.
„Gehen wir wieder rein?", fragte ich, als sie sich von mir löste und sie nickte.
Zusammen gingen wir rein. Die Stimmung war bedrückt und der Tag neigte sich langsam dem Ende. Matts Mutter weinte die ganze Zeit, ihr ging es richtig schlecht und sie tat mir sehr leid. Ich war froh, als wir schließlich gehen konnten. Ich fuhr wieder mit Eves Familie im Auto mit. Ihre Eltern waren den ganzen Tag über echt nett zu mir gewesen. Ich hatte mich schon immer gut mit ihnen verstanden und ich war froh, dass sie mich immer noch mochten.
„Sehen wir uns morgen vielleicht?", fragte sie mich. „Ich darf jetzt noch eine Woche zu Hause bleiben, muss halt mitlernen. Ich brauche wen zum Reden. Ich halte es alleine nicht mehr aus, den ganzen Tag nur rum sitzen. Aber die Schule wäre zu viel für mich. Alle wissen davon. Und ich...ich schaffe das einfach noch nicht."
„Siccher." Ich nickte und lächelte sie an. Mein Bauch kribbelte ein wenig. Es fühlte sich gut an, zu hören, dass sie mich brauchte. „Gerne. Dann bis morgen." Ich drückte sie fest.
„Bis morgen."
Es war plötzlich irgendwie fast wie früher, als wir noch zusammen waren. Nur das Küssen fehlte.

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Obsession - Lost In RealityWhere stories live. Discover now